Nagel macht Vorschläge für angebotsseitige Reformen
Von Hans Bentzien
DOW JONES--Bundesbankpräsident Joachim Nagel hat die nächste Bundesregierung vor dauerhaft erhöhten Staatsausgaben gewarnt und zugleich einen umfangreichen Katalog mit angebotsseitigen Reformmaßnahmen präsentiert, die diese Bundesregierung zur Stärkung der Wirtschaft umsetzen sollte. "Mehr Schulden - damit ist letztlich nur für eine Übergangszeit geholfen. Danach muss eine nachhaltige Finanzierung über den Haushalt erfolgen. Denn mehr Schulden bedeutet auch steigende Zinslasten und weniger Haushaltsspielräume in der Zukunft", sagte Nagel laut veröffentlichtem Redetext in der Berlin School of Economics.
Nagel lobte die Ergebnisse der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD und räumte ein, dass außergewöhnliche Zeiten auch außergewöhnliche fiskalische Maßnahmen rechtfertigten, was auch für die Verteidigungspolitik gelte. Er machte aber zugleich klar, dass die Probleme der deutschen Wirtschaft nicht mit mehr Schulden, sondern nur mit Reformen gelöst werden könnten. Dazu machte Nagel eine Reihe von Vorschlägen, die die Erhöhung des Arbeitsangebots, die Energieversorgung und die Unternehmensdynamik betrafen.
1. Erhöhung des Arbeitsangebots
Der Bundesbankpräsident forderte zunächst, dass Arbeitsangebot zu erhöhen, was vor allem über längere Wochenarbeitszeiten von Teilzeitbeschäftigten geschehen müsse und daher vor allem Frauen betreffe. Voraussetzung seien besser Angebote bei der Kinderbetreuung. "2022 fehlten für Kinder unter drei Jahren 321.000 Betreuungsplätze", sagte Nagel. Unterversorgung herrsche auch bei der Betreuung der Über-Drei-Jährigen im Kindergartenalter und von Grundschulkindern. Hier sei Deutschland auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen.
Weitere Vorschläge: Anreize für Frühverrentung verringern, Rente nach 45 Beitragsjahren abschaffen, Renteneintrittsalter an zunehmende Lebenserwartung anpassen, für Bürgergeldempfänger wieder die früher geltenden Regeln zu Schonfristen, Schonvermögen, Pflichtverletzungen und Meldeversäumnissen einführen, arbeitsmarktgeleitete Einwanderung fördern.
2. Sichere Energieversorgung
Alle Sektoren sollten Nagel zufolge einem einheitlichen CO2-Preis unterworfen werden. Aktuell unterscheidet sich der CO2-Preis nach Sektoren. Die Bundesregierung müsse einen verlässlichen und stimmigen Rahmen für die Energiewende schaffen, und erklären wie das Zusammenwirken von Erneuerbaren und importierten Energien langfristig funktionieren solle. Netze, Speicher und Reservekraftwerke müssten den Anforderungen genügen und letztere angemessen vergütet werden.
Die Planung von Energieprojekten sollte vereinfacht werden, flexible Stromtarife sollten eine bessere Zusammenführung von Angebot und Nachfrage ermöglichen, die Stromsteuer sollte auf das EU-Mindestmaß gesenkt werden. Klimaschädliche Subventionen sollten abgeschafft und europäische Stromnetze stärker integriert werden.
3. Unternehmensdynamik erhöhen
Der Bundesbankpräsident sieht die Notwendigkeit, Bürokratie abzubauen und für eine bessere Kooperation zwischen Behörden zu sorgen. Unternehmensgründer sollten ihre Anliegen in One-Stop-Shops vortragen können, notwendig sei auch eine Vollendung der Kapitalmarktunion. Auch sollte für mehr Synergien zischen militärischer und ziviler Forschung gesorgt werden. "Damit Unternehmen insgesamt mehr in Forschung und Entwicklung investieren, könnte man sie dafür steuerlich stärker belohnen", sagte Nagel.
Mit einer Effektivsteuerbelastung von 28,5 Prozent lag Deutschland 2024 Nagel zufolge fast 10 Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. "Damit sich international tätige Unternehmen verstärkt hierzulande ansiedeln, dürfte eine Senkung des tariflichen Körperschaftsteuersatzes am effektivsten sein", sagte er. Verwaltungsprozesse sollten durch Digitalisierung, Automatisierung und Standardisierungen vereinfacht werden. Vorgaben für die maximale Dauer bis zu einer Entscheidung würden zu mehr Planbarkeit für den Antragsteller führen. "Verknüpft man solche Vorgaben mit einem vereinfachten Schadensersatz bei Überschreitungen einer Frist, würde dies die entsprechenden Anreize setzen", schlug Nagel vor.
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March 10, 2025 09:00 ET (13:00 GMT)