Euro am Sonntag-Einschätzung

Südeuropäische Banken wanken: Wo Licht und wo Schatten ist

15.06.17 03:00 Uhr

Südeuropäische Banken wanken: Wo Licht und wo Schatten ist | finanzen.net

Geldhäuser in Italien und Spanien kämpfen mit den Spätfolgen der Krise und neuen politischen Risiken. Für spekulative Anleger sind manche Institute einen Blick wert.

von Birgit Haas, €uro am Sonntag

Zum ersten Mal seit der Finanzkrise lösen die Europäer eine Bank auf - ohne Geld der Steuerzahler. Diesmal lautet die Methode Zwangsverkauf. Für einen symbolischen Euro ging in der Nacht zum vergangenen Mittwoch die Banco Popular Espanol unter Aufsicht der Bankenabwicklungsbehörde SRB und der EU-Kommission an die ebenfalls spanische Santander Bank.



Die Banco Popular hatte jahrelang die Brisanz fauler Immobilienkredite in Höhe von 37 Milliarden Euro im Buch unterschätzt. Nachdem sich kein freiwilliger Käufer gefunden hatte und die Bank vor der Zahlungsunfähigkeit stand, entschied SRB-Chefin Elke König, das seit 2016 geltende Gesetz zur Auflösung von Pleitebanken anzuwenden.

Es brodelt mal wieder in der südeuropäischen Bankenbranche. Nicht nur die Banco Popular leidet. Wenige Tage zuvor hatte die EU Staatshilfe über rund sechs Milliarden Euro für die italienische Krisenbank Monte dei Paschi genehmigt. Nichtsdestotrotz zählen die Banken in Europas Süden zu den Favoriten der Investoren. "Den größten Beitrag zur jüngsten Wertentwicklung unseres Portfolios brachten Finanzwerte", sagt etwa Richard Hodge, Fondsmanager bei Nomura.


Dynamischer als der Markt
Während in Nordeuropa die meisten Institute gut kapitalisiert sind und von einem stabilen Wirtschaftswachstum profitieren, ist das Bild im sonnigen Süden kontrastreicher. Es gibt viel Schatten, aber auch Licht. Zu den Outperformern zählt auch Investor Hodge die Banco Santander. Das Haus hatte für 2016 einen Gewinn von 6,2 Milliarden Euro vorgelegt.

Auch der Start ins laufende Jahr lief mit 1,9 Milliarden Euro Quartalsgewinn bis Ende März gut. Anders als Banco Popular hat Santander potenziell ausfallgefährdete Kredite konsequent abgearbeitet. Die Bank profitiert davon und muss weniger zur Sicherheit zurücklegen. Ein Sparprogramm soll 2019 abgeschlossen sein. Die Maßnahmen wirkten sich bereits in den zurückliegenden Bilanzen aus.


Sparen sei ohnehin das Geheimrezept für die Branche, sagt HVB-Analyst ­Sebastian Bleser: "Der Bankensektor hat in den zurückliegenden Jahren durch drastische Filial- und Stellenstreichungen kräftig an der Kostenschraube gedreht." Die meisten Analysten gehen seit Herbst 2016 von einer Trendwende bei der Kursentwicklung aus. Im Konsens trauen sie den Banken 2017 ein höheres Kurswachstum als dem Gesamtmarkt zu. Ein Grund: Die Aktien sind historisch niedrig bewertet.

Die Übernahme der Banco Popular zum Spottpreis allerdings dürfte vielen Aktionären der Spanier nicht schmecken. Denn hierdurch wird das mühsam abgespeckte Portfolio an faulen Krediten mit einem Schlag wieder erhöht. Um die Risiken abzudecken, hat die Bank bereits eine Kapitalerhöhung über sieben Milliarden Euro für Juli angekündigt. An Kosten für die Integration von Banco Popular veranschlagt der spanische Konzern 1,3 Milliarden Euro.

Der Notkauf könnte auf lange Sicht aber durchaus Sinn ergeben. "Die Marktanteile, gerade im vergleichsweise rentablen Mittelstandsgeschäft, werden mehr als verdoppelt", sagt Oliver Piquardt, Analyst der DZ Bank. Das stärke die Bank im Heimatmarkt und lindere die Abhängigkeit von der bisher stärksten Gewinnquelle, Brasilien. Ab 2019 erwartet Piquardt durch den Zukauf zudem ein Gewinnplus von 500 Millionen Euro jährlich.

Neben Santander hatte auch die Banco Bilbao (BBVA) für Banco Popular geboten. Der kleinere Wettbewerber hat sich ebenfalls gemausert: Zum Nettogewinn von 1,2 Milliarden Euro im ersten Quartal - ein Plus von knapp 70 Prozent zum Vorjahr - haben bis auf die Immobiliensparte alle Segmente beigetragen. Die Vorsorge für faule Kredite ist rückläufig.

Weitere Parallele zu Santander: BBVA macht mit 80 Prozent den Großteil der Umsätze im Ausland. Mexiko ist mit 41 Prozent die stärkste Gewinnquelle. Zuletzt profitierte das Haus von der Erholung des Peso. Trotz des Risikos von Handelsbeschränkungen durch US-Präsident Donald Trump schätzen etwa die Analysten von JP Morgan Chase die Ertragslage hier als stabil ein.

Sparen war auch bei Italiens Unicredit angesagt. Zuletzt überrasche sie mit einem Gewinnsprung von 42 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 907 Millionen Euro. Die Mutter der Münchner ­HypoVereinsbank (HVB) hatte noch 2016 einen Verlust von zwölf Milliarden Euro eingefahren. Doch im neuen Jahr greifen die Maßnahmen von Chef Jean Pierre Mustier: 6500 Stellen streicht der 56-jährige Franzose, dazu verkaufte er Anteile der polnischen Bank Pekao, der Onlinebank Fineco und die Fondstochter Pioneer. Im Februar hat die Unicredit mit einer Kapitalerhöhung über 13 Milliarden Euro bilanzielle Lücken gestopft. Und im Juni erhält der italienische Marktführer eine Sonderdividende der HVB über drei Milliarden Euro.

Unicredit übt Zurückhaltung
Zukäufe aber sind derzeit ausgeschlossen. Auch bei der Rettung von Monte dei Paschi etwa springt die Unicredit nicht ein. Stattdessen fängt der italienische Staat mit jüngst erhaltener Erlaubnis der EU-Kommission das 1472 gegründete Traditionshaus mit rund sechs Milliarden Euro auf. Zu wackelig sind die Beine, auf denen die Unicredit steht.

Vorstandschef Mustier glaubt, dass der Umbau der Bank noch Jahrzehnte dauern wird. Der Chef wirbt um Investoren: "Machen Sie sich um Unicredit keine Sorgen. Wir haben gerade erst 17,7 Milliarden Euro an ausfallgefährdeten Krediten zu einem guten Preis verkauft. Wir können das", sagt der Banker selbstbewusst. Bald könnte die Unicredit genauso wie Konkurrent Intesa Sanpaolo jedoch dazu gezwungen werden: Die italienische Regierung will den beiden zwei zum Verkauf stehende venezianische Banken zwangsverkaufen.

Auch Intesa Sanpaolo, Italiens zweitgrößte Bank nach Unicredit, hat sich berappelt: Mit einem Gewinn von 901 Millionen Euro im ersten Quartal des Jahres hat das Institut die Analystenerwartungen übertroffen.

Worauf alle Häuser wenig Einfluss haben, sind indes die anstehenden Neuwahlen, die noch im Herbst stattfinden könnten. In Umfragen führt die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung, die ein Referendum über die EU-Mitgliedschaft Italiens angekündigt hat. Wäre ein "Italeave" die Folge, so würde das nicht nur die Kreditbranche erschüttern.

Investor-Info

Unicredit
Aufbruch aus der Krise
Bis 2020 will der italienische Marktführer Unicredit einen Nettogewinn von 4,7 Milliarden Euro vorlegen. Ambitionierte Ziele für eine Bank, die im vergangenen Jahr noch einen Rekordverlust verbuchen musste. Doch seit Anfang des Jahres steigen die Erträge, die Kosten sinken. Für Anleger, die auf einen europafreundlichen Ausgang der Italien-Wahl setzen, ist die Unicredit-Aktie eine günstige Option. Eine Dividende soll 2018 auch wieder ausgeschüttet werden. Spekulativ.

Santander
Zurückgeworfen
Die Übernahme der Banco Popular zwingt die profitable Santander Bank zu einer Kapitalerhöhung und erneut zum Abbau fauler Kredite. Das wirft die Bank zurück. Doch durch den enormen Zuwachs im Mittelstandsgeschäft und geringeren Wettbewerb in ­Spanien dürfte sich der Notkauf langfristig auszahlen. Die Kapitalerhöhung im Juli sollten Anleger aber noch abwarten.

BBVA
Unauffällig erfolgreich
Die Banco Bilbao ist neben dem Heimatmarkt vor allem in der Türkei und Mexiko aktiv. Die Ertragsentwicklung der Spanier ist stark, die Zahlen übertreffen regelmäßig die Analysten­erwartungen. Bei der Digitalisierung ist die BBVA Pionier, das Haus verkauft als eines der ersten auch Kundendaten. Mittelfristig können Anleger auf Kursgewinne der günstigen Aktie setzen. Die Dividendenrendite ist erstaunlich hoch. Attraktive Beimischung.

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