MARKT-AUSBLICK/Weiter hoch - Erwartungen überall zu negativ
Von Michael Denzin
DOW JONES--Gute Chancen auf eine Fortsetzung der Kursrally an den europäischen Börsen sehen Marktteilnehmer für die kommende Woche. Nachdem der DAX nun acht Tage in Folge Allzeithochs produziert hat, räumen ihm Anleger auch gerne kleinere Zwischenkonsolidierungen ein. Übergeordnet sind von Technischen Analysten aber Kursziele von um die 22.400 Punkte im DAX zu hören, bevor eine größere Seitwärtsbewegung zu erwarten ist.
Alles hängt aber davon ab, wie sich die fundamentalen Rahmenbedingungen entwickeln. Und hier ist mittlerweile viel Hoffnung im Spiel, die noch nicht von harten Fakten getragen wird: allen voran Donald Trump und seine Zollpläne. Nachdem Trump zum Amtsantritt nicht gleich mit der großen Strafzollkeule gekommen ist, sind die Börsen international auf Rallykurs gegangen. Möglicherweise habe man zuviel Negatives eingepreist, heißt es am Markt. Solange von Trump keine gegenteiligen Zitate umgehen, kann die Erleichterungsrally weiterlaufen.
USA wollen Milliarden in Daten-Infrastruktur pumpen
Glücklicherweise gibt es aus den USA aber auch harte Fakten - allen voran das Projekt "Stargate". Hier sollen 100 Milliarden Dollar in die Hand genommen werden zum Ausbau von Datenzentren - in den kommenden Jahren sogar bis zu 500 Milliarden Dollar für die High-Tech-Infrastruktur. Die USA bauen damit aggressiv an der Zukunft ihrer Wirtschaft, während Europa noch weiter zurückfällt. Entsprechend war der Tenor von professionellen Fondsmanagern in der jüngsten Umfrage von Bank of America, weltweit ausschließlich auf Gewinne an den US-Börsen zu setzen - und "alles andere" unterzugewichten.
Anhängern der Contrary Opinion läuft es hier zunächst kalt den Rücken hinunter, noch schlimmer sieht es mit der "zu guten" Laune nur noch bei Privatanlegern aus: Hier sprang das Lager der Bullen an Wall Street in einer einzigen Woche von 25,4 auf gleich 43,4 Prozent, wie die jüngste Umfrage vom Anlegerverband AAII zeigt. Allerdings brauchen die US-Börsen gerade solche Stimmungsschübe, um auf breiter Front weiterzulaufen. Negativ ist hieran noch nichts.
Chance auf Aufholjagd in Europa - Gewinnerwartungen viel zu negativ
Hinter der Konzentration auf die USA könnte nun eine Chance für das lange übersehene Europa liegen. Die Analysten der Deutschen Bank sehen hier sogar den sogenannten "pain trade", also eine Anlage, die zwar am meisten Kopfzerbrechen macht, trotzdem aber gut laufen könnte.
Schon die jüngste Rally von DAX und Euro-Stoxx zeige, dass sich "Übergewichten Europa", auszahle, stellen die Analysten fest. Grund seien die vielen substanziellen Gewinnüberraschungen aus der Berichtssaison zum vierten Quartal. Denn auch hier sei der Konsens für den Stoxx-600-Index viel zu negativ und erwarte ein Minus von 6 Prozent bei den Gewinnen, während die Analysten der Deutschen Bank ein Plus von 4 Prozent erwarten. Stark sehen sie vor allem den Konsumsektor, was die exzellenten Geschäftszahlen von Adidas, Zalando, Richemont untermauern.
Einkaufsmanager mit ersten Hoffnungszeichen
Passend dazu wurden am Freitag die neuesten Einkaufsmanager-Indizes (PMI) für die Eurozone vorgelegt. Nicht nur konnte hier Sorgenkind Deutschland mit einem Anstieg aufwarten, auch sprang der PMI der gesamten Eurozone über die wichtige Expansionsschwelle von 50 Punkten. Der Ifo-Konjunkturindex am Montag wird daher mit Spannung erwartet.
Überraschungspotenzial kommt auch aus China: Hier werden im Wochenverlauf sowohl die staatlichen als auch privaten Industrie- und Service-PMI berichtet. Eine überraschende Erholung in China konnte an den Märkten ein zusätzliches Feuerwerk auslösen.
Vor allem die Berichtssaison wird diesmal sehr viel stärker als sonst als Indikator für die gesamte Konjunktur betrachtet. Die Schwergewichte der kommenden Woche stehen daher besonders mit ihren Ausblicken und Erwartungen für 2025 im Fokus. Unter anderem berichten unter den deutschen Werten SAP und die Deutsche Bank sowie T-Mobile US für die Deutsche Telekom - auch ein Vorbericht von BMW wird erwartet. In Europa stehen unter anderem BT Group, LVMH, Roche, Novartis, Sanofi und Shell an. Die globalen Schwergewichte kommen aus den USA, darunter Tesla, IBM, Meta, Microsoft und Apple.
EZB und Fed diesmal nicht so stark im Fokus
Dazu stehen auch noch die Zinsentscheidungen der Notenbanken an, vor allem mit Fokus auf die EZB und die Fed. Allerdings sehen ihre Entscheidungen diesmal etwas berechenbarer als sonst aus, so dass das Überraschungspotenzial geringer ausfällt.
Bei der US-Notenbank geht zum Beispiel Christian Scherrmann, US-Volkswirt vom Vermögensverwalter DWS, davon aus, dass sie eine abwartende Haltung einnehmen wird, eventuell sogar mit einer weniger falkenhaften Haltung als noch im Dezember 2024. Die jüngsten Inflationsdaten ließen Raum für weitere, wenn auch begrenzte Zinssenkungen. Und auch von den Arbeitsmärkten gehe trotz robuster Neueinstellungen kein Preisdruck aus.
Bei EZB in Europa besteht ohnehin die Chance auf eine Zinssenkung. So meinen die Volkswirte der BNP Paribas, dass dafür die seit Dezember veröffentlichten Preisdaten sprächen: eine Senkung um 25 Basispunkte sei wahrscheinlich. Per Saldo gibt es damit in der kommenden Woche genügend Mosaiksteine für ein insgesamt rundes und positives Bild - für weiter steigende Aktienbörsen spricht daher einiges.
Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com
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January 24, 2025 07:37 ET (12:37 GMT)