Euro am Sonntag-Interview

Diebold-Chef Mattes: "Eine Welt ohne Bargeld ist Illusion"

13.11.16 12:10 Uhr

Diebold-Chef Mattes: "Eine Welt ohne Bargeld ist Illusion" | finanzen.net

Der Chef des weltweit zweitgrößten Geldautomaten-Herstellers Diebold brachte den Konzern aus Ohio mit Wincor Nixdorf zusammen. Der Franke mit US-Pass über die künftige Rolle von Bargeld.

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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Bankfilialen sind teuer. Zwei bis vier Millionen Dollar kostet eine neue Zweigstelle in den USA im Schnitt - und danach 200 bis 400 Millionen pro Jahr, um sie zu betreiben. Seit 2009 wurden in Amerika sechs  Prozent der Filialen geschlossen.



Für Diebold-Chef Andy Mattes wird es daher schwieriger, das Geschäft auf dem Heimatmarkt USA auszubauen. Die Amerikaner sind weltweit die Nummer  2 bei Geldautomaten. Nur US-­Wettbewerber NCR ist noch größer. Im Februar 2015 traf sich der in Nürnberg geborene Diplom-Kaufmann deshalb mit Eckard Heidloff. Während eines Abendessens bei Käfer in München sondierte Mattes mit dem Chef von Wincor Nixdorf die Chancen für eine Fusion mit der Nummer 3. Ende September segneten die Aktionäre den Deal ab.

Die Amerikaner halten 77 Prozent der Anteile und kontrollieren das Geschäft der Paderborner. Die verbliebenen Aktionäre von Wincor Nixdorf sollen ab 2018 jährlich 3,13 Euro Dividende pro Aktie erhalten. Sie können ihre Papiere auch jederzeit zu 55,02 Euro Diebold ­andienen. Faktisch sei die Beteiligung der Minderheitsaktionäre "ein Darlehen mit gut fünf Prozent Verzinsung", sagt Mattes. Die Kreditlinien der neuen Gesellschaft Diebold Nixdorf würden dadurch nicht belastet, versichert der Chef. Jetzt wird integriert. Beide Konzerne seien auf eine Nische mit mehr als 200 größeren Banken und etwas mehr als 100 größeren Einzelhändlern, eine Spezialität von Wincor, ausgerichtet. "Die Kundenanforderungen in den Märkten sind ähnlich. Das vereinfacht den Zusammenschluss", sagt Vorstandschef Mattes.


Der Kaufmann, seit 2013 Boss von Diebold, lebt seit knapp 30 Jahren in den USA. Die Kulturen in amerikanischen und deutschen Firmen kennt er gut. Der Druck, die Quartalsziele zu erreichen, werde für die deutsche Seite größer, im Gegenzug profitiere die US-Seite von der besseren Strukturierung der Prozesse bei Wincor, sagt der Franke mit US-Pass.

€uro am Sonntag: Herr Mattes, Diebold Nixdorf geht von einer wachsenden Anzahl von Geldautomaten und mehr Bargeld aus. Ökonomen diskutieren derweil Szenarien ohne Bargeld. Ist das kein Denkansatz für Diebold?
Andy Mattes:
Eine Welt ohne Bargeld ist eine Illusion. Seit Einführung des Euro steigt die Anzahl der Geldscheine, die im Umlauf sind, kontinuierlich an. Im Vergleich zu 2003 sind heute doppelt so viele Scheine im Umlauf. Im vergleichbaren Zeitraum ist die Anzahl der Dollar-Geldscheine um 50 Prozent gestiegen. Sicher wird diese Entwicklung über die Zeit schwächer, vermutlich aber erst in zehn bis 20 Jahren.


Diebold Nixdorf vertraut auf die herkömmliche Zahlungsweise?
Sie ist eine großartige Absprungbasis. Von dieser Basis aus verbinden wir die physische mit der digitalen Welt des Geldes. Weltweit haben drei Viertel der Menschen ein Mobiltelefon, aber erst weniger als die Hälfte ein Bankkonto. Ich bin überzeugt davon, dass wir bei ­digitalen Brieftaschen auf den Handys, den sogenannten Mobile Wallets, eine ähnliche Entwicklung sehen werden, wie bei wieder aufladbaren Prepaid-­Karten für Mobiltelefone. Hier bieten sich neue Möglichkeiten: Die Scheine werden in den Geldautomaten eingegeben, auf das Handy geladen, um mit der digitalen Brieftasche dann zu bezahlen.

Warum sollte jemand solche umständlichen Transaktionen durchführen?
Das Beispiel zeigt das Kreativpotenzial in der Kombination von physischer und digitaler Bezahlwelt. Sie können heute schon Transaktionen auf dem Handy vorbereiten, um sie am Geldautomaten auszuführen. Aber es gibt zum Beispiel weltweit auch viele Kleinunternehmer, die ihr Geld an Automaten einzahlen. Häufig läuft dieser Prozess gerade in Amerika noch sehr archaisch ab. Dort haben Banken sogenannte Night Drops, wo zum Beispiel ein Angestellter einer Pizzeria das Geld in einen Safe einwirft. Dann lässt sich die Bank mit der Gutschrift 24 bis 48 Stunden Zeit. Bei unseren neuen Systemen nehmen Sie das gleiche Geld, werfen es in Automaten, es wird sofort gezählt, ein Beleg wird erstellt und das Geld Ihrem Konto ohne Verzögerung gutgeschrieben. Diese ­Automatisierung des Geldflusses ist für uns weltweit ein großer Markt.

Ihre Branche ist abhängig von Geld­automaten. Wie wollen Sie in der digitalen Welt gegen Onlinebezahldienste wie Paypal oder Wirecard bestehen?
Wir werden selbst keine Payment-Plattform wie diese Firmen anbieten. Aber wir liefern Einzelhändlern ein Payment Gateway: Software, die alle Bezahlmöglichkeiten an einer Kasse zusammenfasst - bis zur Abrechnung der Kreditkarten verschiedener Anbieter. Firmen wie Wirecard sind keine Konkurrenz, sondern eine Alternative, die wir in der Software berücksichtigen.

Wird Diebold Nixdorf künftig Softwarefirmen übernehmen?
Gut möglich. Zunächst haben wir aber die Softwareentwicklung in diesem Bereich unter dem Namen Aevi als Start-up von den Strukturen des Konzerns befreit und lassen zwei, drei Dutzend Programmierer Software entwickeln. In Australien bieten wir zusammen mit einer Bank allen Restaurants eine Lösung für den mobilen Zahlungsverkehr an. Der Gast kann über das gleiche Gerät seine Rechnungen bezahlen und vor dem Weggehen auch sein Taxi bestellen. In dieser Hinsicht sind Einzelhändler innovationsfreudiger als Banken.

Woran liegt das?
Bei den Banken sind die Vorschriften nach der Finanzkrise strenger und sehr viel komplexer geworden. Händler können schneller reagieren, weil es ihr eigenes Risiko ist. Davon können wir als Diebold Nixdorf profitieren. Vor dem Zusammenschluss war Diebold im Einzelhandel nicht präsent.

Was erledigen die Kassensysteme von Nixdorf zum Beispiel für weltweit aufgestellte Einzelhändler wie Ihren Großkunden Ikea?
Im Handel will der Konsument entscheiden, wie er bezahlt. Gleich, ob mit Bargeld, Karte oder möglicherweise auch aus einer digitalen Brieftasche, einer Mobile Wallet. Das machen wir möglich. Wir helfen Ikea mit unserer Software, diese Komplexität beim Bezahlen in weltweit 320 Filialen zu beherrschen.

Was sind Ihre Ziele im für Sie neuen ­Geschäftsfeld Einzelhandel?
Wincor Nixdorf ist in Europa sehr stark. Alle großen Einzelhändler sind hier ­unsere Kunden. Die Expansion auf dem US-Markt ist dagegen nicht voran­gekommen. Aus Sicht der US-Einzelhändler fehlten die Serviceteams. Mit Wincor-Nixdorf-Technologie und Diebolds Servicemannschaft sind wir dort viel besser aufgestellt. Rund 6.000 Servicemitarbeiter können wir bald auch im Handel einsetzen. Wir haben schon mit intensiven Schulungen begonnen, um jedem Einzelhändler in Süd- und Nordamerika die Wartung seiner Kassensysteme anbieten zu können. Das verbessert unsere Stellung deutlich.

Diebold plant einen Onlineshop für Apps. Wie funktioniert das, wer schreibt die Programme?
Wir stellen die Onlineplattform, die Schnittstellen und Softwarebaukästen für Entwickler sowie einige Basis-Apps zur Verfügung. Ein Beispiel ist die App Cash in Transit. Die Software weiß, wie das Geld in den Automaten geliefert und dort verwaltet wird und rechnet aus, wann das Gerät mit Geld versorgt werden muss. Diese App kann von anderen erweitert oder verändert werden.

Was wollen Sie mit Apps erreichen?
Dass die Geldautomaten so häufig und intensiv wie möglich genutzt werden. Deshalb öffnen wir die Software für Entwickler, um beispielsweise künftig auch Apps für Banken zur Verfügung stellen zu können. Darüber können Produkte wie Kredite vermarktet werden.

Woher bekommt Ihr Konzern die Nutzer-Informationen?
Das ist von Bank zu Bank verschieden. Die Institute erhalten von uns entweder die entsprechende Software oder wir analysieren die Daten für die Banken und liefern die Auswertungen ab. Personenbezogene Daten liegen dabei immer bei den Kunden, den Banken.

Wie läuft es mit Kundendaten im Einzelhandel?
Dort haben wir bis auf Ausnahmen wie Bonusprogramme keinen Zugriff auf personenbezogene Daten. Einzelhändler sehen in den Daten einen Wettbewerbsvorteil, den nur sie selbst auswerten wollen.

Apple hat Siri, Microsoft Cortana. Werden auch Geldautomaten eine digitale Spracheingabe bekommen?
Ich kann mir digitale Assistenten sehr gut vorstellen. Da es in unserem Geschäft besonders wichtig ist, die Privatsphäre der Bankkunden zu schützen, wird unser Assistent aber wohl stumm bleiben und sich auf Chats auf dem Bildschirm beschränken. Eine Anwendung haben wir ­gerade auf der Messe Money 2020 in Las Vegas vorgestellt.

Was macht Geldautomaten schlau?
Vor allem die vielen Sensoren. Und ein komplexer Mechanismus, um Geld ein- und auszubezahlen, der Computer und ein Safe für das Geld. Über Sensoren teilt uns der Automat viel mit. Wir wissen bei bestimmten Funktionsmustern der Ein- und Ausgabemechanismen im Voraus, dass ein Problem mit der Maschine bevorsteht. So können wir Tech­niker vorbeischicken, bevor der ­Automat ausfällt. Mit den neuesten Modellen garantieren wir die Funktionsfähigkeit rund um die Uhr.

Also ist Diebold Nixdorf und nicht die Bank dafür verantwortlich, dass die Automaten funktionieren?
Ja. Sollte ein Geldautomat in einer Bank stillstehen, so ist das gesamte Geschäft einer Filiale betroffen. Daher garantieren wir in Serviceverträgen eine Verfügbarkeit der Automaten von etwa 99 Prozent, also rund um die Uhr. Mit Wincor Nixdorf ­haben wir über 15.000 Servicemitarbeiter, die größte Mannschaft in der Branche. Gemeinsam haben wir fast jeden dritten von weltweit 3,5 Millionen Automaten aufgestellt. Damit sind wir der wichtigste Anbieter in diesem Bereich.

Sie warnen vor einem starken Wettbewerb aus Asien.
Wir meinen damit, dass jedes Hardwaregeschäft - von Computern bis zu Geldautomaten - harter Konkurrenz aus Asien ausgesetzt ist. Der Schwerpunkt in unserer Wertschöpfung müssen Software und Dienstleistungen sein. In der Branche ist, ähnlich wie im Smartphonemarkt, nur Platz für zwei Softwareplattformen. Im Mobilfunkmarkt sind das Alphabets Android und Apples iOS. Bei Geldautomaten werden Diebold Nixdorf und NCR für die Standards sorgen. Für einen dritten Spieler ist kein Platz mehr.

Warum werden Geldautomaten nicht wie Computer und Handys von Auftragsfertigern hergestellt?
Die Entwicklung und Konfiguration der Systeme ist ein Wettbewerbs­vorteil. Bei Geldautomaten hat fast jedes Land eigene Bestimmungen. Dies und die regulatorischen Vorgaben erfordern ein spezifisches Know-how.

Was bedeutet das für die Logistik?
Ein Automat wiegt etwa 800 Kilo. Deshalb sind lange Transportwege für uns unwirtschaftlich. Wir werden daher immer mindestens ein Werk in Asien, in Europa und in Amerika betreiben.

Vita:

Weltläufiger Franke
Seit Juni 2013 ist der Diplom-Kaufmann Chef des US-Geldautomatenherstellers Diebold. Vor fast 30 Jahren ging Mattes (55) für Siemens nach Amerika und arbeitete später auch für den US-Computer­konzern Hewlett-Packard. Der gebürtige Nürn­berger lebt mit ­seiner Frau Andrea und ­drei Kindern in ­Gates Mills in der Nähe von Cleveland im US-Bundesstaat Ohio.

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Bildquellen: Chris Sorensen/Diebold Nixdorf, Wincor Nixdorf

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