Dirk Müller: "Das Börsenjahr 2016 wird dramatisch"
Mr. DAX spricht im finanzen.net-Interview über das China-Problem, Börsenregeln, die Entwicklung des Ölpreises und die "ewige Währung" Gold.
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Von Benjamin Summa
Herr Müller, Anfang der Woche wurde der Aktienhandel in China ausgesetzt, weltweit reagierten Anleger alarmiert, Kurse brachen ein. Laut einer durch Langzeituntersuchungen in den USA gestützten Börsenregel lässt sich am Verlauf des Handels im Januar die Tendenz für das Gesamtjahr ablesen. Keine gute Aussicht, oder?
Im vergangenen Jahr hatten wir einen bullenstarken Januar - und das restliche Jahr verlief dann eher bescheiden. Solche Börsenregeln sind also nur bedingt belastbar. Momentan gibt es sehr viele Argumente für neue Jahreshöchststände in diesem Jahr, aber auch ebenso viele Argumente für einen DAX-Stand von unter 8.000 Punkten. Die Stimmung der Anleger wechselt extrem: Heute noch dominiert die Angst vor einem Schwächeanfall der chinesischen Wirtschaft und morgen feiert die Gemeinde das viele billige Geld und chinesische Konjunkturpakete als Heilsbringer. Wir werden aus meiner Sicht ein unglaublich dramatisches Jahr an den Börsen erleben, mit sehr vielen Extrembewegungen.
Wie bewerten Sie das "China"-Problem konkret?
Es gibt in dieser Frage noch sehr viele Schönredner, die von 6,9 Prozent und mehr Wirtschaftswachstum in China faseln. Für mich stellt die Situation in China jedoch ein äußerst ernstes Problem dar, ich schenke den offiziell verlautbarten Wirtschaftszahlen überhaupt keinen Glauben. Das Land hat über 25 Jahre Fehlentwicklungen in sehr vielen Wirtschaftsbereichen aufgebaut, weil so unglaublich viel Geld ins Land geflossen ist, dass man sich so manchen Schwachsinn wie Städte, in denen niemand wohnt, und einen Autobahnbau ins Nirgendwo leisten konnte. Nun ist die Situation eine andere: Es wird massiv Kapital abgezogen, in einer Größenordnung von über einer Billion US-Dollar in den vergangenen zwölf Monaten. Investitionen, die nur auf Preissteigerungen ohne Cashflow gesetzt haben, droht nun die Pleite. Auch die chinesischen Börsen werden nur durch dramatische Interventionen des Staates gehalten. Aus meiner Sicht läuft alles auf eine katastrophale Entwicklung in China hinaus. Die Frage ist aber nicht, ob das Kartenhaus zusammenfällt, sondern wann der große Knall kommt. Denn das Land kann sich natürlich durch massive Konjunkturprogramme noch etwas Zeit erkaufen. Diese Aussicht beruhigt mich aber ganz und gar nicht.
Auch die Entwicklung des Ölpreises dürfte in diesem Jahr starke Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Welches Szenario haben Sie in dieser Frage?
Das stimmt. Die Entwicklung des Ölpreises wird im laufenden Jahr sehr spannend werden. Der extrem niedrige Preis kommt ja keineswegs überraschend: Wir sehen eine Ölschwemme und zeitgleich eine sich deutlich abkühlende Weltkonjunktur. Es wird also immer weniger Öl gebraucht. Zudem wird stark von Öl und Gas zu erneuerbaren Energien umgeschwenkt. Das Öl-Land Amerika ist beispielsweise Vorreiter bei den Erneuerbaren. Die Konsequenzen des niedrigen Ölpreises sind für Staaten wie Saudi-Arabien und Russland katastrophal. Die Saudis sind in einigen Jahren pleite, wenn der Preis auf dem gegenwärtigen Niveau bleibt.
Aber auch das konträre Szenario ist denkbar: Eine militärische Eskalation zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die durchaus im Rahmen des Möglichen liegt, würde wahrscheinlich zu einer Schließung der Straße von Hormus führen - und damit zu einer Explosion der Ölpreise.
Stehen wir Ihrer Meinung nach eigentlich eher in der Mitte oder am Ende der gegenwärtigen Bullenbewegung - der Aufwärtszyklus hält ja nun schon einige Jahre an?
Rein fundamental betrachtet, sind wir schon am Ende des Bullenmarktes angelangt. Aber dieser Zyklus wird ja nicht befeuert durch eine wahnsinnig tolle weltwirtschaftliche Entwicklung, sondern im Wesentlichen durch das billige Geld. Von daher kann die Aufwärtsentwicklung durchaus noch ein paar Jahre dauern. Schützenhilfe vonseiten der Konjunktur gibt es derzeit aber definitiv nicht: Brasilien ist in einer Rezession gefangen und Russland und China haben massive Probleme zu lösen. Auch die harten US-Wirtschaftsdaten sehen alles andere als rosig aus. Einzig und allein in Europa läuft es momentan halbwegs rund, obwohl man dem Kontinent nicht mehr viel zugetraut hat in den vergangenen Jahren.
Sie haben es angesprochen: Die Emerging Markets schwächeln. Die Zinsentscheidung der Fed und ein damit einhergehender stärkerer Dollar haben wohl zusätzliche negative Auswirkungen auf die aufstrebenden Länder. Denn der Dollar ist die wichtigste Schuldenwährung der Welt. Wie groß schätzen Sie hier die Gefahren einer nachhaltigen Wachstumsschwäche ein?
Ein angesehener chinesischer Analyst sagte vor einigen Monaten, bei der chinesischen Wirtschaft handele es sich um die größte Blase der Weltwirtschaftsgeschichte und steigende US-Zinsen ließen diese platzen. Das stimmt, denn durch steigende Zinsen wird der Kapitalabfluss aus China und aus anderen Schwellenländern stark beschleunigt. Ich verstehe nicht, warum die Amerikaner die Zinsen gerade jetzt angehoben haben. Hätten sie es Ende 2014 getan, hätte ich noch Verständnis für diese Politik gehabt, denn damals war die US-Wirtschaft viel robuster. Zudem haben die Amerikaner aufgrund des starken Dollar durchaus Probleme mit ihrer Exportwirtschaft - viele Container verlassen die USA momentan leer in Richtung Asien. Die Abkühlung der asiatischen Wirtschaft beschleunigt dieses Problem zusätzlich. Warum haben die USA also die Zinsen gerade jetzt erhöht? Will man China bewusst in Schwierigkeiten bringen?
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Geben Sie unseren Lesern bitte ein paar Tipps für ein erfolgreiches Anlagejahr 2016 an die Hand: Welche Regeln gilt es zu beachten?
Die Strategie, die ich in meinem eigenen Fonds umsetze, ist für mich die momentan einzig sinnvolle. Ich kaufe starke Unternehmen, die ich zu fairen Bewertungen bekomme. Beispiele wären Apple, Amgen, Gilead Sciences, Betsson, Ingenico oder ThermoFischer. Viele dieser Unternehmen sind bereits stark gelaufen, aber das macht nichts. Es geht um den Free Cashflow, der künftig noch zu erwarten ist. Ich bin dann nach oben mit dabei und gleichzeitig sichere ich mich mit Optionen gegen mögliche Kurseinbrüche ab und kaufe in Abwärtsphasen billig nach. In den vergangenen Tagen ist der DAX um über sieben Prozent gefallen, wir haben im Fonds aufgrund dieser Absicherung praktisch nichts verloren.
Auf Dollarbasis hat der Goldpreis 2015 mehr als zehn Prozent verloren, während sich in Euro gerechnet ein marginales Plus in Höhe von 0,4 Prozent eingestellt hat. Wann verlieren Sie, der Sie grundsätzlich als Goldfreund gelten, die Geduld mit dem Edelmetall?
Ich verliere überhaupt nicht die Geduld mit Gold. Ich sehe das Edelmetall als ewige Währung. Gold steht heute bei knapp 1.000 Euro pro Feinunze, im Sommer 2013 standen wir bei 900 Euro. In den vergangenen drei Jahren haben die europäischen Goldanleger kein Kapital verloren. Im Gegenteil: Wir sehen einen kontinuierlichen Aufwärtstrend seit 2013. Ich fühle mich mit der physischen Goldanlage sehr wohl.
Disclaimer: Der Autor, Benjamin Summa, ist freier Mitarbeiter bei finanzen.net. Er interviewt regelmäßig Finanzexperten zu aktuellen Themen.
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