Euro am Sonntag-Titel Teil 1

DAX-Aktien: Die heimlichen Dividenden-Stars

13.02.14 03:00 Uhr

Wichtiger als eine hohe Dividendenrendite ist die Kontinuität bei der Zahlung. €uro am Sonntag hat analysiert, auf welche DAX-Unternehmen sich Anleger verlassen können.

von Sven Parplies, Euro am Sonntag

Willkommen im Klub. Nach der Hauptversammlung Ende April wird Bayer in einen elitären Kreis aufsteigen: Zehn Jahre hat der Pharma- und Chemiekonzern dann seine Dividende nicht mehr gesenkt. Eine so lange Serie können aktuell nur acht andere DAX-Mitglieder vorweisen.

Die letzte Dividendensenkung bei Bayer datiert aus dem Geschäftsjahr 2003. Damals steckten die Leverkusener in einer turbulenten Phase. Der Konzern hatte den Cholesterinsenker Lipobay nach Berichten über Todesfälle vom Markt genommen und musste sich wegen der Nebenwirkungen des Medikaments in den USA vor Gericht verantworten. Es drohten hohe Entschädigungszahlungen. Der damalige Vorstandschef Werner Wenning setzte in der Krise eine der größten Umstrukturierungen der Konzerngeschichte durch. Er gliederte Bayer unter dem Dach einer Holding in die drei Geschäftsbereiche Gesundheit, Pflanzenschutz und Kunststoff. Große Teile des Chemiegeschäfts wurden unter dem Namen Lanxess ausgelagert.

Das alles kostete viel Geld. Sonderbelastungen von 2,6 Milliarden Euro trieben den Konzern in die roten Zahlen. Die Dividende wurde von 90 auf 50 Cent je Aktie gekürzt. Seitdem aber geht es aufwärts: Für das Geschäftsjahr 2013 erwarten Analysten von Bayer eine Dividende von 2,10 Euro je Aktie. Damit wäre die Ausschüttung über die vergangenen zehn Jahre um durchschnittlich mehr als 15 Prozent gestiegen.

Bayer ist einer der Dividendenstars im DAX. Das mag auf den ersten Blick überraschen, denn die Dividendenrendite der Aktie liegt auf Basis der für das Geschäftsjahr 2014 erwarteten Ausschüttung nur knapp über zwei Prozent. Das ist kein Wert, der Dividendenjäger in Aufregung versetzen würde. Langfristige Bayer-Aktionäre dürften hingegen sehr zufrieden sein: Wer das Papier vor zehn Jahren bei einem Kurs von 22 Euro gekauft hat, kommt heute auf Basis seines Einstiegskurses auf eine Dividendenrendite von fast zehn Prozent. Nicht zu vergessen der Kursgewinn von über 300 Prozent.















Zehn Jahre mit mindestens konstanter Dividende - mit dieser Serie gilt man in Europa gemeinhin als "Dividenden-Aristokrat". Erfunden wurde der Begriff in den USA. Dort wird der Ehrentitel allerdings erst nach 25 Jahren verlieren. Außerdem muss die Dividende durchgehend angehoben worden sein. Titanen wie Coca-Cola und Procter & Gamble schütten seit mehr als 50 Jahren regelmäßig mehr Geld an ihre Aktionäre aus. Solche Erfolgsgeschichten sucht man in Deutschland leider vergeblich.
Der DAX-Dividendenbaum (pdf)

Der deutsche Mini-Adel
Die stärkste Serie im DAX kann Fresenius vorweisen. Der Gesundheitskonzern hat die Gewinnbeteiligung seiner Aktionäre über 20 Jahre ununterbrochen angehoben. Die Tochtergesellschaft Fresenius Medical Care blickt auf 16 makellose Jahre zurück. Was beide verbindet: Das Geschäft wächst weitgehend unabhängig von den Wellen der Weltkonjunktur. Denn die Nachfrage nach medizinischer Versorgung richtet sich nicht nach der allgemeinen Wirtschaftslage.

Die Dividendenbilanz des Indus­triekonzerns Linde hat nur einen kleinen Kratzer: In den vergangenen zehn Jahren wurde die Ausschüttung neunmal angehoben, einmal nur blieb sie unverändert. Im Schnitt stieg die Dividende um mehr als 15 Prozent. Auf jeweils acht Anhebungen und zwei Jahre mit konstanter Dividende kommen SAP und Henkel. Nicht ganz so gut, aber immer noch beachtlich sind die Bilanzen von Munich Re, Siemens und Beiersdorf. Auch sie gehören dem Klub der DAX-Aristokraten an, haben die Dividende aber seltener angehoben (siehe Tabelle unten).

Anleger schätzen den Aktien-Adel, weil diese Papiere verhältnismäßig verlässliche Einnahmequellen sind. Selbst wenn die Kurse zwischenzeitlich fallen, auf die Dividende war stets Verlass. Zwar bietet die Vergangenheit keine Garantie für die Zukunft, doch sie liefert wertvolle Hinweise für die Suche nach attraktiven Aktien.

"Wenn Unternehmen historisch die Dividende kontinuierlich gezahlt und angehoben haben, ist das als Indiz für ein stabiles Geschäftsmodell und relativ sichere Zahlungsströme zu sehen", beschreibt die DZ Bank den Glanz der Aristokratie.
Die wahre Stärke eines Dividendenzahlers zeigt sich in schweren Zeiten. Die globale Finanzkrise hat die Unternehmen auf eine harte Probe gestellt - die viele nicht bestanden haben. Das zeigen die Zahlen: Für das Geschäftsjahr 2007 zahlten die 30 deutschen Topkonzerne nach Berechnung der Unternehmensberatung Ernst & Young mehr als 27 Milliarden Euro aus, zwei Jahre später sank die Summe um 28 Prozent auf unter 20 Milliarden.

Die meisten Konzerne haben die Krise überwunden. Nach Hochrechnung von €uro am Sonntag werden die 30 deutschen Topkonzerne für das Geschäftsjahr 2013 insgesamt 26,9 Milliarden Euro Gewinnbeteiligung ausschütten und damit das Vorkrisenniveau erreichen.















Noch immer nicht erholt haben sich die Banken: Die Commerzbank zahlt bis heute keinen Cent, weil der Konzern weiterhin vom Staat gestützt wird. Die Deutsche Bank hat sich besser gehalten als der Lokal­rivale, die Ausschüttung aber liegt gegenwärtig 80 Prozent unter dem Vorkrisenniveau.

Auch in anderen Branchen gibt es Problemfälle. Manche Unternehmen sind besonders anfällig für Dividendenkürzungen. Wer stark von den Wellenbewegungen der Konjunktur abhängt und zusätzlich noch hohe Beträge investieren muss, hat es schwer. Auch innerhalb eines Industriezweigs gibt es bemerkenswerte Unterschiede. Während BMW selbst auf dem Höhepunkt der Finanzkrise eine wenn auch kleine Dividende zahlte, gingen Anleger bei Daimler für das Geschäftsjahr 2009 komplett leer aus.

Ein hartnäckiger Problemfall ist ThyssenKrupp: Für das Geschäftsjahr 2013 wird es für die Aktionäre des Stahlkonzerns zum zweiten Mal in Serie keine Ausschüttung geben. Bei anderen Unternehmen müssen Anleger zittern. Neben der Commerzbank und ThyssenKrupp stehen drei weitere unter verschärfter Beobachtung.

Ein Wackelkandidat ist die Lufthansa. Die Fluggesellschaft hatte ihre Dividende bereits im vergangenen Jahr mit Verweis auf das laufende Restrukturierungsprogramm und den Ergebnisrückgang im operativen Geschäft gestrichen. Der Vorstand sieht die Airline zwar auf gutem Kurs, die Wende aber ist noch nicht geschafft. Eine weitere Nullrunde für die Aktionäre ist also nicht ausgeschlossen. Unter Analysten gehen die Meinungen auseinander, eine Mehrheit rechnet jedoch mit einer Dividende.

Wichtige Weichenstellung
Vor einer harten Entscheidung steht das Management bei K + S und Lanxess. Bei beiden ist der Gewinn eingebrochen. Die Dividende wird deshalb sinken: laut Konsensschätzung, also dem Durchschnitt aller Analystenprognosen, bei K + S um 50 Prozent, bei Lanxess um 30 Prozent. Selbst das könnte zu optimistisch sein. Bei beiden Unternehmen laufen Sparprogramme. In so einem Umfeld Dividende zu zahlen könnte beim Personal schlecht ankommen.

Außerdem schwächt die Dividende die Finanzkraft eines Unternehmens. Vor allem K + S hat nichts zu verschenken. Der Düngemittelhersteller investiert in den Ausbau seiner Förderkapazitäten. Gleichzeitig sind die Preise auf dem Weltmarkt unter Druck geraten. Die Berenberg Bank kalkuliert deshalb, dass K + S einen harten Schnitt macht und die Dividende für die Jahre 2013 bis 2015 streichen wird. Das allerdings ist derzeit eine Außenseitermeinung.

Unter verschärfter Beobachtung steht auch Fresenius Medical Care (FMC), ausgerechnet einer der DAX-Aristokraten. Das Unternehmen ist auf die Behandlung von Dialyse-Patienten spezialisiert. Wichtigster Absatzmarkt sind die USA. Dort drückt der Staat die Preise, um das Gesundheitssystem zu entlasten. In den ersten neun Monaten des Jahres 2013 ist der Nettogewinn bei FMC gesunken. Das Management dürfte damit vor der schweren Wahl stehen, die Dividenden zu senken oder einen höheren Anteil des Gewinns auszuschütten. Erstaunlich viele Analysten erwarten eine Kürzung. Damit aber würde FMC seine makellose Dividendenhistorie zerstören.

Die Trauer unter Dividendenjägern würde sich im Fall FMC in Grenzen halten. Wie auch beim Mutterkonzern Fresenius liegt die Dividendenrendite unter zwei Prozent. Von diesem Niveau aus fällt es selbst über lange Zeiträume schwer, auf eine ansprechende Höhe zu kommen.

Eine hohe und kontinuierlich steigende Dividende - das ist der Traum eines Aktionärs. In der Praxis muss man Abstriche machen. Eine hohe Dividendenrendite ist verlockend, aber kein Kaufargument. Denn: Die Dividenden allein schaffen noch keinen Wert. Am Tag der Ausschüttung fließt ohne Gegenleistung Geld aus dem Unternehmen. Entsprechend sinkt der Aktienkurs. Wichtiger als die Höhe der Dividende sind aber nachhaltige Gewinne im operativen Geschäft.

Weniger ist mehr
Generell gilt: Je höher die Dividendenrendite auf dem Papier ausfällt, desto größer ist die Gefahr einer Enttäuschung. Ab einer Dividendenrendite von fünf bis sechs Prozent steige das Risiko, kalkuliert Dan Roberts, Dividendenexperte der Fondsgesellschaft Fidelity.

Da an der Börse die Zukunft gehandelt wird, basiert die von Analysten herangezogene Dividendenrendite meist auf der für das jeweils nächste Jahr erwarteten Dividende. Wie bei jeder Schätzung aber besteht die Gefahr, dass sie falsch ist.
Im Sommer vergangenen Jahres wies die RWE-Aktie auf dem Papier sogar eine Dividendenrendite von neun Prozent aus. Für diesen extremen Wert gab es zwei Interpretationen: Entweder war die Aktie massiv unterbewertet - oder die Dividendenerwartung zu hoch. Im September kündigte RWE dann an, die Dividende für 2013 zu halbieren.

Auch Aristokraten haben Schwächen: Die acht aktuellen Adeligen des DAX kommen im Schnitt auf eine Dividendenrendite von wenig mehr als zwei Prozent. Für Anleger, die Wert auf regelmäßige Einnahmen legen, ist das zu wenig. Darum kann es sinnvoll sein, bei der Aktienauswahl nicht ganz so strenge Kriterien anzulegen.
Einige DAX-Werte haben im Zuge der Finanzkrise ihre Dividende gesenkt, sich aber schnell wieder erholt und bieten heute Dividendenrenditen deutlich über dem Indexdurchschnitt. Bei BASF beispielsweise erwarten Analysten für das Geschäftsjahr 2013 eine Dividende von 2,70 Euro je Aktie. Damit würde die Ausschüttung 38 Prozent über dem Vorkrisenniveau liegen. Ähnlich sieht es bei BMW aus. Beide kommen auf Basis der Dividendenschätzung für 2014 auf Dividendenrenditen von rund 3,5 Prozent und liegen damit über dem Durchschnitt des DAX von drei Prozent.

Kleiner Trick, große Wirkung
Die beste Mischung aus Rendite und Historie bietet die Munich Re. Der Rückversicherer hat seine Dividende seit dem Jahr 1969 zumindest konstant gehalten. Für das vergangene Jahr will der Rückversicherer die Ausschüttung von 7,00 auf 7,25 je Aktie aufstocken. Analysten erwarten, dass die Zahlung für die beiden kommenden Jahre in Schritten von jeweils 25 Cent steigt.

Um die Dividendenkraft zu stärken, greift die Munich Re zu einem einfachen Trick: Der Konzern kauft seit Jahren immer wieder eigene Aktien auf. Die Zahl der dividendenberechtigten Papiere ist dadurch seit dem Jahr 2003 von knapp 230 Millionen auf 179 Millionen Stück gesunken. Das kostet zunächst viel Geld, macht sich aber langfristig bezahlt. Weil der Rückversicherer für weniger Aktien Geld ausschütten muss, kann er die Dividende künftig leichter anheben.

Investor-Info

DAX-Aristokraten
Verlässliche Dividende

Acht DAX-Konzerne haben die Dividende in den vergangenen zehn Jahren niemals gesenkt, auch nicht während der Finanzkrise. Bei Fresenius und FMC ist die Ausschüttung sogar jedes Jahr gestiegen.













Munich Re
Dividende auf hohem Niveau

Das Umfeld für Versicherungskonzerne ist schwierig: Die Niedrigzinsen machen es schwer, mit Kapitalanlagen Geld zu verdienen. Im Kerngeschäft ist der Wettbewerb hart. Die Munich Re hat im Geschäftsjahr 2013 Stärke bewiesen. Dank der Aktienrückkäufe sollte die Munich Re die Dividende weiter anheben können, allerdings in kleinen Schritten.

Siemens
Kräfte freisetzen

Der Konzern hat Anleger oft enttäuscht. Im Mai will der neue Chef Joe Kaeser sein Konzept vorstellen. Das weckt Hoffnungen auf bessere Zeiten. Trotz vieler Probleme - die Ertragskraft ist noch immer groß. Ende Januar schüttete der Konzern drei Euro je Aktie als Dividende aus. Siemens kommt damit auf eine Dividendenrendite deutlich über DAX-Durchschnitt. 

BASF
Attraktive Mischung

Die Dividende genießt bei BASF einen hohen Stellenwert. In den vergangenen zehn Jahren wurde die Ausschüttung nur einmal gesenkt. Am 25. Februar präsentiert der Konzern die Jahresergebnisse für 2013. Die Dividende dürfte leicht angehoben werden. Die Dividendenrendite liegt über DAX-Schnitt, der Kurs schwankt aber stärker als der Index. 

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