Lufthansa: Rabenschwarzer Tag und die Folgen
Nach dem Absturz des Flugzeugs der Tochter Germanwings muss Konzernchef Carsten Spohr Deutschlands größte Fluggesellschaft durch die tiefste Krise ihrer Geschichte führen.
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von Florian Westermann, Euro am Sonntag
Das Undenkbare wurde am vergangenen Dienstag schreckliche Realität: ein Flugzeugabsturz einer renommierten Airline mitten in Europa. Als wäre das nicht tragisch genug, brachten die Ermittlungen zur Unglücksursache zutage, dass Flug 4U9525 von Barcelona nach Düsseldorf wohl als eine der größten Tragödien in die Geschichte der Luftfahrt eingeht.
Die französische Staatsanwaltschaft spricht von einem absichtlich herbeigeführten Absturz. Demnach habe der 27-jährige Copilot - zu dem Zeitpunkt allein im Cockpit der A 320 der Germanwings - das Flugzeug bewusst in eine Felswand in den französischen Alpen gesteuert. 150 Menschen starben, darunter eine Gruppe von 16 Schülern auf Austausch. Über die Motive des Co-Piloten kann bislang nur spekuliert werden. Doch es mehren sich Anzeichen für eine psychische Erkrankung. Laut "Bild" wurde bei dem Piloten im Jahr 2009 eine "abgeklungene schwere depressive Episode" festgestellt.
Sicher ist, dass sich in der Luftfahrtbranche nach diesem tragischen Ereignis einiges ändern wird. Die Lufthansa und andere europäische Airlines reagierten bereits: In Zukunft müssen sich demnach immer mindestens zwei Crewmitglieder im Cockpit aufhalten. Eine Regel, die in den USA schon lange gilt.
"Unsere Gedanken sind bei Passagieren, der Crew und den Angehörigen in dieser schwarzen Stunde unseres Unternehmens", sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr.
Angeschlagener Kranich
Spohr, der erst seit Mai vergangenen Jahres an der Spitze der größten deutschen Fluggesellschaft steht, muss den Konzern jetzt durch die größte Katastrophe in der rund 60-jährigen Geschichte des Unternehmens steuern - eine enorme Belastungsprobe.Die Kranichlinie und ihre Töchter zählten bisher zu den sichersten Fluggesellschaften der Welt. Der letzte schwere Unfall liegt lange zurück. 1993 kamen bei einer missglückten Landung auf dem Warschauer Flughafen zwei Personen ums Leben (siehe unten).
Die Katastrophe trifft den DAX-Konzern in wirtschaftlich schweren Zeiten. Streikkosten, hohe Pensionslasten und Fehlspekulationen beim Kerosin ließen den Gewinn der Lufthansa im vergangenen Jahr fast auf null einbrechen. 2015 rechnen Analysten zwar mit einem kräftigen Ergebnissprung auf knapp eine Milliarde Euro. "Operativer Hauptgrund dafür sind die deutlich gesunkenen Treibstoffkosten", sagt Aktienanalyst Per-Ola Hellgren von der LBBW.
Das Umfeld aber bleibt herausfordernd. Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet nehmen die Lufthansa immer stärker in die Mangel. Hinzu kommen die Golf-Carrier wie Emirates oder Etihad, die Passagiere in Deutschland einsammeln und über ihre Drehkreuze im Nahen Osten in alle Teile der Welt befördern.
Gegenwind bläst dem gelernten Piloten Spohr auch innerhalb des Konzerns ins Gesicht. Die Lufthansa-Piloten befinden sich seit einem Jahr im Clinch mit ihrem Arbeitgeber. Erst Mitte Februar blieben wegen eines Streiks - es war der zwölfte im laufenden Tarifstreit - zahlreiche Flugzeuge am Boden.
Vordergründig geht es um die Konditionen der Frühverrentung. Intern aber schwelt ein kaum löschbarer Brand. Der Lufthansa-Lenker muss den Konzern umbauen und die Kosten senken. Ein Thema, an das sich Spohrs Vorgänger Christoph Franz kaum herangetraut hatte. Der Westfale nimmt dafür auch Arbeitskämpfe in Kauf. Im vergangenen Jahr kosteten Streiks die Lufthansa 232 Millionen Euro. Nachgeben will der 48-Jährige aber nicht.
Im Kerngeschäft der Kranichlinie liegt das Kostenniveau Unternehmensangaben zufolge um 30 bis 40 Prozent über dem von Wettbewerbern wie Easyjet und Turkish Airlines. Ohne Korrekturen steuere die Lufthansa "in eine gefährliche rote Zone", warnte das Management.
Spohr setzt einerseits auf neue Premiumangebote bei der Lufthansa, gleichzeitig aber auch auf eine neue Billigflieger-Strategie. Doch die Piloten sperren sich. Schon lange vor dem Unglück kündigte Spohr an, die Marke Germanwings einzudampfen und günstige Kurz- und Langstreckenflüge zukünftig unter dem Markennamen Eurowings anzubieten. Hintergrund sind Kostenvorteile. Die Piloten der Euro-Tochter verdienen deutlich weniger als ihre Kollegen bei der Lufthansa und Germanwings, für die der lukrative Konzerntarifvertrag gilt.
Nach dem Germanwings-Absturz setzte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit den Arbeitskampf mit der Lufthansa zwar vorerst aus, vom Tisch ist das Problem damit aber nicht.
Strategie auf dem Prüfstand
Der Absturz der Germanwings-Maschine könnte Spohrs Strategie indes infrage stellen. Der Manager muss jetzt dringend den unterschwelligen Verdacht ausräumen, die Katastrophe in den Alpen könnte etwas mit dem Sparkurs zu tun haben. Ein technischer Defekt scheint ausgeschlossen. Bleibt der Faktor Mensch. Bekommen die Piloten das bestmögliche Training? Wird genügend in Sicherheit investiert? Und vor allem: Sind die medizinischen und psychologischen Untersuchungen ausreichend?Fragen, denen sich Spohr nach der Katastrophe stellen musste: "Kein System kann ein solches Einzelereignis ausschließen", sagte der sichtlich mitgenommene Lufthansa-Chef. Doch er habe weiterhin vollstes Vertrauen in die Piloten des Unternehmens. "Bei der Lufthansa galt und gilt die Regel: Sicherheit ist die Nummer 1."
Schon vor dem Unglück stieß der Konzern Investitionen in die Erneuerung der Flotte an. Bis zum Jahr 2025 sollen 272 neue Flugzeuge mit einem Listenwert von rund 38 Milliarden Euro ausgeliefert werden. Nach geplanten Investitionen von 2,9 Milliarden Euro in diesem Jahr deckelt Spohr die Investitionen in den nächsten zwei Jahren allerdings auf jeweils 2,5 Milliarden Euro.
Das Problem: Der Mittelzufluss aus dem operativen Geschäft lag im vergangenen Jahr bereits um 800 Millionen Euro unter den Investitionen. Im Gegenzug stieg die Verschuldung. Das schränkt Spohrs Spielraum bei der Erneuerung der Flotte ein. Ein sicherheitsrelevantes Thema ist das jedoch nicht. Das Alter des abgestürzten Airbus - mit 24 Jahren war es eines der ältesten Flugzeuge in der Flotte - sehen Experten bei guter Wartung als unkritisch an.
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht werden sich die Folgen des Unglücks wohl in Grenzen halten. Die Mehrfachbesetzungen im Cockpit müssen laut Branchenkennern nicht zwangsläufig zu einer Personalaufstockung führen. Ob der Absturz dem Geschäft schadet, kann auch nicht schlüssig beantwortet werden: Die Fluggesellschaft Air France-KLM etwa erlitt im Geschäftsjahr 2009/10 nach dem Absturz von AF 447 von Rio de Janeiro nach Paris mit 228 Toten einen Umsatzeinbruch im Passagiergeschäft von 14 Prozent. Doch die Weltwirtschaft litt damals unter der Finanzkrise. Auch die Lufthansa setzte 2009 im Passagiergeschäft rund neun Prozent weniger um.
Bleibt die Frage nach dem Schadenersatz. Auf die Lufthansa komme wohl eine zweistellige Millionensumme zu, sagt ein Brancheninsider. Dafür werde aber wohl die Versicherung aufkommen. Hauptversicherer ist in diesem Fall die Allianz.
Nach einer der schlimmsten Katastrophen der Luftfahrtgeschichte muss Spohr, der selbst Pilot ist, sein schwierigstes Manöver fliegen.
Investor-Info
Unglücksstatistik
Lufthansa recht sicher
Die größte deutsche Airline belegte 2014 nach einem Sicherheitsranking der Unternehmensberatung JacDec Rang 12 unter 60 darin aufgeführten Fluglinien und ist damit die zweitsicherste in Europa hinter der niederländischen KLM (Rang 6). Das Unglück in Frankreich dürfte zu einer Abwertung führen. Seit Gründung der neuen Deutschen Lufthansa AG 1954 verlor die Airline - außer dem Flug 4U9525 - acht weitere Jets. Die Unglücke kosteten insgesamt 300 Menschen das Leben. Die folgenschwersten:
• September 1993 Ein A 320 rutscht wegen Aquaplaning in Warschau über Piste hinaus. Zwei Tote.
• Juli 1979 Eine Boeing 707 auf Frachtflug nach Dakar kollidiert mit einem Berg. Drei Tote.
• November 1974 Eine Boeing 747 stürzt nach Start in Nairobi wegen Technikproblemen ab. 59 Tote.
• Januar 1966 Eine Convair stürzt nach misslungenem Durchstartmanöver in Bremen ab. 46 Tote.
• Januar 1959 Eine Lockheed stürzt bei Regen vor der Landung in Rio de Janeiro ab. 36 Tote.
Jahresbilanz
Gewinnwende angepeilt
Das Management um Chef Carsten Spohr steht unter hohem Druck. Der Umsatz stagniert seit Jahren. In den vergangenen zwei Jahren fiel der Gewinn von über 1,2 Milliarden Euro auf zuletzt 55 Millionen Euro. Im laufenden Jahr erwarten Analysten eine Steigerung des Nettogewinns auf über 940 Millionen Euro. 2016 soll das Ergebnis nochmals zulegen.
Aktie
Zu viel Risiko
Niedrigere Treibstoffkosten dürften der Lufthansa in diesem Jahr Rückenwind bei der Gewinnentwicklung geben. Im Vorjahr verbuchte der Konzern hohe Sonderbelastungen etwa wegen Streiks. Welche Kosten nach dem Germanwings-Absturz auf den Konzern zukommen, lässt sich noch nicht seriös einschätzen. Die Unsicherheiten überwiegen. Die Aktie ist nur eine Halteposition.
Airbus
Gefragter Flieger
Die Entwicklungen im Fall des Fluges 4U9525 deuten auf ein Pilotenproblem. Das dürfte den Managern in der Airbus-Zentrale bei aller Tragik einige Sorgen nehmen. Denn der Flugzeugtyp A 320 ist mit rund 6.500 Auslieferungen und über 5000 Aufträgen der Verkaufsschlager schlechthin. Vor dem Absturz gab es Spekulationen um technische Schwierigkeiten: Vereiste Sensoren waren der Grund für einen ungeplanten Sinkflug eines A 320 im November, der glimpflich endete. Der Typ sei sehr sicher, heißt es aus dem Konzern. Nachbesserungen sind dennoch nicht ganz auszuschließen. "In der Branche will man jedes Risiko vermeiden", sagt Stefan Maichl, Analyst der Landesbank Baden-Württemberg. Nach dem jüngsten Kursanstieg raten wir von Neuengagements ab. Stopp setzen.Ausgewählte Hebelprodukte auf AIR France-KLM
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