Europa tut zu wenig

Continental-Chefs zum "Unternehmer des Jahres" gewählt

10.02.14 03:00 Uhr

Das Vorstandsteam von Continental, Degenhart und Schäfer, im Interview über den spektakulären Turnaround des Autozulieferers, die Dynamik Chinas und die Aussichten der europäischen Automobilindustrie.

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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Sommer 2009: Der Automobilzulieferer Continental ist hoch verschuldet, kämpft mit einem dramatischen Markteinbruch. Elmar Degenhart übernimmt das Ruder in Hannover, Finanzchef Wolfgang Schäfer kommt Anfang 2010 an Bord. Gemeinsam schafft das Duo 2012 den Wiederaufstieg in den DAX. Die Aktie stürmt sogar an die Spitze des deutschen Leitindex - und ist 2013 mit gut 80 Prozent Plus erneut der beste Wert im DAX. Diese Leistung war unseren Lesern den Goldenen Bullen für den "Unternehmer des Jahres" wert. €uro am Sonntag blickte mit Vorstandschef Degenhart und Finanzchef Schäfer in den Rückspiegel - und diskutierte die Perspektiven des DAX-Konzerns.

€uro am Sonntag: Herr Degenhart, vor gut vier Jahren mussten Sie Continental vor dem Untergang retten. Wie war Ihnen anfangs zumute?
Elmar Degenhart:
Die Verunsicherung war damals riesengroß, nicht nur bei Continental, sondern in der ganzen Industrie. Die Absatzzahlen sanken dramatisch, niemand wusste, wie es weitergeht. Es gab bei Continental mehrere Prioritäten auf einmal: Wir mussten die Finanzen stabilisieren, Continental war ja wegen der Übernahme von Siemens-VDO noch mit rund elf Milliarden Euro verschuldet. Siemens-VDO musste zudem noch integriert werden. Produkte und Qualität durften nicht vernachlässigt werden, um die Kunden nicht zu verlieren. Und wir mussten das Verhältnis zum Großaktionär Schaeffler normalisieren.

Kritiker sprachen Ihnen Fähigkeiten als Sanierer ab. Zudem kamen Sie vom Großaktionär Schaeffler, der ein Jahr zuvor eine feindliche Übernahme versucht hatte. Wie groß waren die Widerstände?
Degenhart: Es ging vor allem darum, Vertrauen aufzubauen - nach innen wie nach außen. Wichtige Voraussetzung dafür war, dass ich viele Mitarbeiter aus meiner früheren Zeit bei Continental kannte und wusste, auf wen ich in dieser Phase besonders zählen konnte. Zudem habe ich keine einsamen Entscheidungen getroffen, sondern zugehört und mit meinem Team diskutiert. Anschließend wurden Entscheidungen gemeinsam getroffen und konsequent umgesetzt. Dieses Vorgehen ist in einer Krisensituation nicht immer leicht, weil die Zeit drängt.

Herr Schäfer, wie sind Sie Ihre Aufgabe Anfang 2010 angegangen?
Wolfgang Schäfer: Top-Priorität war es, die Bilanz und Konzernfinanzierung in Ordnung zu bringen. Auf den Fahrplan hatten die Banken starken Einfluss, das Programm war eng. Wir haben zunächst eine Kapitalerhöhung umgesetzt, verbunden mit neu verhandelten Konditionen der Bankkredite. Als weiterer Schritt des Refinanzierungsprogramms erfolgte etwas später die Begebung von Anleihen, mit denen wir Bankkredite abgelöst haben. Daneben mussten wir auch Teile des operativen Geschäfts in Ordnung bringen.

Hat Schaeffler Ihnen da reinregiert?
Degenhart:
Die damalige Situation war für niemanden einfach. Aus einer schweren Finanz- und Wirtschaftskrise kommend, musste zwischen den Anteilseignern sowie dem Management von Schaeffler und Continental das Vertrauen wachsen. Geholfen hat uns in Hannover, dass Schaeffler nie ins operative Geschäft hineingeredet hat. Das wäre auch schwierig geworden, denn als Vorstand sind wir ja allen Aktionären gleichermaßen verpflichtet, auch wenn der Anteil der freien Aktionäre zwischenzeitlich bei lediglich noch leicht über zehn Prozent lag. Es hat funktioniert, weil wir Rückenwind durch die anspringende Konjunktur bekamen, weil uns der Schuldenabbau gut gelungen und Herr Schäfer mit seinem Finanzteam bei der Refinanzierung so gut vorangekommen ist. Damit ist das Vertrauen am Kapitalmarkt und bei Schaeffler gleichermaßen gewachsen.

Herr Geißinger, der damalige Vorstand von Schaeffler, gilt als dominanter Typ. Schwer vorstellbar, dass das immer reibungslos lief ...
Degenhart:
Auch Herr Dr. Geißinger hat uns von Anfang an konstruktiv unterstützt. Es ist kein Geheimnis, dass wir in einigen von Siemens gekauften Segmenten und hier insbesondere im Antriebsbereich technische Probleme hatten. Wir haben Hand in Hand zusammengearbeitet, um das vom Tisch zu bekommen. Auch das hat prima funktioniert.

Der Wiederaufstieg in den DAX 2012 war spektakulär. Was war das für ein Gefühl - Genugtuung?
Degenhart:
Es hat mich unheimlich gefreut für die Mannschaft, die über einen Zeitraum von drei, vier Jahren sehr schwer gearbeitet und auch Verzicht geübt hat. Es war der Lohn harter Arbeit für alle Continentäler.

Welche Lehren ziehen Sie aus der Wirtschafts- und Automobilkrise?
Schäfer:
Zwei Dinge: Wir versuchen, einen bestimmten Anteil unserer Kosten variabel zu halten. Wenn der Umsatz schwankt, müssen auch die Kosten flexibel sein. Dazu beraten wir uns regelmäßig im Vorstand. Zudem wollen wir uns auf einen Anteil des Geschäfts außerhalb der Automobil-Erstausrüstung von 40 Prozent zubewegen - wie vor der Übernahme von Siemens-VDO. Dazu zählt die Division ContiTech, die Produkte für die Industrie herstellt. Dazu gehört aber auch der Anteil des Reifengeschäfts, der direkt an den Endkunden geht. Dieser soll wachsen, weil wir damit die Zyklen der Autoindustrie besser austarieren können.

Während der Krise strich Conti weltweit rund 15 000 Jobs. Ist der Konzern immer noch fit für die Zukunft oder stehen Sparmaßnahmen an?
Schäfer: Unsere Industrie ist davon geprägt, dass wir jedes Jahr mindestens zwei bis drei Prozent Effizienzsteigerungen schaffen müssen. 2013 haben wir mit einer bereinigten Umsatzmarge von über elf Prozent gezeigt, dass wir vernünftig unterwegs sind. Wir müssen uns aber ständig verbessern, Wachstum hilft dabei. Continental ist in den am schnellsten wachsenden Segmenten des Marktes vertreten. Nach der Krise wurden weltweit mehr als 35.000 Jobs geschaffen.

2013 erwirtschafteten Sie mehr als 1,5 Milliarden Euro freien Cashflow. Übernahmen im Wert von einer Milliarde Euro seien drin, sagten Sie zuletzt. Wo fließt das Geld hin?
Degenhart:
Zunächst läuft in der Reifendivision ein Sonderinvesti­tionsprogramm bis 2015 im Volumen von über einer Milliarde Euro zusätzlich, die Investitionen kommen auch dem Ausbau des Reifenersatzgeschäfts zugute. Darüber hinaus wollen wir uns bei ContiTech auch durch Übernahmen verstärken. Wir könnten uns vorstellen, in den USA oder in Asien aktiv zu werden, und haben da ein paar konkrete Ideen.

Für 2014 streben Sie ein Wachstum über fünf Prozent an, 35 Milliarden Euro Umsatz sollen es werden. Die operative Gewinnmarge soll über zehn Prozent liegen. Sind diese Richtwerte längerfristig erreichbar?
Degenhart: Die Marge wollen wir dauerhaft über zehn Prozent halten. Unser Umsatzwachstum aber hängt stark von der Marktentwicklung ab. Wir möchten immer schneller wachsen als der Markt. Unsere Innovationen helfen uns dabei, die Umsatzpotenziale in den aufstrebenden Märkten zu nutzen.

2013 haben Sie das ursprüngliche Ziel von 34 Milliarden Euro Umsatz im Wesentlichen deshalb nicht erreicht, weil der Euro sehr stark war. Bereitet Ihnen die Währungsentwicklung Sorge?
Schäfer:
Wir sorgen uns nicht. Den Währungseinflüssen auf unseren Gewinn versuchen wir durch Produktion vor Ort zu begegnen. Der Trend an sich dürfte aber auch 2014 anhalten. In unserer Prognose haben wir das jedenfalls zu einem gewissen Maße berücksichtigt. Währungseinflüsse könnten uns in diesem Jahr abermals mit rund 700 Millionen Euro beim Umsatz belasten. Das Ergebnis ist davon jedoch wie bereits erwähnt nicht zusätzlich betroffen.
Degenhart: Sorge bereitet uns eher die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ...
Inwiefern?
Degenhart: Japan hat ganz bewusst und in erheblichem Umfang den Yen geschwächt. Auch Amerika hat, sagen wir mal, "reagiert". In Europa hat sich hingegen wenig getan, obwohl die wirtschaftliche Lage in den südeuropäischen Ländern noch sehr angespannt ist.

Sollte die Europäische Zentralbank Maßnahmen ergreifen, die den Euro schwächen?
Degenhart: Die EZB hat zahlreiche Möglichkeiten zu agieren. Aus meiner Sicht hat Europa in den letzten Monaten hier eindeutig zu wenig getan. Allerdings muss sich in Europa immer erst ein politischer Konsens bilden, das dauert. Und genau das ist ein großer Nachteil für die hiesige Industrie. Japan und die USA als Nationen können da weitaus schneller und schlagkräftiger handeln.

Günstige Rohstoffpreise haben Ihnen 2013 zusätzlichen Rückenwind verschafft. Hält der Auftrieb an?
Schäfer: Das Wachstum auf dem Reifenmarkt dürfte für mehr Nachfrage nach Rohstoffen sorgen, sodass die Rohmaterialpreise wieder steigen. Wir erwarten überwiegend im zweiten Halbjahr 2014 eine Belastung von rund 100 Millionen Euro.

Ihr Großaktionär Schaeffler steht in dem Ruf, mit bis zu 13 Prozent Gewinnmarge der profitabelste Vertreter der Zuliefererzunft zu sein. Können Sie da hinkommen?
Degenhart: Das ist schwer vorstellbar. Wir wollen bereinigt über zehn Prozent Umsatzmarge liegen, auch wenn die Zeiten schwerer werden. Für einen Zulieferer mit Systemkompetenz ist schon das eine sehr gute Performance.

Seit sechs Jahren schrumpft der europäische Automarkt. Der Absatz vor allem in Südeuropa hat im vierten Quartal aber Fahrt aufgenommen. Wie hat sich das Europa-Geschäft in diesem Jahr angelassen?
Degenhart: Wir sehen ganz leichte positive Signale. Wir bleiben zugleich sehr vorsichtig, weil bisher die Überschuldungssituation in Südeuropa nicht nachhaltig gelöst ist. Die Arbeitslosigkeit insbesondere unter jüngeren Leuten etwa in Spanien oder Italien ist besorgniserregend. Bevor hier keine positiven Zeichen kommen, besteht kein Anlass zur Entwarnung. Von einem sehr niedrigen Niveau aus können wir unsere Produktionszahlen in Europa leicht steigern. Da sind wir für die USA und Asien, insbesondere China, doch wesentlich optimistischer.

Aber Chinas Konjunktur wächst inzwischen spürbar langsamer. Glauben Sie weiter an die Dynamik des größten Automarkts der Welt?
Schäfer: In den nächsten Jahren werden Millionen Chinesen erstmals in einen Einkommensbereich gelangen, der es ihnen erlaubt, ein Auto zu kaufen. Da spielt es keine entscheidende Rolle, ob die Wirtschaft mit sieben, acht oder neun Prozent wächst. Der chinesische Automarkt wird auch in den kommenden drei bis fünf Jahren jeweils um acht bis zehn Prozent zulegen. Und ich will nicht ausschließen, dass es danach mit ähnlichem Tempo vorangeht.

Die Continental-Aktie steht bei etwa 160 Euro, ist 2012 und 2013 jeweils um über 80 Prozent gestiegen. Ist das ein Zeichen für 2014?
Schäfer: Das Unternehmen wird sich weiterentwickeln, unsere Prognose spricht da für sich. Die hohen Steigerungen des Aktienkurses wird man allerdings kaum fortschreiben können. Aber ich denke dennoch, dass sich die Aktie positiv entwickeln kann, die Analystenziele liegen teils bei 180 Euro und höher.

Dr. Elmar Degenhart
Der Luft- und Raumfahrtinge­nieur startete seine Laufbahn in der Wissenschaft, promovierte 1993 am Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Eine Anstellung beim Autozulieferer ITT führte Degenhart in die USA. 1998 kam er mit der Übernahme des Bremsenherstellers Teves zu Continental. Nach Stationen bei Bosch (ab 2004) und Keiper Recaro führte der Weg 2008 zu Schaeffler. Seit August 2009 ist der heute 55-Jährige Vorstandschef von Continental.

Wolfgang Schäfer
Der heute 54-Jährige studierte in München Betriebswirtschaft und war anschließend Trainee bei Bosch. Schäfer schloss 1987 seinen MBA (Master of Business Administration) an der französischen Eliteuniversität Fontainebleau ab. Nach einer Station beim Unternehmensberater Bain & Co. folgten ab 1990 mehrere Positionen mit Finanzverantwortung, ab 2001 beim Zulieferer Behr in Stuttgart. Seit Anfang 2010 ist Schäfer Finanzchef von Continental.

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