Euro am Sonntag-Meinung

Wahlen in Großbritannien: Vote for May and go away?

04.06.17 17:00 Uhr

Wahlen in Großbritannien: Vote for May and go away? | finanzen.net
Max Holzer

Bereits am 8. Juni müssen die Briten wieder an die Wahlurnen. Trotz der Brexit-Angst wäre ein klarer Sieg der Premierministerin May gut für die Börsen.

von Max Holzer, Gastautor von Euro am Sonntag

Es waren kleine Schockwellen, die Großbritanniens Premierministerin Theresa May am 18. April in die Welt sendete: Mit der Ankündigung von Neuwahlen hatten nur wenige Marktbeobachter gerechnet. Zum einen, weil May diese noch wenige Wochen zuvor ausgeschlossen hatte, zum anderen, weil der Wahlkampf die gerade erst gestarteten Brexit-Verhandlungen mit der Europäischen Union (EU) verzögert. Und dennoch könnten am Ende alle von diesem politischen Schachzug profitieren.

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Man konnte die Kapitalmarktteilnehmer förmlich aufstöhnen hören: noch eine Wahl. Denn mit den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und vielleicht auch Italien hält das Jahr 2017 eigentlich genug Unsicherheit erzeugende Abstimmungen parat. Nun also auch noch Großbritannien. Ein Land, das mit seinem überraschenden Brexit-Votum schon im vergangenen Jahr die Kapitalmärkte in Atem gehalten und für einige Verwerfungen gesorgt hatte. Was hat May zu diesem Schritt bewogen?

Es geht vor allem um innenpolitische Mehrheiten. Aktuell haben die konservativen "Tories" im Unterhaus nur eine hauchdünne Mehrheit von zwölf Sitzen. Die Premierministerin ist damit stark von einigen Abgeordneten abhängig, die einen harten Schnitt mit der EU wollen, koste es, was es wolle. Mays Kalkül: Ein deutlicher Sieg bei den Neuwahlen am 8. Juni soll mehr gemäßigte Konservative ins Parlament bringen - der Einfluss der strengen EU-Kritiker sinken. Damit erhielte May auch in den Verhandlungen mit der EU mehr Manövriermasse für mögliche Zugeständnisse. Die Wahrscheinlichkeit für eine einvernehmliche Trennung ohne die ganz großen Verwerfungen stiege.
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Die Chancen, dass der Plan aufgeht, stehen gut: Glaubt man britischen Demoskopen - einem Berufsstand, der auf der Insel nicht mehr den allerbesten Ruf hat -, dann dürften die Tories mit rund 47 Prozent eine komfortable Mehrheit einfahren - zehn Prozentpunkte mehr als bei den Wahlen 2015. Sie profitieren davon, dass ihr politischer Gegner, die Labour-Partei, nicht nur in der Frage des EU-Austritts völlig zerstritten ist. Die einzige wirkliche Brexit-Opposition kommt demnach von den Liberaldemokraten. Doch diese sollten laut Prognosen nicht über zehn Prozent der Sitze hinauskommen. Trotz aller Zweifel an den Zahlen - die britischen Demoskopen sind eben keine Franzosen, die zuletzt bei beiden Urnengängen eine Punktlandung hingelegt hatten - halten wir deshalb einen "Wahlunfall" in Großbritannien für unwahrscheinlich.

Politische Klarheit bedeutet
wirtschaftliche Stabilität

Es dürfte also kurzfristig keine neue Unruhe an den Kapitalmärkten aufkommen, im Gegenteil: Eine deutliche Mehrheit für die Tories sollte die letzten (innen-)politischen Unsicherheiten in Großbritannien beseitigen. Klarheit bedeutet Stabilität. Zudem könnten dann endlich auch die Brexit-Verhandlungen richtig beginnen. Ein Sondierungstreffen zwischen May und EU-Kommissionspräsident Juncker war zum Monatsanfang noch mit reichlich Irritationen über die Bühne gegangen. Nun drückt May aufs Tempo: Sie will bereits Ende Juni beim Treffen des Europäischen Rats erste Brexit-Themen verhandeln. Auch wenn der Zeitplan von EU-Vertretern als äußerst ambitioniert betrachtet wird: Nach den britischen Wahlen wird der Prozess zwangsläufig Fahrt aufnehmen.

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Allerdings: Für Euphorie am Kapitalmarkt dürfte eine reine Bestätigung der Wahlumfragen am 8. Juni nicht taugen. Zu klar sind die Positionierungen auf einen Tory-Wahlsieg ausgerichtet. So könnte der Urnengang eher indirekt für weiteren Optimismus an den Börsen sorgen: Löst sich auch dieser potenzielle Unruheherd in Wohlgefallen auf, kann der Blick wieder nach vorn gerichtet werden.

Und hier sieht es äußerst vielversprechend aus: Erstmals seit Jahren befinden sich alle wichtigen Regionen der Welt in einem synchronen Konjunkturaufschwung. Die Fundamentaldaten, insbesondere in Europa, sind gut, die Frühindikatoren noch besser. So dürfte "Vote for May and go away" nicht etwa für einen, wenn auch nur temporären, Abschied vom Kapitalmarkt, sondern eher für eine Rückbesinnung auf das Wesentliche fernab der politischen Börsen stehen.

Kurzvita

Max Holzer, Leiter Relative Return
bei Union Investment

Holzer leitet seit 2017 im Portfoliomanagement von Union Investment die Abteilung Relative Return innerhalb des neu aufgestellten Bereichs Multi Asset. Zuvor leitete er von 2004 bis 2016 die Einheit Asset Allocation. Holzer ist eines von sieben stimmberechtigten Mitgliedern des Union Investment Committee (UIC).
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit rund 300 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.

Bildquellen: Carsten Lerp/Union Asset Management Holding AG, OLI SCARFF/AFP/Getty Images