Euro am Sonntag-Meinung

Ausblick: Was in den nächsten zehn Jahren zählt

17.07.16 03:00 Uhr

Ausblick: Was in den nächsten zehn Jahren zählt | finanzen.net

Säkulare Trends sind die Ströme, die die Märkte über längere Zeiträume hinweg bewegen. Grund genug für Anleger, sich mit diesen Trends eingehend zu befassen. Ein Zehn-Jahresausblick.

von Christopher Mahon, Gastautor von Euro am Sonntag

Das Multi-Asset-Team von Barings tritt jedes Jahr einen Schritt von den Bildschirmen mit den täglichen Bewegungen auf ihnen zurück, um sich über säkulare Themen wie beispielsweise die Produktivität, die Demografie und die Verfügbarkeit von Krediten Gedanken zu machen, die die Märkte langfristig antreiben. Um die wahrscheinliche Dauer der aktuellen Lage bestimmen zu können, schauen wir uns vorangegangene Phasen finanzieller Repression an. Wir quantifizieren diese Kräfte, die anschließend mit aktuellen Marktbewertungen kombiniert werden, um erkennen zu können, wie es für jede einzelne Anlageklasse in den nächsten zehn Jahren laufen könnte.



Wie also sehen laut unserem Ansatz die Entwicklungen in den nächsten zehn Jahren aus? Die Trendraten für das Wachstum sind derzeit wesentlich niedriger als in der jüngeren Vergangenheit. So ist es beispielsweise unwahrscheinlich, dass die USA und Großbritannien reale BIP-Zuwachsraten von drei bis vier Prozent erzielen werden, wie es noch 2003 bis 2007 der Fall war.

Der Grund dafür ist, dass säkulare Veränderungen das Wachstum verlangsamen. Die demografischen Entwicklungen werden weiterhin das Wachstum in der gesamten entwickelten Welt bremsen. Auch Produktivitätszuwächse gehen in mehreren fortschrittlichen Volkswirtschaften zurück. Darüber hinaus werden strengere Kontrollen des Kreditwachstums die Investitionslandschaft belasten. Aus unseren Analysen geht eine Trendrate für das Wachstum von lediglich 2,1 Prozent für die USA und 2,0 Prozent für Großbritannien hervor.

Unternehmensanleihen bleiben
für Anleger weiter attraktiv

Unsere Wachstumsprognosen liegen allgemein unter der Konsensmeinung. Grund dafür ist, dass Institutionen wie der Internationale Währungsfonds und die amerikanische Federal Reserve das Ausmaß der sich vollziehenden säkularen Veränderungen bisher noch nicht erfasst haben. Sie haben das potenzielle Wachstum bisher immer wieder überschätzt.


Das niedrige Zinsniveau wird uns wahrscheinlich noch für eine lange Zeit begleiten. Die Konsequenzen der Kombination aus einem niedrigeren BIP-Trend und einer Finanzrepression sind längerfristig niedrigere Geldmarktzinsen und auch Anleiherenditen.

Wir gehen für das Jahr 2026 von einem Geldmarktsatz in GBP von lediglich 2,5 Prozent und einer Rendite für zehnjährige britische Staatsanleihen von nur 3,7 Prozent aus. Die Renditen für US-Anleihen dürften mit 3,6 Prozent nur unwesentlich geringer ausfallen - der Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass die USA in der Regel eine geringere Inflationsprämie verlangen, als es am Markt für britische Staatsanleihen der Fall ist. Entsprechend dieser Prognosen wird der Rentenmarkt das Rendite­niveau des letzten Zyklus in den kommenden zehn Jahren nicht erreichen.


Die Märkte für Unternehmensanleihen haben vom Staatsanleihemarkt ­wenig zu befürchten und entwickeln sich entsprechend gut. Das derzeitige Spread-Niveau dient als gutes Polster für die Erträge, sogar unter Einbeziehung der wahrscheinlichen Ausfallrate.

Die Aktienerträge werden von drei Quellen herrühren. Erstens von dem guten Niveau der Dividendenrenditen, vor allem außerhalb der USA. Zweitens wird sich die Rentabilität verbessern, auch hier wieder außerhalb der USA. Drittens wird das Umsatzwachstum im Zuge der Ausweitung des nominalen BIP positiv sein. Der US-Markt wird sich schwertun, da die Gewinnspannen bereits am oberen Ende liegen und das Ausgangs­niveau der Dividendenrenditen niedrig ist. Der Markt ist außerdem teuer.

Die besten Anlagechancen für das kommende Jahrzehnt bieten daher unserer Ansicht nach britische, japanische und Schwellenländeraktien. Der US-Markt, der in den letzten Jahren kräftig zulegte, dürfte sich im gleichen Zeitraum wahrscheinlich mäßiger entwickeln. Da sich die Gewinnspannen bereits auf zyklischen Höchstständen befinden, könnten US-Unternehmen im Zuge steigender Zinsen unter einer leichten Margenerosion leiden. Demgegenüber deutet unsere Analyse darauf hin, dass die in Großbritannien vorhandenen Dividendenrenditen höher sind als in jeder anderen großen Region, was die Aktienkurse antreiben dürfte.

In Japan gehen wir davon aus, dass die Auswirkungen der Abenomics in den kommenden Jahren sichtbar werden dürften. Infolgedessen dürfte sich die Unternehmensrentabilität an andere Regionen anpassen. Zwar wird aus Japan nicht über Nacht ein von Aktionären getriebener Markt - aber wenn das Land den Abstand zur Kultur in Europa schließen könnte, wäre das ein deutlicher Wendepunkt in der Entwicklung der Rentabilität.

Schwellenländeraktien sind auf ein relativ günstiges Niveau gesunken. Sie profitieren immer noch von vorteilhaften längerfristigen Trends, beispielsweise in Form eines guten demografischen Profils. Aufgrund der schwachen Corporate Governance dürften Aktieninhaber allerdings über das kommende Jahrzehnt hinweg unter einer stärkeren Verwässerung der Erträge leiden. Anleger müssen für sich selbst entscheiden, ob der Renditeaufschlag, den Schwellenländer derzeit bieten, das zusätzliche Risiko rechtfertigt.

Immobilien als Beimischung
im Depot ergeben Sinn

Die Schwäche des britischen Pfund der letzten zwei Jahre sorgte weitestgehend für eine Neutralisierung unserer seit Längerem bestehenden Einschätzung einer Überbewertung gegenüber dem US-Dollar. Euro und Yen dürften sowohl aufgrund ihrer günstigen Ausgangspunkte als auch wegen der deutlichen Leitungsbilanzüberschüsse in den entsprechenden Regionen moderat aufwerten. Diese beiden Faktoren zusammengenommen erhöhen die Attraktivität japanischer und europäischer Vermögenswerte zusätzlich.

Unser Zehnjahresausblick basiert auf zwei entscheidenden Gedanken: Erstens ist Wachstum wahrscheinlich, aber wesentlich geringer als vor zehn bis 20 Jahren. Und zweitens bleibt Finanzrepression weiter bestehen. Diese Einschätzung geht mit moderaten, aber immer noch positiven Aktienrenditen einher. US-Hochzinsanleihen und Schwellenländeranlagen dürften als Gewinner hervorgehen, allerdings aus sehr unterschiedlichen Risikoperspektiven.

Aufgrund der niedrigen Renditen an den Anleihemärkten stellt sich eine Diversifizierung schwieriger dar. Unserer Einschätzung nach dürften Anleihe­renditen jedoch nicht allzu stark zulegen, weshalb wir für ein Engagement in der Anlageklasse nicht erst auf einen massiven Ausverkauf warten werden. Insofern sind Immobilien unsere bevorzugte Anlage zur Diversifizierung.

Kurzvita

Christopher Mahon, Director of Asset
Allocation Research Baring Multi Asset Group

Mahon absolvierte sein Studium an der Cambridge University und hält einen CFA. Als Mitglied der Strategic Policy Group ist er zudem für die globale Asset ­Allocation der verschiedenen Multi-Asset-Mandate verantwortlich.
Zudem verantwortet er auch den Baring Multi Asset Fonds. Die Geschichte von Barings reicht bis in das Jahr 1762 zurück.

Bildquellen: Baring Asset Management GmbH, AR Pictures / Shutterstock.com