Studie: Corona-Krise schiebt Biotech-Branche an
Die Corona-Pandemie beschert der Biotech-Branche nach Einschätzung der Beratungsgesellschaft EY die Chance auf enorme Umsatzschübe.
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"Wir reden hier von einem Milliardenmarkt", sagte EY-Pharmaexperte Alexander Nuyken am Montag bei der Vorstellung einer Branchenstudie. Die Karten für die Corona-Impfstoffentwicklung seien derzeit zwar weitgehend verteilt und die bereits zugelassenen Vakzine von BioNTech/Pfizer, Moderna, AstraZeneca und Johnson & Johnson dominierten den Markt. Es dürften aber noch einige weitere Impfstoffe auf den Markt kommen. "Wer jedoch mit seinen Forschungen derzeit nicht mindestens in Phase zwei oder drei ist, wird Probleme haben, eine Rolle zu spielen", sagte Nuyken.
Mit dem Aufkommen neuer Virus-Mutationen, den bisher noch niedrigen Impfquoten in Schwellenländern und den wohl auch nötigen Auffrischungsimpfungen werde sich ein "riesiger Bedarf" ergeben. Gleichzeitig werde die Hürde für eine Zulassung eines Vakzins immer höher, da die Impfstoffe in den aktuell laufenden Studien auf eine zunehmende Zahl an Virus-Varianten getestet werden müssten.
Generell erlebe die Impfstoffforschung derzeit eine Renaissance. Aber auch abseits der Vakzine und Corona stehe die Branche durch neue Trends wie der Digitalisierung sowie Gen- und Zelltherapien "an der Schwelle zu weiterem Wachstum". Neue innovative Technologien wie etwa die der sogenannten messenger-RNA (mRNA), die bei den Corona-Impfstoffen von BioNTech/Pfizer und Moderna eingesetzt wird, dürften in Zukunft auch in vielen anderen Therapiegebieten wie etwa Krebs an Bedeutung gewinnen, so der Pharmaexperte. Dabei bleibe die Onkologie auch in der Zukunft der größte Wachstumstreiber der Branche. Im Vergleich zwischen den Therapiegebieten steckt die Branche derzeit das meiste Geld in die Erforschung neuer Krebsmedikamente.
Im laufenden Jahr bekam die Impfstoffforschung einen kräftigen Schub, wie aus der aktuellen Studie von EY hervorgeht. Demnach befinden sich derzeit 260 Impfstoff-Kandidaten in der Entwicklung, dies ist ein Anstieg von knapp 62 Prozent im Vergleich zu 2020. Allerdings steckt mit fast 70 Prozent der Großteil der Forschungsprojekte noch in einem sehr frühen Stadium. Ein noch stärkerer Anstieg im Vergleich zu 2020 ist bei den therapeutischen Wirkstoffkandidaten zur Behandlung von Covid-19 zu verzeichnen. Hier hat sich die Zahl der derzeit erforschten Mittel laut der Studie binnen eines Jahres auf rund 500 mehr als verdoppelt.
"Mit mehr als 160 Medikamenten in der fortgeschrittenen Phase 3 sehe ich durchaus die Chance, dass wir in der nächsten Zeit einige Produkte gegen eine akute Covid-19-Erkrankung, aber auch gegen Folgeerscheinungen sehen werden", sagte Nuyken. Zudem seien inzwischen mehr als 1000 Tests zum Nachweis der Krankheit auf dem Markt und knapp 100 weitere befinden sich in der Entwicklung.
Generell gaben die 20 weltweit größten Pharmaunternehmen plus die deutsche Merck KGaA an 21. Stelle im vergangenen Jahr für ihre Forschung und Entwicklung mit rund 103 Milliarden Euro 9,2 Prozent mehr aus als noch 2019. Gleichzeitig kühlte sich aber wegen der Pandemie das Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahr in allen Regionen der Welt deutlich ab. "Die Pharmabranche ist nicht der große Gewinner der Pandemie", betonte Klaus Ort von EY. Insbesondere Unternehmen in Europa und Japan verzeichneten rückläufiges Wachstum.
So habe sich unter anderem negativ ausgewirkt, dass in Krankenhäusern weniger operiert worden sei, sagte Ort. Zudem hätten sich wegen der Abstandsregeln und des Tragens von Masken auch andere Infektionskrankheiten wie etwa die Grippe weniger stark verbreitet, weshalb weniger Medikamente benötigt worden seien.
Die Umsätze der 21 betrachteten Unternehmen stiegen im vergangenen Jahr um 4,4 Prozent auf rund 528 Milliarden Euro. Ein Jahr zuvor hatte der Zuwachs noch 12,8 Prozent betragen. Die Top Ten der Branche entwickelten sich 2020 mit einem Plus von 5 Prozent zwar erneut stärker als der Gesamtmarkt, kamen aber nicht annähernd auf die Wachstumsrate von 14,4 Prozent aus dem Jahr 2019 heran. Auch das Wachstum der führenden Arzneien der Unternehmen, sogenannter Blockbuster-Medikamente mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar, schwächte sich deutlich ab.
Die EY-Experten gehen jedoch davon aus, dass das Umsatzwachstum der Pharmaindustrie in den Jahren nach dem Wegfall von Pandemiebeschränkungen wieder anziehen dürfte. "Blockbuster bleiben hier der Treiber für künftiges Wachstum", sagte Nuyken. Auch sollte es in der Branche in Zukunft wieder mehr Fusionen und Übernahmen geben, nachdem die Zahl solcher Transaktionen im Krisenjahr 2020 abgebremst worden sei. Getragen werden sollte dies auch durch den aktuellen Trend in der Industrie, sich in der eigenen Forschungspipeline stärker auf bestimmte Therapiegebiete zu konzentrieren.
/tav/ngu/fba
STUTTGART (dpa-AFX)
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