Sehen wir einen Börsencrash auf Raten, Robert Halver?
Börsenprofi Robert Halver von der Baader Bank spricht im finanzen.net-Interview über den Ölpreissturz, die Aktienmärkte und Gold.
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von Benjamin Summa
Wie beurteilen Sie die Gefahren für die Finanzmärkte, die vom aktuellen Ölpreisabsturz ausgehen? Als der Preis des flüssigen Goldes 2008 innerhalb von vier Monaten von 140 auf 34 Dollar pro Barrel fiel, war das Ergebnis eine globale Wirtschaftskrise - auch Deutschland rutschte damals in eine schwere Rezession.
Robert Halver: Die jetzige Situation kann aber nicht mit der damaligen verglichen werden: 2008 ist der Ölpreis aufgrund eines dramatischen Nachfragerückgangs im Anschluss an die Lehman-Pleite und die darauffolgende Finanz- und Weltwirtschaftskrise gefallen. China z.B. hat seine Ölnachfrage nicht reduziert. Der Hauptfaktor für den Preisverfall ist das enorme Überangebot und eine fatale Ölförderpolitik der ölexportierenden Länder, die den Preisnachteil durch eine Angebotsausweitung kompensieren wollen. Dieser Plan kann natürlich nicht aufgehen. Beim Thema Öl sollte man sich nicht nur einseitig auf den Kaufkraftverlust der Rohstoffländer, sondern auf den Kaufkraftgewinn der Industrieländer konzentrieren. So kommen deutsche Unternehmen in den Genuss von Margenverbesserungen. Der Markt neigt dazu, die negativen Aspekte in puncto Rohstoffländer überzubetonen. Ich glaube aber, dass sich Rohstoffe spätestens im zweiten Halbjahr wieder stabilisieren. Dies tut den Rohstoffländern gut und uns schadet es nicht.
Die Anleger ziehen aktuell massiv Geld aus den Aktienmärkten. Ein Grund hierfür ist sicherlich der Ölpreisverfall, aber auch andere Krisensymptome scheinen sich zu einem Sturm zusammenzubrauen. Sehen wir jetzt einen veritablen Börsencrash auf Raten an den wichtigsten Aktienmärkten der Welt?
Zugegeben, gerade kommen wirklich viele Risiken zeitgleich auf den Tisch. Aber meiner Einschätzung nach wird es zu dem viel diskutierten "Börsencrash auf Raten" nicht kommen. Die Märkte bleiben natürlich volatil, aber ich gehe von einer zunehmenden Beruhigung im ersten Halbjahr aus. Im weiteren Verlauf des Jahres wird es dann eine Fortsetzung der Aufwärtsbewegung geben. Auch die Notenbanken werden einen Crash auf Raten nicht zulassen. Sie wären hochgradig geistesgestört. Sie haben noch 2008 in Erinnerung, als man die Immobilienblase einfach hat platzen lassen. Die anschließenden Kollateralschäden würden heutzutage unserem Finanzsystem die letzte Ölung verpassen. Vor allem die Chinesen, die ja Planwirtschaft aus dem kommunistischen Effeff beherrschen sollten, müssen am Aktienmarkt für nachhaltige Stabilisierung sorgen. Die psychologische Verunsicherung, die alle paar Tage aus Chinas Aktienmarkt kommt, muss endlich aufhören. Wäre der chinesische Aktienmarkt zu Jahresanfang nicht derart eingebrochen, wären die Probleme des Landes nie so deutlich in den Anlegerfokus gerückt. Den schwachen chinesischen Aktienmarkt als Anzeichen einer zusammenbrechenden chinesischen Wirtschaft zu sehen, ist nämlich Blödsinn. Siemens hat auch wegen China seinen Ausblick verbessert und damit die Stabilität der Konjunktur im Reich der Mitte unterstrichen. Es muss aber wieder Aktienruhe einkehren, damit die fundamentale Lage, die besser ist als ihr Ruf, wieder zum Vorschein kommt, bzw. eine nachhaltige psychologische Aktienverunsicherung nicht negativ auf die Realwirtschaft ausstrahlen kann. Der psychologische Schwanz darf nicht mit dem fundamentalen Hund wedeln. Mit ihrem Verweis auf die verhaltene weltkonjunkturelle Stimmung hat im Übrigen auch die Fed eine Zinserhöhungspause bis ins zweite Halbjahr angedeutet, die im Extremfall auch die Tür für ein generelles Ende weiterer Zinsrestriktionen öffnet. Und nicht zuletzt haben die Politiker in Europa die verdammte Pflicht, die zu beobachtenden Anfänge der "Euro-Sklerose" zu bekämpfen.
Janet Yellen hat die erste Zinsanhebung seit fast zehn Jahren als Vertrauensbeweis für die US-Wirtschaft bezeichnet. Nicht wenige Experten sehen jedoch weitaus schwärzer für die US-Wirtschaft. In letzter Zeit ist häufig von einer drohenden Rezession in Amerika die Rede. Was stimmt denn nun?
Ich würde noch nicht von einer drohenden Rezession in den USA sprechen. Aber so besonders toll läuft die Wirtschaft in Übersee wirklich nicht. Der Industriesektor hat definitiv Probleme, vor allem die Fracking-Industrie, die eigentlich als Projekt der Re-Industrialisierung Amerikas gefeiert worden ist. Außerdem schadet der starke Dollar der Exportindustrie. Sicherlich ist der Dienstleistungssektor immer noch sehr stark. Eine scharfe Zinswende brächte erhebliche Unruhe in die Märkte, zudem würde sie zu einer Kapitalflucht von den Emerging Markets nach Amerika führen. Die negativen Ausstrahleffekte auch für die westlichen Industrienationen wären gravierend.
Mario Draghi hat vor einigen Tagen deutlich gemacht, dass die EZB grundsätzlich bereit ist zu einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik. Viele bezweifeln mittlerweile aber, dass die Zentralbank noch wirksame Instrumente im Werkzeugkasten hat. Ist die QE-Illusion bald am Ende?
Maria Draghi hat auf dem Neujahrsempfang der Deutschen Börse mit Schmackes betont, dass in der jetzigen Situation die Herbeiführung von Inflation die Bringschuld der EZB ist. Momentan ist dieses Unterfangen wegen der mickrigen Ölpreise schwierig. Niedrige Preise sind deswegen so gefährlich, weil sie dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Investitionen in Erwartung weiter sinkender Preise aufschieben und damit die Konjunktur abwürgen. Draghi wird alle Mittel ausschöpfen, um für das erklärte Ziel "Inflation" zu kämpfen. Wirtschaftlich wird er damit zwar nicht die Privatwirtschaft erreichen. Aber es bringt psychologische Ruhe in den Euro-Karton und begünstigt die Liquiditätshausse.
Jetzt die Gretchen-Frage. Was sollen die Privatanleger mit ihrem Geld in diesen krisenhaften Zeiten anstellen?
In Zeiten volatiler Märkte ist eine Strategie unabdingbar, so banal wie genial: regelmäßiges Ansparen, um den sogenannten Cost-Average-Effekt zu nutzen. Wenn die Kurse gefallen sind, bekommen die Anleger für ihr Geld mehr Aktienanteile. Und wenn die Märkte sich wieder psychologisch beruhigen, sollte man sich Zykliker besonders genau anschauen. Eine weltkonjunkturelle Beruhigung führt meistens dazu, dass zyklische Aktien - auch aus dem MDAX - begünstigt werden. Nicht zuletzt die anstehende Dividendensaison wird zu einer Aktienstabilisierung beitragen. Immerhin ist Cash immer gut als Balsam für geschundene Anlegerseelen. Nicht zuletzt: In puncto Zinsvermögen wird auch in diesem Jahr der Weltspartag der Volkstrauertag sein.
Gold ist derzeit gefragt wie lange nicht mehr. Wird das Edelmetall jetzt seinem Ruf als "sicherer Hafen" gerecht?
Wir sehen eine extreme Verschuldung der Welt, zudem erleben wir eine Kumulation geostrategischer Problemlagen und den Ausfall zinstragender Anlageklassen. Für Gold spricht in diesen Zeiten quasi alles. Das Problem ist: Die Notenbanken arbeiten gegen diese Anlageklasse, weil die Rettung der Welt über Geld funktioniert, da kann man keine Ersatzwährung Gold gebrauchen. Aber diese Markteingriffe stören mich nicht. Gold gehört für mich in jedes Portfolio - bis zu zehn Prozent des liquiden Vermögens. Ich bleibe ein Goldliebhaber, wohl wissend, dass wir auf absehbare Zeit keine dramatischen Kurszuwächse sehen werden. Aber Kapitalerhalt ist in ungemütlichen Zeiten ein Wert an sich.
Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.
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Bildquellen: Simon Katzer, Robert Halver
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