"Erhebliche Qualitätsprobleme": Microsoft wollte Suchmaschine Bing 2018 offenbar an Apple verscherbeln
Die Suchmaschine Bing ist für Microsoft seit Jahren das Sorgenkind schlechthin, der Konkurrent Google ist in puncto Marktanteil und Umsatzgenerierung um ein Vielfaches besser. Microsoft wollte 2018 die Reißleine ziehen und bot Apple an, Bing zu kaufen - das berichtet zumindest Google.
Werte in diesem Artikel
• Google-Kartellverfahren deckt Infos über Bing auf
• Apple lehnte wohl 2018 den Kauf von Microsofts Suchmaschine ab
• Bing hinkt Google in allen Belangen hinterher
Der Digital-Riese Google steckt schon seit mehr als drei Jahren in einem vom US-Justizministerium eingeleiteten Kartellverfahren, das um die Frage kreist, ob der Google-Mutterkonzern Alphabet mittlerweile über ein Monopol bei der Online-Suchwerbung verfügt.
Googles Kartellverfahren vor dem US-Justizministerium
Konkret geht es unter anderem um entscheidende Vereinbarungen, die Google mit Apple und den Herstellern von Android-Telefonen wie Samsung getroffen hat, um sich die exklusive Nutzung seiner Suchmaschine zu sichern. Während der Verhandlung im Oktober wurde auf einer Präsentationsfolie ersichtlich, dass Google bis 2021 mehr als 26 Milliarden US-Dollar investiert hat. Auf diese Weise wollte Google dafür sorgen, dass seine Suchmaschine als Standardoption erhalten bleibt. Um einer Strafe zu entgehen, will Google nun sein Engagement für einen fairen Wettbewerb unter Beweis stellen. In diesem Zuge kamen jüngst interessante Insider-Informationen zutage.
Microsoft wollte Bing bei Apple integrieren - vergeblich
So zeigt eine Anfang Februar von Google eingereichten Akte, dass Microsoft sechsmal - 2009, 2013, 2015, 2016, 2018 und 2020 - bei Apple vorstellig wurde, um Bing als Standard in Apples Safari-Webbrowser einzubinden. Apple habe die Integration allerdings stets abgelehnt und dies mit Qualitätsproblemen von Bing begründet. "In jedem Fall hat Apple die relative Qualität von Bing im Vergleich zu Google unter die Lupe genommen und ist zu dem Schluss gekommen, dass Google die bessere Standardwahl für seine Safari-Nutzer ist. Das ist Wettbewerb", schrieb Google in der Einreichung.
In seiner Einreichung führt Google weiter aus, dass Microsoft im Jahr 2018 Apple seine Suchmaschine Bing sogar zum Kauf angeboten habe. Alternativ solle ein Bing-bezogenes Joint Venture zwischen Microsoft und Apple eingerichtet werden. Apple lehnte aber beide Optionen entschieden und ohne Umschweife ab. "Microsofts Suchqualität, ihre Investitionen in die Suche, alles war überhaupt nicht signifikant", erklärte Eddy Cue, Apples Senior Vice President of Services, laut der Einreichung. "Und so war alles niedriger. Die Qualität der Suche selbst war also nicht so gut. Sie investierten nicht auf einem Niveau, das mit dem von Google oder mit dem, was sich Microsoft hätte leisten können, vergleichbar gewesen wäre. Und ihre Werbeorganisation und die Art und Weise, wie sie monetarisieren, war auch nicht sehr gut", lautete Cues Begründung für Apples Absage.
Auch Apple-CEO Tim Cook habe sich mit der Bing-Kaufmöglichkeit beschäftigt. So habe er Google zufolge eine E-Mail an Apple-Führungskräfte über die Bewertung von Bing geschickt. Cooks Ausführungen sind in der Google-Einreichung jedoch geschwärzt und können somit von der Öffentlichkeit nicht nachvollzogen werden. Vertreter von Google und Microsoft wollten auf eine von "CNBC" erbetene Anfrage nicht reagieren.
Microsoft-Chef Nadella setzt sich mit Bing-Frage auseinander
Schon mehrmals sind Informationen an die Öffentlichkeit geraten, denen zufolge Microsoft mit Hochdruck daran arbeitete, Bing als Suchmaschine bei Apple-Geräten zu etablieren. Im Oktober 2023 sagte der CEO von Microsoft, Satya Nadella, laut "CNBC" im Prozess aus, dass er sich "jedes Jahr meiner Amtszeit als CEO darauf konzentriert hat, zu sehen, ob Apple für eine Standardvereinbarung für Bing offen wäre". Apple lehnte jedoch stets ab und gab der deutlich größeren Suchmaschine von Google den Vorzug. Interessanterweise ist das US-Justizministerium der Ansicht, dass Apple seine eigene Suchmaschine entwickelt hätte, "wenn es nicht die massiven Zahlungen erhalten hätte, die es von Google verlangte", wie einer Einreichung des Ministeriums zu entnehmen ist.
Microsoft wohl auch 2020 an Bing-Verkauf interessiert
Es ist nicht das erste Mal, dass Spekulationen um Microsofts einstige Bing-Verkaufspläne die Runde machen. Bloomberg berichtete im September unter Berufung auf ungenannte Personen, dass Microsoft-Führungskräfte um das Jahr 2020 herum "Sondierungsgespräche" mit Eddy Cue, dem Senior Vice President of Services von Apple, über den Verkauf von Bing an Apple geführt hätten. Offenbar hat Microsoft somit nicht nur 2018, wie es der zuvor zitierten Google-Einreichung zu entnehmen ist, sondern auch 2020 Apple den Kauf von Bing angeboten. Jedoch hat Apple wohl auch dieses Angebot ausgeschlagen - Bing weise eine zu schwache Qualität auf, lautete offenbar auch hier das Argument.
So schwach ist Bing im Vergleich zu Google
Tatsächlich sind sich die meisten Experten und Nutzer seit Jahren einig, dass Bing qualitätstechnisch nicht mit Google mithalten kann. Scheinbar haben Microsofts Investitionen nicht ausgereicht, um ein ernstzunehmendes Giganten-Duell mit Google aufnehmen zu können. Dennoch ist Bing keineswegs ein günstiges Vergnügen für Microsoft: Das Justizministerium gab in seiner eigenen, kürzlich entsiegelten Akte an, dass Microsoft in den vergangenen 20 Jahren fast 100 Milliarden US-Dollar für Bing ausgegeben habe. Der Hersteller von Software startete Bing im Jahr 2009, nachdem er zuvor Suchdienste unter den Marken MSN und Windows Live angeboten hatte.
Im Januar 2024 wies Bing laut StatCounter-Informationen einen weltweiten Marktanteil von lediglich 3,43 Prozent auf. Damit liegt Microsofts Suchmaschine vor Yahoo! (1,1 Prozent) und Baidu (0,83 Prozent) immerhin auf Platz zwei, kann dem Platzhirsch Google (91,47 Prozent) aber nicht einmal annähernd das Wasser reichen.
Die riesige Diskrepanz in puncto Marktanteil lässt sich auch in den Umsatzzahlen nachvollziehen. Der direkte Umsatz-Vergleich zwischen Bing und Google deckt unverblümt den Rückstand der Microsoft-Suchmaschine zum Branchenprimus auf. Im vierten Quartal des abgelaufenen Jahres erwirtschaftete Microsoft 3,2 Milliarden US-Dollar mit Such- und Nachrichtenwerbung. Der Anteil von Bing an Microsofts Erträgen ist somit zwar nicht vollständig zu vernachlässigen, stellt jedoch angesichts des Gesamtumsatzes von 62 Milliarden US-Dollar im selben Zeitraum einen vergleichsweise kleinen Einnahmeposten dar.
Googles Suchmaschine ist um ein Vielfaches lukrativer: Die Such- und sonstigen Einnahmen von Alphabet beliefen sich im vierten Jahresviertel 2023 auf 48 Milliarden US-Dollar und machen damit mehr als 55 Prozent vom Gesamtumsatz des Konzerns (86,31 Milliarden US-Dollar) aus.
Redaktion finanzen.net
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