Gewinne: Profitieren von Profiten
Strategie: Unternehmensgewinne bestimmen langfristig die Richtung der Aktienkurse. €uro am Sonntag hat Firmen gesucht, denen deutliche Profitsteigerungen zugetraut werden.
Werte in diesem Artikel
von S. Parplies und K. Schachinger, Euro am Sonntag
Deutschlands Topkonzerne sind in hervorragender Verfassung. Im vergangenen Jahr haben die 30 Mitglieder des DAX so viel Geld verdient wie noch nie. Nach Berechnung der Unternehmensberatung EY ist der operative Gewinn um ein Viertel auf 114 Milliarden Euro gestiegen. Das würde reichen, um ein Drittel der Staatsausgaben Deutschlands auf Bundesebene zu decken.
Das meiste Geld fuhr der Autokonzern Daimler ein - fast 13 Milliarden Euro. Der Versicherungsriese Allianz erwirtschaftet knapp elf Milliarden Euro. Daimler-Rivale BMW kann als Drittplatzierter mit mehr als neun Milliarden Euro Gewinn ebenfalls auf ein erfolgreiches Jahr zurückblicken.
Börsenprofis sind zuversichtlich, dass der positive Trend im neuen Jahr anhält, und das nicht nur für den DAX. Die Redaktion hat die Gewinnschätzungen für die 160 Mitglieder aus den vier großen deutschen Aktienindizes - DAX, MDAX, SDAX und TecDAX - genauer unter die Lupe genommen. Demnach erwarten Analysten bei 70 Prozent dieser Unternehmen, dass der Gewinn je Aktie im laufenden Jahr zulegt. Sollte sich diese Prognose bewahrheiten, wäre es eine gute Nachricht auch für die Aktionäre.
Grundsätzlich gilt: Die Gewinnentwicklung der Unternehmens ist der wichtigste Treiber der Aktien. Kurz- und mittelfristig weichen die Kurse immer wieder von den Fundamentaldaten ab, weil sich Börsianer von Emotionen leiten lassen oder die Lage falsch einschätzen. Der Kurssturz des DAX im Jahr 2008 beispielsweise war fundamental berechtigt. 2011 dagegen brachen die Kurse auf breiter Front ein, obwohl die Gewinne der Unternehmen in jenem Jahr stabil blieben. Als Börsianer den Irrtum erkannten, trieben sie die Kurse wieder nach oben. Langfristig setzen sich somit die harten Fakten durch.
Substanz entscheidet
Auf der Suche nach den Gewinn-Gewinnern von morgen hat die Redaktion anhand von zwei Kriterien Aktien aus den deutschen Indizes analysiert. In einer ersten Auswahl wurden Unternehmen ermittelt, bei denen Analysten im laufenden Jahr einen besonders deutlichen prozentualen Gewinnsprung erwarten. Um bei der Auswertung eine gemeinsame Basis zu haben, hat sich die Redaktion dabei auf den Gewinn je Aktie konzentriert, auch wenn Analysten im Einzelfall zuerst auf andere Gewinnkennziffern schauen. Außerdem wurden nur Unternehmen berücksichtigt, die im vergangenen Jahr profitabel gewirtschaftet haben.
Die größten Sprünge
Den spektakulärsten Gewinnanstieg in diesem Jahr erwarten Analysten bei Gerry Weber. Die Modefirma hat ein hartes Jahr hinter sich. Der Umsatz ist um zwei Prozent geschrumpft, der operative Gewinn um mehr als 80 Prozent. Unter dem Strich blieb pro Aktie ein Minigewinn von einem Cent. Im neuen Jahr soll es besser laufen. Allein schon weil einige Sonderbelastungen wegfallen, trauen Analysten der im SDAX notierten Firma 2017 einen Gewinn von 18 Cent je Aktie zu.
Ebenfalls einen imposanten Gewinnsprung erwarten die Börsenprofis vom Automobilzulieferer Leoni oder vom Wafer-Hersteller Siltronic.
Spekulationen auf kurzfristige Gewinnsprünge sind naturgemäß sehr riskant. Oft handelt es sich bei diesen Kandidaten um Krisenfälle: Unternehmen, die Probleme im operativen Geschäft haben oder im Vorjahr eine große Sonderbelastung verkraften mussten, etwa durch Abschreibungen in der Bilanz. Offensive Analystenschätzungen zeigen außerdem, dass Börsianer bereits eine hohe Erwartung an diese Unternehmen haben. Sollten die Erwartungen enttäuscht werden, wird es auch für die Aktionäre sehr ungemütlich.
Um die Gewinndynamik auf eine breitere Basis zu stellen, hat die Redaktion für eine zweite Gruppe die Daten mehrerer Jahre ausgewertet. Konkret haben wir für alle 160 Unternehmen aus den Indizes der DAX-Familie jeweils das Gewinnwachstum der Jahre 2016, 2017 und 2018 ausgewertet. Dabei wurde für jedes Jahr eine Rangliste errechnet. Für die Endabrechnung wurde die Durchschnittsplatzierung errechnet.
Es wurden also harte Fakten - das Gewinnwachstum des vergangenen Geschäftsjahres - mit Prognosen der Analysten für die beiden kommenden Jahre kombiniert. In dieser zweiten Auswertung stehen erwartungsgemäß andere Unternehmen an der Spitze als in der ersten Gruppe. Eine besonders starke Dynamik zeichnet sich beim Sportartikelkonzern Puma, dem Tierfutterhändler Zooplus oder auch der Softwarefirma Compugroup ab.
Auf den folgenden beiden Seiten hat die Redaktion die Gewinnsteigerer aus beiden Gruppen genauer unter die Lupe genommen. Aus den Top 10 werden jeweils fünf Favoriten der Redaktion ausführlich vorgestellt.
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Zulieferer, Zykliker und Zugänge
Es läuft wieder. Rechtzeitig zum 100-jährigen Jubiläum der Firmengründung des Nürnberger Autozulieferers Leoni, weltweit führender Spezialist für Kabelsysteme in Autos, ist das Debakel des vergangenen Jahres bewältigt. Für 2017 erwarten Analysten eine Verzehnfachung des Gewinns - von 30 Cent auf 3,15 Euro pro Aktie. 2016 hatte sich der Gewinn des MDAX-Konzerns nahezu halbiert. Nachdem die Geschäfte der Leoni-Tochter in Rumänien aus dem Ruder gelaufen waren, musste die gesamte Sparte Bordnetze (Verkabelung) saniert werden. Chef Dieter Bellé hatte bei der Aufklärung des Vorfalls nichts beschönigt.
Jetzt bietet er Aktionären eine Perspektive: "Wir werden Leoni in ruhigeres Fahrwasser führen", verspricht der gebürtige Hamburger.
Mit Trends wie Elektromobilität und Digitalisierung hat Leoni gute Wachstumschancen. Im laufenden Jahr soll der Umsatz um fünf Prozent auf 4,6 Milliarden Euro zulegen. In großen Automarkt China hält Leoni 51 Prozent am Bordnetzhersteller Wuhan Hengtong Automotive. Der liefert an Chinas zweitgrößten Autobauer Dongfeng und dessen Joint Venture mit Peugeot Citroën.
Aufschwung treibt Gewinn
Siltronic ist der weltweit drittgrößte Hersteller von Wafern. Das sind dünne Siliziumscheiben mit bis zu 300 Millimeter Radius, aus denen Chips herausgebrochen werden. Die Produkte der Firma sind gefragt wie seit Jahren nicht mehr. "Bei den Verträgen im laufenden Quartal werden wir weitere Preiserhöhungen realisieren. Die Nachfrage ist hoch. Nach fast zehn Jahren liegt sie wieder über der Produktionskapazität der Industrie", sagte Chef Christoph von Plotho auf der Bilanzkonferenz.Siltronic ist eine Tochter des Münchner Konzerns Wacker Chemie. Ähnlich wie die Chiphersteller im zyklischen Halbleitergeschäft sind auch für Zulieferer wie Siltronic beim Aufschwung eines Branchenzyklus dank knapper Kapazitäten schnell höhere Margen und mehr Gewinn möglich. Für 2017 erwarten Analysten bei Siltronic einen Anstieg des Nettoertrags von 40 Cent auf drei Euro pro Aktie.
Hightech im Maschinenbau
Mit der Lasertechnologie des Anlagenbauers SLM Solutions Group aus Lübeck wird Metallstaub Schicht für Schicht aufgetragen. Damit werden Maschinen für die industrielle Produktion nach Modellen aus dem Computer geformt. Bekannt ist der Ansatz in der Fertigung als 3-D-Druck. Der US-Konzern General Electric, der sich in einen von digitalen Technologien geprägten Industriekonzern wandelt, hätte die Technologie der Lübecker gern im Portfolio. Die Übernahme durch GE blockierte jedoch Hedgefondsmanager Paul Singer. Der US-Konzern war nicht bereit, die von Singer als Großaktionär bei SLM geforderte Übernahmeprämie zu bezahlen. Aktuell ist Singers Fonds mit einem Fünftel der Anteile zweitgrößter Anteilseigner nach Firmengründer Hans-Joachim Ihde mit gut 26 Prozent.
Geblieben ist nach der gescheiterten Übernahme die Wertschätzung der Investoren für das Potenzial der SLM-Technologie. Die Kursverluste nach dem geplatzten Deal hat die Aktie inzwischen wettgemacht.
Die Lübecker bleiben auf Wachstumskurs. Für 2017 erwarten Analysten beim Umsatz ein Plus von mehr als 40 Prozent auf 119 Millionen Euro. Der von Analysten geschätzte Nettogewinn soll sich 2017 nahezu vervierfachen.
Aufträge für fast 7000 Jets
Verdacht auf Betrug und Bestechung, Behörden ermitteln: In sogenannten Oligopolen, das sind Märkte, die von wenigen Konzernen kontrolliert werden, kommt das häufig vor. Das globale Geschäft mit Großflugzeugen beherrschen die beiden Hersteller Airbus und der US-Konkurrent Boeing. In der Zivilflugsparte von Airbus hat jüngst die auf Finanzdelikte spezialisierte Einheit der französischen Staatsanwaltschaft vorläufige Ermittlungen aufgenommen. Großbritannien ermittelt bereits seit August. Für Anleger in dieser Branche ist das nicht überraschend, wichtiger ist für sie der Blick auf das Geschäft. Für das laufende Jahr schätzen Analysten den Zuwachs beim Gewinn einschließlich Sonderfaktoren auf 168 Prozent. Knapp 70 Prozent des operativen Gewinns liefert die Zivilflugzeugsparte, die drei Viertel des Umsatzes von zuletzt knapp 67 Milliarden Euro einspielt.
Unter Berücksichtigung von Veräußerungen in der Rüstungssparte wird der Anteil 2017 weiter zulegen. Glanz in die Bilanz bringen die steigenden Auslieferungen von Jets der Typen A 320 und A 350. Der Gesamtauftragsbestand, fast 7.000 Flugzeuge über alle Modelle, ist beeindruckend. Auch das ist eine Folge der Dominanz zweier großer Spieler auf dem weltweiten Markt, und in diesem Fall erfreulich für Aktionäre.
Alternative zur Telekom
Telekomdienstleister United Internet (UI) ist mit seinen Marken 1 & 1 für Telefon- und Internetzugang sowie Web.de und GMX für E-Mail-Dienste bestens bekannt. Die Geschäfte der inhabergeführten Firma aus Montabaur im Westerwald laufen besser als erwartet. Im Mobilfunk wurde im vergangenen Jahr eine Million Neukunden akquiriert.
Der operative Gewinn pro Aktie legte 2016 um mehr als ein Fünftel auf 2,13 Euro je Aktie zu. Wegen der Wertberichtigung auf die Beteiligung am Berliner Inkubator Rocket Internet - UI hält rund acht Prozent - blieben davon jedoch nur 88 Cent pro Anteilschein übrig. Für 2017 sind bisher keine Abschreibungen in Sicht. Auf den Nettogewinn wirkt das wie ein Turbo. Analysten erwarten einen Anstieg um 170 Prozent auf 2,38 Euro pro Aktie. Rechnet man den Sondereffekt aus dem Vorjahr heraus, bleiben solide 14 Prozent Plus.
Top Ten der Gewinnsteigerer 2017 (pdf)
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Katzen, Computer, Kapriolen
Rihanna ist in den sozialen Netzwerken eine Macht. Mehr als 70 Millionen Menschen folgen der Popsängerin auf Twitter, mehr als 50 Millionen auf Instagram. Auffallend oft präsentiert Rihanna ihren Anhängern Turnschuhe von Puma. Das ist natürlich kein Zufall. Rihanna
ist Werbepartner des Sportartikelkonzerns und soll die Marke vor allem bei Frauen populär machen.
Die Geschäftszahlen zeigen, dass Puma auf dem richtigen Weg ist. Im vergangenen Jahr stieg der operative Gewinn (Ebit) um 33 Prozent auf 128 Millionen Euro, der Gewinn je Aktie um fast 70 Prozent. Dabei profitiert die im SDAX notierte Firma von einem Basiseffekt. Nachdem Puma in den Vorjahren stark investiert hat, um die Marke wieder flottzumachen, wachsen jetzt die Umsätze schneller als die operativen Aufwendungen. Die Ebit-Marge ist mit 3,5 Prozent im Branchenvergleich aber noch immer niedrig. Kursfantasie schaffen auch die Eigentümerverhältnisse. Großaktionär Kering, der einst Aktien zu 330 Euro gekauft hat, könnte das Comeback von Puma nutzen, um sein Paket an einen anderen Investor weiterzureichen, der das Unternehmen dann komplett von der Börse nimmt.
Was Katzen kaufen würden
Wenn Haustiere im Internet surfen könnten, wäre Zooplus eine ihrer Lieblingsseiten. Das Unternehmen aus Wiesbaden ist in Europa der führende Internethändler für Heimtierbedarf. Im vergangenen Jahr setzte die im SDAX notierte Firma 909 Millionen Euro um. Etwas mehr als 80 Prozent des Umsatzes wurden zuletzt mit Futter erzielt, der Rest mit Zubehör wie Kratzbäumen und Hundekörben.
Die Zahl der aktiven Kunden, natürlich alles Menschen, ist im vergangenen Jahr um 20 Prozent auf 4,8 Millionen gestiegen. Jeder Kunde setzt im Schnitt 188 Euro um, elf Euro mehr als im Vorjahr. Das Wachstumspotenzial ist groß. Europaweit werden laut Zooplus rund 26 Milliarden Euro für die Bedürfnisse der Haustiere ausgegeben. Mit zunehmender Größe sollte das Unternehmen von Skaleneffekten profitieren. Im vergangenen Jahr hat Zooplus die Kosten gemessen am Umsatz um zwei Prozentpunkte gedrückt.
Medizinische Revolution
Ein Arzt kann nicht alles wissen. Computerprogramme helfen, Fachwissen etwa zur Wirkung von Medikamenten oder die medizinische Vorgeschichte eines Patienten schneller zu erfassen. Einer der Pioniere bei der Digitalisierung der Medizin ist Compugroup. Die Firma aus Koblenz entwickelt und vertreibt Software für Arztpraxen, Apotheken, Labore oder auch Krankenhäuser. Rund die Hälfte des Umsatzes erzielt das im TecDAX notierte Unternehmen mit Software für niedergelassene Ärzte.
Wie bei allen Softwarefirmen steigt der Gewinn überproportional stark, sobald die Basiskosten gedeckt sind. Ein wichtiges Projekt ist der von der Bundesregierung betriebene Aufbau einer Telematik-Infrastruktur, bei der die IT-Systeme von Arzt- und Zahnarztpraxen, Apotheken, Kliniken und Krankenkassen verbunden werden. Analysten sehen auch das als einen Umsatztreiber für Compugroup.
Vertrauen in die Familie
Das Unternehmen Drägerwerk aus Lübeck ist ein Spezialist für Medizin- und Sicherheitstechnik. Produziert werden unter anderem Beatmungsgeräte für die Intensivmedizin, Atemschutzausrüstung oder auch Drogentestgeräte.
Das Geschäftsjahr 2016 war für das in der fünften Generation von der Gründerfamilie geführte Unternehmen eine Enttäuschung. Erstmals seit der Finanzkrise 2009 ist der Umsatz gesunken, um etwas mehr als drei Prozent. Der Vorstand verweist insbesondere auf ein schwaches Abschneiden im Nahen Osten. Der Gewinn ist im vergangenen Jahr dennoch deutlich gestiegen, weil das als Reaktion auf die Geschäftsentwicklung aufgelegte Sparprogramm wirkt.
Hoffnung macht auch der Auftragsbestand, der im Schlussquartal des Vorjahres um mehr als neun Prozent zulegte. Analysten sind zuversichtlich, dass Drägerwerk zu alter Stärke zurückfindet.
Die Zukunft von Stahl
Thyssenkrupp hat sein Stahlwerk in Brasilien verkauft. Der Preis von 1,5 Milliarden Euro liegt unter Buchwert. Da der Ruhrgebietskonzern in Brasilien hohe Verluste erwirtschaftet hat, ist der Ausstieg dennoch ein Erfolg. Schon bald könnte es den nächsten Abschied geben: Thyssenkrupp verhandelt mit Tata über eine Zusammenlegung der europäischen Stahlaktivitäten. Der DAX-Konzern will sich auf das lukrativere Geschäft mit Industriegütern und Dienstleistungen konzentrieren, das rund drei Viertel des Umsatzes ausmacht.
Wichtigster Gewinnbringer ist die Aufzugsparte, die unter anderem Personen- und Lastenaufzüge herstellt und wartet. Analysten sind zuversichtlich, dass der Konzern die Krise abschüttelt und sich der Gewinn von einem niedrigen Niveau aus deutlich erholt. Sollte die Rechnung aufgehen, sind auch bei der Aktie von Thyssenkrupp deutliche Kursgewinne realistisch.
Unternehmen mit starkem Gewinnwachstum von 2016 bis 2018 (pdf)
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