Ist China noch investierbar?
China ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. So gibt es in China in allen Sektoren von Technologie, über Industrie oder Konsumunternehmen durchaus eine respektable Aktienauswahl. Dennoch spielen chinesische Aktien selbst im MSCI All Country World Index eine untergeordnete Rolle. Das politische Risiko ist vielen Aktionären einfach zu hoch. Zu Recht?
Das Jahr des Drachen hat in China begonnen. Für die in der Breite doch recht abergläubischen Chinesen spielt der Übergang vom Jahr des Hasen durchaus eine beachtliche Rolle. Der Drache stellt dabei das wohl am positivsten belegte Tierkreiszeichen dar.
Auch der Aktienmarkt in China hat nach einer monatelangen Talfahrt eine respektable positive Entwicklung hinter sich. Dabei gilt es verschiedene Marktsegmente zu unterscheiden. Der vor allem Chinesen vorbehaltene Aktienmarkt CSI 300 der Festlandbörsen Shanghai und Shenzhen konnte vom Tiefststand im Februar fast zehn Prozent zulegen. Möglicherweise spielen staatliche Agenturen, die mit dem Kauf von Aktien beauftragt sind hierbei eine Rolle.
Der Hong-Kong Index Hang Seng, welcher für lange Jahre als Tor zu China betrachtet wurde, zeigt dagegen kaum positive Vorzeichen. Seit 2019 hat sich der Marktindex fast halbiert. Dabei spielt sicher eine Rolle, dass das Rechtssystem von Hong-Kong sich zunehmend dem Festland-Rechtsempfinden angeglichen hat. Zudem sind im Hang Seng Index viele Immobilientitel kotiert. Neben dem Einbruch der Nachfrage in China, den Refinanzierungsproblemen vieler Immobilientitel und den weltweit gestiegenen Zinsen (viele Finanzierungen auf US-Dollar) gibt es dabei berechtigte Gründe für eine Neubewertung dieses Marktsegmentes. Insgesamt scheint Hong Kong aber als Scharnier zu China an Bedeutung zu verlieren. Daher wird eine substantielle positive Neubewertung eher unwahrscheinlich werden.
Einige große chinesische Technologietitel sind zudem über Zweckgesellschaften an den US-Börsen notiert. Auch diese Unternehmen können von der allgemeinen Technologie-Hausse der USA kaum profitieren. Die Gründe sind vielschichtig. Einerseits hat die chinesische Parteiführung mit Datenschutzthemen für in den USA notierten Unternehmen ein Damoklesschwert geschaffen. Der bekannteste Fall hierzu war Didi Global. Zudem ist auch der Zugriff auf chinesische Vermögenswerte rechtlich nicht einfach und könnte in der Vergangenheit bereits Betrugsfällen Vorschub geleistet haben.
Über allem steht aber der geopolitische Konflikt zwischen den USA und China, welcher sich zum Beispiel in der Frage um die Unabhängigkeit Taiwans ausdrückt. In der Folge haben einige Unternehmen bereits beschlossen sich diesem Konflikt zu entziehen, indem eigenständige chinesische und westliche Unternehmenseinheiten geschaffen werden. Auch viele professionelle Investoren wollen nicht in solch einem geopolitischen Konflikt involviert werden und entscheiden sich bewusst gegen eine Vermischung von westlichen und chinesischen Investments.
Es ist für Investoren ein schwieriger Balanceakt. Das politische Risiko drückt sich bereits in deutlich vergünstigten Bewertungen aus. Die chinesische Wirtschaft und das chinesische Unternehmertum ist aber wahrscheinlich insgesamt zu spannend und zukunftsträchtig, um dieses Marktsegment vollständig zu umgehen.
Autor: Michael Thaler, Vorstand der Top Vermögen in Starnberg
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