Bilfinger mit deutlichen Einbußen - Aktie gewinnt
Die Corona-Pandemie und der Ölpreisverfall haben beim Industriedienstleister Bilfinger 2020 deutliche Spuren hinterlassen.
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Umsatz und operatives Ergebnis gingen deutlich zurück. Unter dem Strich stand nur wegen eines Sondererlöses ein Gewinn. "Das Jahr 2020 war in vieler Hinsicht ein außergewöhnliches Jahr", sagte Finanzchefin Christina Johansson am Donnerstag. Sie hat vorübergehend den Chefposten übernommen, nachdem der Brite Tom Blades den Konzern im Januar überraschend verlassen hattte.
"Momentan spüren wir keine negativen Effekte aus dem zweiten Lockdown", sagte Johansson. Es sei nicht einfach, zwölf Monate lang mit der Pandemie zu leben. Es gebe aber keine Anzeichen, dass der zweite Lockdown Bilfinger so stark treffen werde wie im zweiten Quartal 2020. Für das laufende Jahr peilt Bilfinger wieder deutliche Zuwächse bei Umsatz und operativen Gewinn an. Die Aktie legt im Nachmittagshandel via XETRA um 3,52 Prozent auf 31,80 Euro zu.
Im vergangenen Jahr ging der Umsatz im Jahresvergleich um ein Fünftel auf knapp 3,5 Milliarden Euro zurück, wie das SDAX-Unternehmen mitteilte. Operativ lief es noch schlechter. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebita) sackte um 81 Prozent auf 20 Millionen Euro ab. Die dazugehörige Marge betrug 0,6 Prozent nach 2,4 Prozent im Vorjahr.
Unter dem Strich wies Bilfinger dank eines Buchgewinns einen Überschuss von 99 Millionen Euro aus nach 24 Millionen ein Jahr zuvor. Das Geld stammt aus einer vereinbarten Erlösbeteiligung mit dem Investor EQT, der bereits 2016 die damalige Gebäudemanagement-Sparte von Bilfinger übernommen hatte und dann weiterverkaufte. Ohne Verkaufsbonus stand unter dem Strich ein Verlust von acht Millionen Euro.
Laut Analyst Gregor Kuglitsch von der Schweizer Großbank UBS lagen die meisten Kennziffern des Industriedienstleisters im Rahmen der Erwartungen, wobei die auf einem niedrigen Niveau liegende Profitabilität etwas besser als gedacht sei. Auch der Ausblick auf 2021 entspreche den Erwartungen.
Für 2021 rechnet Bilfinger mit einem deutlichen Umsatzwachstum. Das bereinigte Ebita soll sich erheblich verbessern und die dazugehörige Marge dabei wieder das Vorkrisenniveau des Geschäftsjahres 2019 von 2,4 Prozent erreichen. Dazu beitragen sollen auch geringere Kosten. Unter anderem hatte das Unternehmen 2020 rund 4400 Stellen abgebaut, der Großteil davon entfiel auf Nordamerika, Nordeuropa und Großbritannien. Derzeit würden sich noch rund 470 der knapp 29 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit befinden, sagte Johansson. Zu Spitzenzeiten waren dies rund 3000 Mitarbeiter.
Die Ergebnisse zeigten nicht nur die Widerstandsfähigkeit des Geschäftsmodells, sagte Johansson, sondern dass Bilfinger auch deutliche Fortschritte auf dem Weg zu dem schlanken, agilen Unternehmen gemacht hat. Daher könne das Management die mittelfristigen Ziele bestätigen und die Dividendenkürzung des letzten Jahres wieder ausgleichen, fügte Johansson hinzu.
Bilfinger will für das Jahr 2020 eine Dividende von 1,88 Euro je Aktie zahlen. Im Vorjahr hatte das Management aufgrund der Unsicherheit wegen der Corona-Pandemie mit 12 Cent je Aktie deutlich weniger ausgeschüttet. Größter Anteilseigner ist der aktivistische Investor Cevian mit mehr als einem Viertel der Aktien. Bis 2024 soll der Umsatz auf mehr als fünf Milliarden Euro steigen. Die Ebita-Marge soll dann nachhaltig fünf Prozent betragen. Zudem peilt Bilfinger einen freien Barmittelzufluss von mehr als 200 Millionen Euro an.
Derweil muss Bilfinger einen neuen Unternehmenschef suchen, denn Johansson will den Industriedienstleister nur vorübergehend leiten. "Ich habe die Aufgabe als Interimschefin aus Pflicht übernommen", sagte sie. Sie werde den Posten so lange machen, bis es einen Ersatz gebe. Die Strategie des Unternehmens werde nicht kurzfristig geändert. "Bilfinger ist mehr als Herr Blades, wir werden unsere Pläne auch ohne Herr Blades umsetzen", fügte sie hinzu. Blades habe persönliche Gründe, warum er Bilfinger verlassen habe. Er stehe bei der Übergabe von Aufgaben und bestimmten Themen zur Verfügung.
Blades hatte im Januar mit sofortiger Wirkung sein Mandat niedergelegt. Der Brite stand seit Mitte 2016 an der Bilfinger-Spitze und hatte nach dem Verkauf des Tafelsilbers, den Immobiliendienstleistungen, einen tiefgreifenden Umbau eingeläutet. Zudem führte Blades ein umfangreiches Compliance- und Kontrollsysteme ein, da Bilfinger bis Ende 2018 unter anderem wegen eines Korruptionsfalls seiner ehemaligen Tochter Julius Berger in Nigeria unter Beobachtung des US-Justizministeriums stand.
2020 konnte Bilfinger zudem Altlasten abarbeiten. So einigte sich das Unternehmen im Streit um Schadenersatz mit früheren Vorständen, darunter dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch, auf die Zahlung von fast 17 Millionen Euro. Der Aufsichtsrat hatte allen Vorstandsmitgliedern, die zwischen 2006 und 2015 amtierten, aber vor 2015 in das Gremium eintraten, Pflichtverletzungen vorgeworfen. Zudem schloss Bilfinger mit der Stadt Köln einen Vergleich im Zusammenhang mit dem Einsturz des Stadtarchives 2009 während des U-Bahn-Baus, an dem Bilfinger beteiligt war. Bilfinger zahlt 200 Millionen Euro, die voll durch Versicherer abgedeckt werden.
Zudem trennt sich der Konzern von unrentablen Geschäften. Von den sechs Gesellschaften seien drei verkauft, sagte Johansson. Die restlichen drei sollen 2021 veräußert werden. Die Gesellschaften machten einen Umsatz zwischen 100 und 150 Millionen Euro. Damit wäre die Verkäufe abgeschlossen und es könnten wieder kleinere Übernahmen folgen.
Immer wieder flammen Übernahmegerüchte auf. So wurde erst jüngst über ein Interesse des französischen Konkurrenten Altrad an dem Mannheimer Unternehmen spekuliert. "Bilfinger kommentiert keine Übernahmegerüchte", sagte Johansson. "Wir fokussieren uns auf unsere Pläne, das hat Priorität." Bilfinger ist an der Börse rund 1,4 Milliarden Euro wert.
/mne/jha/
MANNHEIM (dpa-AFX)
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