Aktienhausse: Drei Strategien für Gewinne(r)
Die Wall Street treibt den DAX auf ein neues Jahreshoch. €uro am Sonntag nennt die aussichtsreichsten Aktien für die Rally.
Werte in diesem Artikel
von F. Westermann und S. Parplies, Euro am Sonntag
Der Startschuss für die Jahresendrally ist gefallen. Vier Monate lang bewegte sich der DAX seitwärts. Doch jetzt hat der deutsche Leitindex endlich seinen hartnäckigen Widerstand durchbrochen und sogar die Marke von 11.000 Punkten erobert - ein neues Jahreshoch. Getrieben von der Entscheidung der EZB, die Geldschleusen offen zu halten und das Anleihekaufprogramm zu verlängern, greifen Anleger auf breiter Basis zu.
Rückenwind kommt auch aus den USA: Seit Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA gewählt wurde, eilt die Wall Street von Hoch zu Hoch. Zwar weiß noch niemand, was diese Präsidentschaft wirklich für die Märkte bringt. Viele Investoren hoffen aber, dass angekündigte Steuersenkungen und das versprochene Infrastrukturprogramm zu einer sprunghaften Belebung der US-Konjunktur führen.
Aussichtsreiche Ansätze
Aktien von Unternehmen, die stark in den USA vertreten sind, erscheinen vor diesem Hintergrund in den kommenden Wochen besonders aussichtsreich. Eine boomende US-Konjunktur, sinkende Steuern und ein starker Dollar spielen der Exportnation Deutschland in die Hände. Die Redaktion von €uro am Sonntag ist der Meinung, dass bei vielen exportstarken deutschen Aktien diese Chancen noch nicht in den aktuellen Kursen reflektiert werden.Was die Aktienmärkte ebenfalls antreibt: Mit Anleihen dürfte auch in den kommenden Monaten kaum Geld zu verdienen sein. Inflationsbereinigt drohen Investoren mit vielen Investments wie Fest- oder Tagesgeld sogar Verluste. Strafzinsen mancher Banken erschweren es zusätzlich, mit risikoarmen Anlageformen Renditen zu erzielen.
Eine Alternative sind dividendenstarke Aktien. Zuletzt gerieten viele klassische Dividendenwerte wie Coca-Cola oder Procter & Gamble unter Druck. Grund zur Panik besteht jedoch nicht. Manche Unternehmen, wie etwa der Versicherungskonzern Allianz, profitieren sogar von der Zinswende in den USA.
Auch Momentum-Aktien dürften 2017 zum Erfolg führen - zumal sich die Börsen im Höhenflug befinden. Gemeint sind die echten Überflieger der Börse, Titel, die von Hoch zu Hoch eilen. Es ist bekannt, dass Aktien, die kontinuierlich steigen, neue Investoren anlocken und dadurch weiter zulegen: Was läuft, läuft, sagen Börsianer hierzu salopp.
In Untersuchungen am US-Aktienmarkt wurde bereits festgestellt, dass Anleger, die auf die Topgewinner der vorangegangenen sechs Monate setzten, den breiten Markt im Schnitt um mehr als dreieinhalb Prozentpunkte pro Jahr übertrafen. Investoren sollten dem Momentum dennoch nicht blind folgen, sondern immer auch einen Blick auf die Fundamentaldaten werfen.
€uro am Sonntag präsentiert im Folgenden die drei Strategien, mit denen sich aussichtsreiche Titel finden lassen. Jeweils drei dafür ausgewählte Aktienfavoriten stellen wir überdies in einer ausführlichen Besprechung vor.
Strategie I:
Auf den US-Schub bauen
Niedrigere Unternehmensteuern und ein riesiges Infrastrukturprogramm sollen die US-Wirtschaft ankurbeln. Davon profitieren auch deutsche Unternehmen.
von Florian Westermann
Der zukünftige US-Präsident Donald Trump will die heimische Wirtschaft stärken und hat Unternehmen davor gewarnt, das Land zu verlassen. Übeltäter müssten mit Einfuhrsteuern rechnen. Trump will aber auch die Unternehmensteuer von 35 auf "voraussichtlich 15 Prozent" senken. Zudem sollen Hunderte Milliarden Dollar in die marode Infrastruktur fließen. Die in Aussicht gestellten Investitionen und Steuersenkungen ermöglichten ein höheres Wirtschaftswachstum in den USA, lobt die OECD.
Zu den potenziellen Gewinnern gehören auch deutsche Firmen mit einem hohen US-Anteil. Im Vorteil sind jene mit Tochtergesellschaften in den USA, die in den Genuss von Steuersenkungen kommen. Außerdem profitieren deutsche Unternehmen von einem stärkeren Dollar. Nach Trumps Wahlsieg zog der Greenback deutlich an.
Echte Standortvorteile
Vor allem Großkonzerne mischen kräftig in den USA mit. Die DAX-Unternehmen erzielen laut dem Bankhaus Lampe im Durchschnitt ein Viertel ihrer Erlöse in Nordamerika - im MDAX liegt der Anteil mit 15 Prozent deutlich darunter. Der Chemieriese BASF etwa erwirtschaftete im vergangenen Jahr 22 Prozent des Umsatzes in Nordamerika. Trumps Ankündigung, die US-Industrie mit Handelsschranken und Zöllen zu schützen, kann Chef Kurt Bock gelassen entgegensehen. Zwei der weltweit sechs Verbundstandorte betreibt der Konzern in den USA. BASF produziert hier alles, von Grundchemikalien bis zu hoch veredelten Produkten wie Lacken oder Pflanzenschutzmitteln. Ein Anziehen der US-Konjunktur würde das Geschäft der Pfälzer in den Vereinigten Staaten beflügeln.Niedrigere Unternehmensteuern kämen dem Gewinn zugute. Unlängst gab BASF bekannt, seine Kapazitäten zur Herstellung eines zentralen Bestandteils des Kunststoffs Polyurethan, aus dem etwa Schaumstoffe, Lacke und Klebstoffe gefertigt werden, an seinem Verbundstandort Geismar im US-Bundesstaat Louisiana zu verdoppeln.
Auch Daimler ist gut positioniert. Der Autobauer ist mit seiner Tochter Daimler Trucks North America und Marken wie Freightliner oder Western Star der größte Lkw-Hersteller in Nordamerika. Ein Teil der Laster wird allerdings in Mexiko gebaut. Mögliche Strafzölle gegen das Land bleiben ein Risiko. Unterdessen ist die Pkw-Sparte mit dem Werk Tuscaloosa in Alabama gut aufgestellt.
Beim Triebwerkshersteller MTU hängen mehr als 70 Prozent der Erlöse an den Staaten. "Sollten die USA ein Fiskalpaket verabschieden, könnte MTU - indirekt - von einer Stabilisierung bei den US-Fluggesellschaften profitieren", sagt Ralf Zimmermann, Anlagestratege vom Bankhaus Lampe. Die Münchner sind als Partner an fast jedem modernen Triebwerk in der zivilen Luftfahrt beteiligt. Aber vor allem die Wartung spült dem MDAX-Konzern Geld in die Kasse. Etwa ein Drittel der Erlöse stammt aus diesem Bereich. Das Geschäft läuft so gut, dass MTU die Prognose für das Gesamtjahr Ende Oktober erneut anhob.
Bau und Basketball
Trumps Versprechen, Infrastrukturprojekte voranzutreiben, dürfte beim Baukonzern Hochtief mit Wohlwollen aufgenommen worden sein. Die Essener sind über ihre US-Tochter Turner stark in den USA vertreten - etwa die Hälfte der Umsätze erzielt Hochtief in Nordamerika. Analysten rechnen für das kommende Jahr mit einem kräftigen Gewinnplus von 14 Prozent. Zudem stehen die Chancen auf höhere Prognosen gut.Ein Konjunkturaufschwung in den USA wird sich in den Portemonnaies der Verbraucher bemerkbar machen - zur Freude des Sportartikelherstellers Adidas. Knapp ein Fünftel der Erlöse erzielen die Franken in den USA, Tendenz steigend. Im größten Sportartikelmarkt der Welt kämpft Adidas gegen die Übermacht des Konkurrenten Nike. Zuletzt punkteten die Deutschen mit steigenden Marktanteilen. Außerdem will der neue Adidas-Chef Kasper Rorsted die Fitnessmarke Reebok stärken. Vor allem bei deren Marge muss er Hand anlegen. Rorsted kündigte unlängst eine Neuordnung in den USA an. Das kostet zwar erst mal 30 Millionen Euro, soll Adidas aber besser gegen Nike positionieren.
Investor-Info
Daimler
Auf der Erfolgsspur
Der Autobauer wird auch 2016 wieder ein Rekordjahr einfahren. Analysten rechnen im Schnitt mit einem Umsatzplus von zwei Prozent auf 153 Milliarden Euro. Netto dürften die Stuttgarter 8,8 Milliarden Euro verdienen - ebenfalls ein Zuwachs von zwei Prozent. Für 2017 prognostizieren Analysten einen stärkeren Gewinnanstieg um fünf Prozent auf 9,2 Milliarden Euro. Auch die Dividendenrendite von knapp fünf Prozent spricht für die günstig bewertete Aktie. Aussichtsreich.
MTU Aero Engines
Im Höhenflug
Die Auftragsbücher von Airbus, Boeing und Co sind über Jahre hinweg gefüllt. Über mangelnde Aufträge muss sich MTU keine Sorgen machen. Zudem steigt die Zahl der im Verkehr befindlichen Flugzeuge und damit das Wartungsvolumen. 2017 wird der Konzern voraussichtlich 314 Millionen Euro verdienen - ein Anstieg von fünf Prozent. 2018 sollen bereits 340 Millionen Euro hängen bleiben. Die Aktie dürfte ihren Höhenflug auch mit Unterstützung aus den USA fortsetzen.
Hochtief
Starkes Fundament
Modernisieren die Amerikaner wie von Donald Trump angekündigt Brücken, Straßen und Flughäfen, würde das einen enormen Schub für Hochtief und das US-Geschäft der Essener bedeuten. Bislang rechnen Analysten für 2017 mit einem Gewinnanstieg um elf Prozent auf über 370 Millionen Euro. 2018 sollen es fast 400 Millionen Euro werden. Die Chancen stehen aber gut, dass die Prognosen steigen. Die Aktie ist zwar nicht billig, die Aussichten sind aber hervorragend. Die Aktie dürfte ihre Rekordfahrt fortsetzen.
Strategie II:
Regelmäßige Einnahmen
Dividenden sind ein guter Ersatz für fehlende Zinserträge. Viele der Aktien sind zuletzt aber gefallen. Wo Anleger jetzt zugreifen können.
von Sven Parplies
Ein kleines Experiment: Angenommen, ein Anleger hätte über die vergangenen zehn Jahre jeweils Ende Dezember die zehn Aktien des HDAX mit der höchsten Dividendenrendite gekauft. In neun der zehn Jahre hätte das Depot den Index geschlagen.
Diese Strategie knüpft an die Idee des Vermögensverwalters Michael O’Higgins an. Der hatte Anfang der 90er-Jahre vorgerechnet, dass Anleger langfristig eine überdurchschnittliche Rendite erzielen, wenn sie auf die zehn Aktien des US-Aktienindex Dow Jones mit der höchsten Dividendenrendite setzen. Die Überlegung: Weil die Dividendenrendite bei fallenden Kursen steigt, sind Aktien mit hoher Prozentzahl bei der Masse der Anleger vermutlich in Ungnade gefallen und damit günstig bewertet. Bekannt geworden ist die Strategie als "Dogs of the Dow" - Hunde des Dow Jones. Gemeint ist das im Sinne von "auf den Hund gekommene" Aktien.
Profitiert hat die Strategie in jüngerer Vergangenheit von der Politik der Notenbanken. Weil die Währungshüter im Schatten der großen Finanzkrise die Zinsen radikal gesenkt haben, sind Dividenden für viele Investoren zum Zinsersatz geworden. Genau dieser Trend verliert jetzt an Schwung. Die US-Notenbank hat bereits durchblicken lassen, dass sie den Leitzins im Dezember anhebt. Das absolute Niveau wird auch dann noch niedrig sein, die Zeit der ultralockeren Geldpolitik aber dürfte langsam auslaufen. Eine wichtige Rolle spielt dabei der kommende US-Präsident. Donald Trump will Steuern senken und die Staatsausgaben erhöhen. Das dürfte die Wirtschaft, aber auch die Inflation antreiben und Spielraum für weitere Zinserhöhungen geben.
Die Aktienmärkte haben bereits reagiert. Zu den größten Verlierern im Dow Jones seit der Präsidentschaftswahl zählen Procter & Gamble, Johnson & Johnson und Coca-Cola. Diese drei haben ihre Dividende seit mehr als 50 Jahren gesteigert und gelten darum als sichere Einnahmequelle. Ein ähnliches Muster ist in Deutschland zu erkennen. Stark verloren haben Immobilienkonzerne wie Vonovia und Telekomdienstleister wie Drillisch. Diese Firmen erwirtschaften auch in schwächeren Jahren hohe Erträge und können darum viel Geld ausschütten.
Ist die große Zeit der Dividendenklassiker vorüber? Einen radikalen Trendwechsel dürfte es nicht geben. Bei Procter & Gamble, Johnson & Johnson und Coca-Cola gibt es keine Zeichen, dass die Ausschüttung in Gefahr ist. Langfristig orientierte Anleger können sich zurücklehnen und weiter Dividenden kassieren. Wer stärker auf die Kursentwicklung schaut, dürfte aber mit Dividendenwerten auf zyklische Branchen bessere Chancen haben.
Deutschlands Hunde
Die Redaktion hat die Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg nach Dividendenwerten aus Deutschland durchsucht. Im DAX stechen die Versicherungskonzerne Allianz und Munich Re mit rund viereinhalb Prozent Dividendenrendite hervor. Beide würden im operativen Geschäft von steigenden Zinsen profitieren, weil sie dann mit ihren Kapitaleinlagen leichter Renditen erwirtschaften können.Mit etwas mehr als vier Prozent überdurchschnittlich hoch und vergleichsweise zuverlässig ist auch die Ausschüttung der Deutschen Telekom. Wer sich mit etwas weniger zufrieden gibt, setzt auf Siemens. Der Münchner Industriekonzern kommt derzeit auf über drei Prozent Dividendenrendite, hat seine Ausschüttung seit mehr als 20 Jahren nicht gesenkt und dürfte im operativen Geschäft von staatlichen Konjunkturprogrammen profitieren.
Größere Prozentzahlen, aber auch mehr Risiko gibt es bei deutschen Nebenwerten. Die höchsten Dividendenrenditen im HDAX mit rund sechs Prozent bieten die Telekomfirmen Telefónica Deutschland und Freenet sowie die Medienkonzerne ProSiebenSat.1 und RTL Group. Alle vier Unternehmen schütten allerdings einen großen Teil ihrer Gewinne aus und haben darum wenig Spielraum, falls es im operativen Geschäft Probleme geben sollte. Nach O’Higgins sind diese Aktien die Hunde des deutschen Aktienmarkts.
Investor-Info
Allianz
Großer Geldberg
Der Versicherungskonzern will die Hälfte des Jahresgewinns als Dividende an die Aktionäre fließen lassen. Das würde nach aktuellen Schätzungen auf eine Ausschüttung auf Vorjahresniveau hinauslaufen. Zusätzlich hat der Konzern in Aussicht gestellt, Cashreserven von bis zu drei Milliarden Euro in Aktienrückkäufe zu investieren. Das würde die Zahl der ausstehenden Aktien reduzieren und künftige Dividendenanhebungen erleichtern. Die Allianz bleibt einer der Topdividendenwerte.
Deutsche Telekom
Begehrte Tochter
Mindestens 50 Cent Dividende je Aktie sollen Aktionäre des deutschen Telekomriesen für die Jahre 2016 und 2017 erhalten. Das allerdings ist nur die Untergrenze. Analysten erwarten, dass es bei der nächsten Ausschüttung 60 Cent geben wird. Angetrieben wird der Kurs der T-Aktie derzeit durch die amerikanische Mobilfunktochter. In den USA kursieren Gerüchte, dass der japanische Telekomkonzern Softbank seine Tochter Sprint mit T-Mobile US fusionieren will.
Siemens
Frischer Wind
Der Münchner Industriekonzern ist einer der heimlichen Dividendenstars in Deutschland. Seit 1987 hat Siemens die Ausschüttung immer zumindest konstant gehalten. Nach der nächsten Hauptversammlung Anfang Februar wird es 3,60 Euro je Aktie geben, für das Folgejahr kalkulieren Analysten dann mit 3,80 Euro. Im operativen Geschäft hat Siemens seinen Ruf als Pannenkonzern erfolgreich abgeschüttelt. Die operative Marge liegt am oberen Rand des Zielkorridors. Die Aktie ist ein solides Langfristinvestment.
Strategie III:
Die Masche mit dem Momentum
Gewinner bleiben Gewinner. Das ist die wahrscheinlich einfachste Börsenstrategie. Wie und warum der Trick mit dem Kurskick funktioniert.
von Sven Parplies
Das Leben muss nicht kompliziert sein. Das gilt auch für die Börse. Eine einfache Strategie hat historisch betrachtet erstaunlich gute Ergebnisse gebracht - das Momentum. Dabei folgt ein Anleger der Faustregel, dass Sieger weiter siegen und Verlierer weiter verlieren. Der Vermögensverwalter James O’Shaughnessy hat ganz genau nachgerechnet: Für die Jahre 1927 bis 2009 hat er Depots zusammengestellt, die in die besten amerikanischen Aktien der vorangegangenen sechs Monate investiert hätten. Im Schnitt hat die Strategie den breiten US-Aktienmarkt jährlich um mehr als dreieinhalb Prozentpunkte geschlagen.
Einfach die Aktien mit den höchsten Kursgewinnen der Vormonate kaufen - das klingt abenteuerlich. Finanzwissenschaftler aber haben ermittelt, dass Momentum-Strategien über mehr als 200 Jahre überdurchschnittliche Renditen erbracht hätten. Börsenpsychologen verweisen auf systematisches Fehlverhalten des Menschen: Selbst ein cleverer Anleger braucht Zeit, um die Bedeutung neuer Informationen zu erfassen. Vor allem dann, wenn diese Informationen der eigenen Meinung zuwiderlaufen. Bei von Medien und Investoren kaum beachteten kleineren Unternehmen werden Neuigkeiten oft übersehen.
Das alles kann dazu führen, dass Informationen erst über einen längeren Zeitraum in die Börsenkurse einfließen. Weil aber Erfolg sexy macht, locken erfolgreiche Aktien neue Käufer an. So verlängert sich die Aufwärtsbewegung der Kurskurve. Selbst wer spät kauft, kann also mit den Siegeraktien noch Geld verdienen.
Momentum-Strategien haben aber auch ihre Tücken. Vor allem sind sie extrem riskant. Aktien, die deutlich gestiegen sind, verlieren meist extrem, wenn der Markt auf breiter Front einbricht. Börsianer sprechen von einem Momentum-Crash. Wie so ein Absturz aussehen kann, hat die Redaktion in einer Simulation ermittelt: Für die vergangenen zehn Jahre wurde ein Depot errechnet, in dem jeweils Ende Dezember die besten zehn HDAX-Aktien der vorangegangenen zwölf Monate aufgenommen wurden. In den zehn Jahren hat das Depot den Index sieben Mal geschlagen. Auch die Gesamtperformance ist besser als der Vergleichsindex.
Die negativen Ausreißer aber wären in der Praxis schwer zu verdauen gewesen: Einzelne Aktien haben auf Jahressicht bis zu 86 Prozent an Wert verloren. Das Depot hat sich in den Jahren 2007 bis 2009, als die Börsen von der Finanzkrise erschüttert wurden, 40 Prozentpunkte schlechter entwickelt als der HDAX. Das bestätigt Kritiker, die die langfristige Rendite von Momentum-Strategien einfach nur als den Lohn eines hohen Risikos sehen.
Momentum-Crashs sind aber auch Teil des Erfolgsgeheimnisses der Strategie. Denn extrem schwache Jahre führen dazu, dass kaum ein Anleger diese Strategie konsequent umsetzt. Ein Vermögensverwalter würde vermutlich seinen Job verlieren, Privatanleger demoralisiert aufgeben. Wer aber schlechte Phasen durchsteht, wird langfristig belohnt. Das zumindest zeigen die historischen Daten.
Wie kann ein Anleger eine Momentum-Strategie konkret umsetzen? Bei einfachen Modellen kauft er beispielsweise zum Jahreswechsel jene Aktien eines Index, die über die vorangegangenen sechs oder zwölf Monate am stärksten gestiegen sind. Einige Analysen argumentieren, dass man den jeweils letzten Monat bei der Ermittlung der Performance ignoriert, also nur die ersten elf der vergangenen zwölf Monate berücksichtigt. Eine besondere Variante ist die von Robert Levy in den 60er-Jahren entwickelte Relative Stärke. Dabei wird der aktuelle Wochenschlusskurs einer Aktie mit dem Durchschnitt der Vorwochen verglichen. Je deutlicher der aktuelle Kurs über diesem Durchschnitt liegt, desto größer ist die Aufwärtsdynamik.
Auf Details achten
Wichtig ist die Haltedauer der Aktien. O’Shaughnessy hat in seiner Simulation jeweils zwölf Monate investiert. Das ist ein für Momentum-Strategien eher langer Zeitraum. Denn: Je länger eine Aktie läuft, desto stärker nutzt sich die Dynamik ab. Eine Untersuchung der Finanzwissenschaftler Wesley Gray und Jack Vogel für den US-Aktienmarkt kommt zu dem Ergebnis, dass mit einer Haltedauer von einem Monat die besten Ergebnisse erzielt werden. Da allerdings mit jeder Transaktion die Verwaltungskosten steigen, dürfte für viele Anleger eine Umschichtung alle drei Monate günstiger sein, so Gray und Vogel.Wie bei allen Kennziffern sollten Anleger auch dem Momentum nicht blind folgen, sondern es stets im Zusammenhang mit anderen Faktoren sehen. Der Topwert im HDAX war über die vergangenen sechs Monate beispielsweise mit deutlichem Abstand Siltronic. Der Kurs ist durch Übernahmespekulationen extrem nach oben getrieben worden. Sollten sich die Gerüchte nicht bestätigen, dürfte die Aktie deutlich fallen. Ruhiger läuft der Aufwärtstrend beim Spezialchemiekonzern Covestro (siehe Investor-Info unten).
Wichtig: Aufgrund der besonderen Risiken sollten Anleger nur einen kleinen Teil ihres Geldes in eine Momentum-Strategie stecken. Sinnvoll können gerade bei diesem Ansatz Stoppkurse sein. Dabei verkauft ein Anleger eine Aktie, wenn der Kurs beispielsweise zehn Prozent unter den Kaufpreis fällt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Stoppkurse bei Momentum-Strategien langfristig etwas Rendite kosten, aber den Schaden eines Momentum-Crashs begrenzen.
Investor-Info
Covestro
Vorbildlicher Trend
Ohne hektische Sprünge läuft die Aktie des Spezialchemiekonzerns nach oben. Das entspricht dem Muster eines klassischen Momentum-Werts. Unter Analysten halten sich positive und negative Einschätzungen zur Aktie die Waage. Auch das passt zum Bild eines unterschätzten Konzerns. Operativ läuft es bei Covestro gut. Im dritten Quartal hat die Bayer-Tochter die Gewinnerwartung der Analysten geschlagen. Die aktuellen Kursziele der Analysten reichen bis 70 Euro.
Evotec
Charttechnisch beschleunigt
Eine Serie guter Nachrichten hat die Aktie der Hamburger Biotechfirma in diesem Jahr nach oben getrieben. Neben neuen Partnerschaften mit Merck und der Universität Oxford erreichte Evotec bei einem Projekt mit Bayer einen wichtigen Meilenstein. Als Partner bei der Erforschung neuer Wirkstoffe erhält Evotec im Erfolgsfall Prämien und gegebenenfalls Umsatzbeteiligungen. Der Anstieg der Aktien wurde durch den Durchbruch des Widerstands bei fünf Euro beschleunigt.
RIB Software
Starke Gewinnsteigerung
Das im TecDAX notierte Unternehmen entwickelt speziell auf Bauprojekte ausgerichtete Software, die Planung und Management großer Projekte erleichtert. Der Aktienkurs hat zuletzt etwas nachgegeben, nachdem Analysten ihre Gewinnschätzungen nach den letzten Quartalsergebnissen leicht gesenkt haben. Der längerfristige Aufwärtstrend ist aber intakt. Für das kommende Jahr geht die Konsensschätzung von mehr als 20 Prozent Gewinnsteigerung aus. Die Kursziele der Analysten reichen bis 15 Euro.Ausgewählte Hebelprodukte auf 1&1
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