Euro am Sonntag

Facebook, Twitter, Instagram & Co.: Social Media-Schlacht um Wahrheiten

24.03.22 10:00 Uhr

Facebook, Twitter, Instagram & Co.: Social Media-Schlacht um Wahrheiten | finanzen.net

Facebook, Twitter & Co werden im Ukraine-Konflikt als Waffe eingesetzt. Auch in der Krise läuft das Werbegeschäft.

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von Florian Hielscher, Euro am Sonntag

Per Videobotschaft wandte sich Wolodymyr Selenskyj an sein Volk: "Im Internet sind viele gefälschte Informationen aufgetaucht, in denen behauptet wird, ich hätte unsere Armee aufgefordert die Waffen niederzulegen, dass eine Evakuierung läuft. Nun, ich bin hier, wir werden die Waffen nicht niederlegen." Als Reaktion auf russische Aussagen, er habe das Land bereits verlassen, verbreitete er das Video über die sozialen Medien. Auf der Foto- und Videoplattform Instagram erhielt es mehr als 12,7 Millionen Aufrufe.

Im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland richtet sich der ukrainische Präsident regelmäßig per Video oder Kurznachricht an seine Landsleute, spricht ihnen Mut zu und zeigt, dass er sich nicht versteckt. Der 44-Jährige hat die immense Bedeutung von Social Media gerade im Krieg mit Russland erkannt, er erreicht ein Millionenpublikum.

Raum für Falschmeldungen

Bilder, Videos und Botschaften aus der Krisenregion gelangen über Dienste wie Facebook, Tiktok oder Instagram fast in Echtzeit in die Welt. Die schnelle und ununterbrochene Nachrichtenflut birgt aber auch Probleme: Informationen können kaum überprüft werden. Dies machen sich die verschiedenen Parteien zunutze, verbreiten gezielt Falschmeldungen. Propaganda und Berichterstattung vermischen sich, Angaben, etwa zur Zahl getöteter Soldaten, unterscheiden sich je nach Quelle oder werden schnell von der Gegenseite dementiert.

Trotz der vielen Aktivitäten ist der Ukraine-Konflikt auch eine Belastung für die Social-Media-Unternehmen. Denn viele Dienste haben sich ganz oder teilweise aus Russland zurückgezogen. Der Gründer und Konzernchef von Meta Platforms wurde soeben direkt von einem ukrainischen Politiker angesprochen: "Mark Zuckerberg! Während Sie das Metaversum erschaffen, zerstört Russland das reale Leben in der Ukraine. Wir fordern, dass Benutzern aus Russland der Zugriff auf Facebook und Instagram verweigert wird, während ihre Panzer unsere Kindergärten und Krankenhäuser zerstören", wandte sich Mykhailo Fedorov, Digitalminister der Ukraine, per Twitter an Zuckerberg.

Der Kurznachrichtendienst sperrte die Profile der russischen Staatsmedien RT und Sputnik, Alphabet stoppte sein Werbegeschäft in Russland. Andere Plattformen wollten russische Staatsmedien daran hindern, Anzeigen zu schalten und Einnahmen zu generieren. Präsident Putin reagierte seinerseits, er ließ die Plattformen Facebook und Twitter in Russland blockieren.

Wachsendes Werbegeschäft

Die Russland-Aktivitäten liefern zwar nur einen Bruchteil vom Gesamtumsatz der Konzerne, dennoch leidet temporär das Werbegeschäft. Social-Media-Unternehmen verdienen ihr Geld vor allem mit gezielter Werbung und der Verwertung von Nutzerdaten. Generell aber ist Werbung auf Social Media ein riesiger, stark wachsender Markt. Prognosen gehen für die nächsten Jahre von teils zweistelligen Wachstumsraten bei den Ausgaben für Werbung auf diesen Kanälen aus. Bis 2025 könnten diese laut Schätzungen von Statista weltweit um beinahe die Hälfte auf knapp 190 Milliarden Euro ansteigen.

Abgesehen vom eingeschränkten Russland-Geschäft bringt die hohe Aktivität auf den Plattformen in Osteuropa positive Effekte für die Betreiber: Nach Einschätzung von Trip Chowdhry, Analyst bei Global Equities Research, habe der Konflikt in der Ukraine die Nutzeraktivitäten bei den Plattformen von Meta, Twitter und Alphabet um drei bis fünf Prozent erhöht. Zu Meta Platforms, kurz Meta, gehören unter anderem Facebook und Instagram. Die Videoplattform Youtube steuerte zuletzt zehn Prozent des Konzernumsatzes des Mutterkonzerns Alphabet bei. Laut Chowdhry weist Youtube die höchsten Aktivitätszuwächse durch den Krieg in Osteuropa auf, gefolgt von Facebook und Twitter.

Im wachsenden Werbemarkt wird die Videoplattform durch den Anstieg der Aktivitäten auch für Werbetreibende interessanter und damit wertvoller. Analysten der US-Investmentbank Needham & Company rechneten unlängst vor, Youtube könnte bei einem möglichen Börsengang mit 640 Milliarden Dollar bewertet werden. Die Analysten begründeten ihre Schätzung unter anderem mit der von der Börse unterschätzten Bedeutung von Youtube im Vergleich zu größeren Geschäftsbereichen von Alphabet wie den Google-Diensten. Mit den geschätzten über 600 Milliarden Dollar wäre Youtube allein mehr wert als Meta Platforms. Der Konzern, zum dem neben Instagram und Facebook auch Whatsapp gehört, fuhr 2021 mehr als 117 Milliarden Dollar an Umsätzen ein und zählt laut Unternehmensangaben aktuell 2,82 Milliarden tägliche Nutzer.

Anhaltende Bedrohung

Wladimir Putin ist sich der Bedrohung seiner Diktatur durch die riesige Nutzerzahl, die die Inhalte in sozialen Medien erreichen, bewusst. Um den Informationsfluss noch besser kontrollieren zu können, erließ er ein neues Mediengesetz, das angebliche Falschinformationen über russische Streitkräfte mit Gefängnisstrafen von bis zu 15 Jahren sanktioniert. Dadurch werden auch Aktivitäten auf Social Media eingeschränkt. Das Auswärtige Amt Deutschlands warnt auf seiner Internetseite, private Äußerungen in sozialen Medien könnten nach dem neuen russischen Gesetz ebenfalls mit unberechenbaren persönlichen Risiken verbunden sein. Man rate zu äußerster Zurückhaltung oder alternativ zur Ausreise.


INVESTOR-INFO

Alphabet

Gigant mit Wachstumsperlen

Die Konzerntochter Youtube ist eine der erfolgreichsten Social-Media-Plattformen der Welt. Weitere Geschäftsbereiche sind die Google-Dienste oder das Cloud-Geschäft. Kursfantasie bringt das Tochterunternehmen Waymo, das Technologien im Bereich autonomes Fahren entwickelt. Jüngst übernahm Alphabet das IT-Sicherheitsunternehmen Mandiant für 5,4 Milliarden Dollar. Der kommende Aktiensplit (1:20) könnte die Aktie für Anleger noch attraktiver machen.

Meta Platforms

Günstiges Plattformpaket

Facebook, Instagram, Whatsapp: Der Meta-Konzern verfügt über soziale Plattformen mit insgesamt 2,8 Milliarden Nutzern weltweit, das macht Meta zur globalen Nummer 1. Das Metaverse bietet Fantasie, Chef Zuckerberg will im künftigen virtuellen Universum eine Schlüsselrolle einnehmen. Das Nutzerwachstum geht zurück, auch die Werbeeinnahmen durch neue Privatsphäre-Richtlinien etwa bei Apple. Riskant.

Twitter

Noch im Abwärtstrend

Der Abwärtstrend der Aktie hält an, dabei waren die für 2021 vorgelegten Zahlen solide: Umsatzanstieg von 37 Prozent, dazu Bestätigung der Wachstumsziele für 2023. Demnach soll die Zahl der monetarisierbaren Nutzer von 217 Millionen auf 315 Millionen ansteigen. Von Bloomberg befragte Analysten erwarten ab 2023 ein positives Ergebnis je Aktie. Anleger warten bei Twitter eine nachhaltige Bodenbildung ab.




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Bildquellen: Annette Shaff / Shutterstock.com, Fenixx666 / Shutterstock.com

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