Interview

SAP-Co-Chef McDermott: Wir halten unsere Augen auf

30.10.12 03:00 Uhr

Der Softwareriese eilt derzeit von Erfolg zu Erfolg. Und das ist erst der Anfang, verspricht SAP-Co-Chef Bill McDermott im Interview mit Euro am Sonntag.

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von Thomas Schmidtutz, Euro am Sonntag

Bei SAP ist die Stimmung so gut wie lange nicht. Während sich die Konjunktur weltweit abkühlt und die Rivalen ächzen, legt der Konzern ein starkes Quartal nach dem anderen hin. Allein zwischen Juli und September verbuchten die Walldorfer bei den Lizenzeinnahmen ein Plus von 17 Prozent auf knapp über eine Milliarde Euro und hängten den Erzrivalen Oracle damit locker ab. Geht es nach SAP-Co-Vorstandschef Bill McDermott soll das noch möglichst lange so bleiben. €uro am Sonntag sprach mit McDermott über neue Produkte, die Zahlen und den Wettbewerb.

Herr McDermott, die meisten IT-Unternehmen kämpfen mit der konjunkturellen Abkühlung. Doch SAP wächst auch im dritten Quartal zweistellig. Sind Sie so gut oder die anderen so schlecht?
Bill McDermott: Unsere Strategie geht auf. In einem schwierigen Marktumfeld ist SAP für seine Kunden genauso wichtig wie in einem guten Umfeld. Ich war in den vergangenen Wochen auf der ganzen Welt unterwegs und habe mit vielen Firmenchefs gesprochen. Viele sehen sich vor einer zentralen Herausforderung: Mehr Arbeit mit weniger Aufwand zu schaffen. Dabei spielt Technologie eine Schlüsselrolle. Das kommt uns zugute.

Mehr Arbeit mit weniger Aufwand versprechen andere IT-Unternehmen auch. Was macht SAP besser als die anderen?
Wir machen das seit 40 Jahren sehr erfolgreich. Wir sind in 24 Branchen und weltweit die Nummer 1 bei Geschäfts-Software. Das bringt uns Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Aber wir haben es nicht dabei bewenden lassen. Als mein Partner Jim Hagemann Snabe und ich vor gut zwei Jahren gemeinsam an die SAP-Spitze berufen wurden, haben wir uns ein paar zentrale Fragen gestellt: Was wollen die Kunden? Wo müssen wir besser werden? Und wie werden wir es dann auch?

Und das Ergebnis?
Wir hatten weder ein signifikantes Cloud-Angebot für die Nutzung von Programmen und Rechenleistung über das Web noch ein entsprechendes Angebot für den rasant wachsenden Markt von mobilen Anwendungen. Dafür standen wir am Anfang der Entwicklung unserer In-Memory-Datenbank HANA....

...die in Sekundenbruchteilen unvorstellbare Datenmengen analysieren kann...
...und haben uns entsprechend aufgestellt. Wir haben HANA vorangetrieben, uns mit SuccessFactors und Ariba bei Cloud-Lösungen verstärkt und bei mobilen Anwendungen mit Sybase. Es war also nicht nur ein Schritt, der uns nach vorne gebracht hat, sondern eine klare Vision und die Orchestrierung über verschiedene Bereiche.

SAP macht gut 42 Prozent des Umsatzes im vierten Quartal. Haben Sie irgendwelche Hinweise, dass die Unternehmen vorsichtiger bei ihren Investitionen werden?
Die Unternehmen achten peinlich genau darauf, dass sich eine Investition rechnet. Dabei stehen sie häufig vor der Entscheidung, wo sie investieren, um wichtige strategische Vorteile zu erreichen. Produkte wie HANA ermöglichen einen Quantensprung bei der Analyse von Daten. Das rechnet sich sehr schnell. Dann sind die Unternehmen auch bereit, zu investieren.

SAP hat zuletzt elf Quartale in Folge den Umsatz mit Software und Software-bezogenen Dienstleistungen zweistellig gesteigert. Sie haben am Mittwoch den Ausblick um Ariba ergänzt und die Prognose leicht angehoben. Unter Analysten wächst nun die Skepsis: Wie lange kann das noch gut gehen?
Unsere Pipeline ist sehr stark. Und natürlich ist es unser Ehrgeiz, noch sehr lange mit zweistelligen Zuwächsen zu wachsen. Ich glaube, dass das möglich ist.

Aber der Wettbewerb wird härter. Oracle drängt in die Cloud und trommelt für seine eigene High-end-Datenbank. Macht Sie das nicht ein bisschen nervös?
Wir nehmen unseren Wettbewerb immer ernst. Aber unser Produktportfolio ist stark. Unsere Zahlen zeigen: Wir gewinnen weltweit Marktanteile.

Darüber werden Ihre Kollegen in Redwood City nicht allzu glücklich sein?
Überhaupt nicht (lacht). Aber das macht mich sogar noch glücklicher.

Viele Beobachter sehen SAP inzwischen so stark aufgestellt wie seit 15 oder 20 Jahren nicht.
Es gab eine Zeit, in der SAP das innovativste Unternehmen mit den höchsten Kundenzufriedenheitswerten in der Branche war. Ich glaube, wir haben zu dieser Stärke zurückgefunden. Aber wir sind auch demütig und wissen, dass der Erfolg flüchtig ist, wenn man bei den Innovationen nachlässt und die Kunden vernachlässigt.

Anfang Oktober hat SAP die milliarden-schwere Übernahme der Einkaufsplattform Ariba abgeschlossen. Bis 2015 will SAP zwei Milliarde Euro mit Cloud-Lösungen umsetzen. Wann wird SAP mit Cloud-Lösungen auch Geld verdienen?
Unser Cloud-Geschäft hat im dritten Quartal um 116 Prozent zugelegt. Wenn man das dritte Quartal mit vier multipliziert, liegen wir einschließlich der Übernahmen von SuccessFactors und Ariba bereits jetzt bei einer Milliarde Dollar. Und was das Thema Profitabilität anbelangt: Wir wollen 2015 profitabel sein. In der Cloud müssen sie am Anfang erst mal kräftig investieren, um die technischen Voraussetzungen für ein volumenstarkes und damit profitables Geschäft zu schaffen. Das tun wir. Aber wir wissen auch um die Erwartungen der Investoren.

HANA ist das am schnellsten wachsende Produkt in der Geschichte von SAP. Wann wird HANA die Milliarden-Grenze knacken?
Dazu werden wir uns erst auf der Bilanzpressekonferenz Ende Januar äußern. Aber ich könnte mir vorstellen, dass HANA eines Tages so groß wird wie unser Kerngeschäft.

Und wir beide werden das noch erleben?
Das werden wir (lacht).

Aber mit Datenanalyse alleine wird das wohl nicht gehen. Analysten erwarten, dass HANA irgendwann genutzt werden könnte, um ein Unternehmen komplett zu steuern.
An diesen Wendepunkt kommen wir gerade. Die Voraussetzungen dafür sind da. Wir haben die nötigen Entwickler, wir haben die Kunden und das Momentum. Jetzt beginnen die ersten Unternehmen darüber nachzudenken, ob sie unternehmenskritische Prozesse wie Finanzbuchhaltung, Produktionsplanung oder Personalverwaltung über HANA steuern können.

Wann werden wir solche Lösungen sehen: Vor 2020?
Absolut.

Aber es gibt ja durchaus noch was zu tun. SAP-Mitgründer und Aufsichtsratschef Hasso Plattner hat unlängst moniert, Veränderungen dauerten bei SAP noch immer zu lange. Was wollen Sie tun, um noch schneller zu werden?
Wissen Sie, das Momentum des Erfolgs ist eine interessante Sache. Das ist wie bei einem Zug. Bis man 200 Kilometer pro Stunde erreicht, dauert es. Aber wenn Sie das Tempo erst mal erreichen, haben Sie viele Leute mit gleicher Geschwindigkeit an Bord – und alle fahren mit in die gleiche Richtung. Beim Wandel einer Unternehmenskultur ist es ähnlich. Es gibt keine bessere Motivation als Erfolg. In dem Maße, in dem SAP erfolgreicher wird, werden wir besser und auch schneller.

Ein guter Indikator für Erfolg ist die Attraktivität eines Unternehmens am Arbeitsmarkt. Spüren Sie da einen Aufwärtstrend?
Ja, wir sehen einen starken Anstieg bei den Bewerbungen. Im dritten Quartal 2012 hatten wir über 60.000 Bewerbungen von externen Kandidaten weltweit. Noch vor zwei Jahren waren das im dritten Quartal 36.000 Bewerbungen. Ich habe in dieser Woche den Chef einer großen italienischen Modemarke getroffen, der HANA einführen möchte. Er sagte, Bill schick mir bitte viele junge Menschen, die das Projekt übernehmen. Ich will ihre Energie mit der Energie meiner jungen Kollegen verbinden. Die jungen Mitarbeiter haben einen völlig anderen Zugang zur Technik als wir. Und ich sagte ihm: Ich bin völlig Deiner Meinung. Es ist wichtig, dass wir für die richtige Altersstruktur sorgen, damit wir innovativ und jung bleiben. Deshalb sind junge, exzellent ausgebildete Mitarbeiter so essentiell.

SAP ist in den USA in einen sehr langwierigen Rechtsstreit mit Oracle verwickelt. Bei der inzwischen geschlossenen SAP-Tochter Tomorrow Now haben Mitarbeiter widerrechtlich Software heruntergeladen. Sie haben sich zur Zahlung von 306 Millionen Dollar verpflichtet. Ende September hat Oracle aber Berufung eingelegt. Wird SAP das auch tun?
Ja. Wir streben eine faire Lösung an.

Wie geht es da nun weiter?
Es gibt dazu noch keine Details. Wir müssen abwarten, wann der neue Prozess beginnt.

Sie haben zuletzt mit Ariba und SuccessFactors große Zukäufe gestemmt. Nehmen Sie sich jetzt erst mal eine Pause, um die Zukäufe zu verdauen, oder schauen Sie schon nach dem nächsten Ziel?
Wir glauben, dass wir gegenwärtig die nötigen Ressourcen haben, um unsere Ziele zu erreichen. Von daher sind wir im Moment nicht im Übernahmemodus.

Weil Sie mit Ihrer Aufstellung zufrieden sind?
Ja. Aber wir halten unsere Augen auf. Wenn es etwas gibt, was unser Portfolio sinnvoll ergänzt, sind wir sehr pragmatisch. Aber im Moment ist da nichts am Horizont.

SAP hat im Vorjahr eine Dividende von insgesamt 1,10 Euro je Aktie ausgezahlt, davon entfielen 0,35 Euro auf eine Sonderausschüttung anlässlich des 40jährigen Jubiläums. 2012 dürfte erneut ein Rekordjahr werden. Üblicherweise schüttet SAP 30 Prozent des Ergebnisses an seine Aktionäre aus. Ist das auch die Messlatte für 2012?
Im Vorjahr hatten wir eine Sondersituation. Natürlich wollen wir die Aktionäre auch in diesem Jahr wieder angemessen beteiligen. Aber das ist eine Entscheidung des Aufsichtsrats.

Kurzvita
Bill McDermott (51) steht seit Februar 2010 gemeinsam mit Jim Hagemann Snabe an der SAP-Spitze. Der in New York geborene Vertriebsprofi kam 2002 von Siebel zu SAP, wo er zunächst die Leitung der Region Nordamerika übernahm. 2008 rückte der stets makellos gekleidete Manager als weltweiter Vertriebschef in den Vorstand auf.

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