Euro am Sonntag-Einschätzung

Autoaktien: Ein Stern auf Abwegen

29.07.17 10:20 Uhr

Autoaktien: Ein Stern auf Abwegen | finanzen.net

Der Dieselmotor kommt immer stärker in Verruf. Hat auch Daimler bei den Abgaswerten geschummelt? Die Branche arbeitet fieberhaft an Lösungen für das Miefproblem. Es gibt allerdings auch Gewinner.

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von Florian Westermann, Euro am Sonntag

Sparsam im Verbrauch, günstig im Unterhalt und vermeintlich umweltfreundlich - mit diesen Argumenten überzeugte die deutsche Autoindustrie vor allem Geschäftskunden von der Dieseltechnologie. Erst die ­illegalen Machenschaften von Europas größtem Autobauer Volkswagen, der heimlich Abschaltvorrichtungen verbaut hatte, setzten dem Boom ein Ende. Wasser auf die Mühlen der ­Dieselskeptiker ist die Vermutung, dass nicht nur VW getrickst hat. Auch bei Audi, Citroën, Daimler, Fiat, ­Peugeot oder Porsche sind die Ermittler unterwegs.



Der jüngste Vorwurf: Daimler hat mehr als eine Million Dieselfahrzeuge mit einer Software ausgestattet, um auf dem Prüfstand zu bestehen. Die Anschuldigungen rufen die Politik auf den Plan. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe lud Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) Vertreter von Daimler zu einer "Sondersitzung" nach Berlin. Daimler-Chef Dieter Zetsche kam offenbar unter Zugzwang und leitete einen massiven Rückruf ein. Insgesamt drei Millionen Mercedes-Benz-Pkw in Europa mit Dieselmotoren und damit deutlich mehr Fahrzeuge, bei denen eine il­legale Manipulation vermutet wird, ­sollen durch eine Nachrüstung der Software weniger schädliches Stick­oxid ausstoßen. Die Kosten von rund 220 Millionen Euro übernimmt Daimler.

Auch Audi und BMW sind offenbar bereit, die Kosten für ein Update der Software zu übernehmen. Die Konzerne sind unter Zugzwang, die für sie äußerst lukrative Dieseltechnlogie zu retten. "Die öffentliche Debatte um den Diesel sorgt für Verunsicherung", erklärte Zetsche. "Wir haben uns deshalb für weitere Maßnahmen entschieden, um den Dieselfahrern wieder Sicherheit zu ­geben und um das Vertrauen in die Antriebstechnologie zu stärken."


Droht den Daimler-Aktionären das gleiche Debakel wie bei Volkswagen? Analysten zufolge könnte der 2015 bekannt gewordene Dieselskandal VW zwischen 25 und 35 Milliarden Euro kosten. Für den erfolgsverwöhnten Stuttgarter Autobauer wäre solch ein Szenario eine Katastrophe.

Vorläufige Entwarnung

Ganz so schlimm wird es für Daimler wohl nicht kommen. Bei Volks­wagen waren über elf Millionen Autos betroffen. "Nach meiner Meinung ist Daimler nicht mit VW vergleichbar", so Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Zudem bestreitet Dieter Zetsche seit jeher, gegen Gesetze verstoßen zu haben. Der Daimler-Boss riskiert seinen guten Ruf, sollten die Ermittler doch zu einem anderen Ergebnis kommen. Die Vorwürfe gegen Daimler sind also reine Vermutungen. Auch deshalb trennten sich die Aktionäre bislang nicht in Scharen von der Aktie.



Kein Geheimnis ist es indes, dass die Autobauer auf dem Prüfstand großzügige Regelungen ausnutzen. Die Abgasreinigung funktioniert nur in einem bestimmten Temperaturbereich vollständig. Im realen Betrieb wird sie zurückgefahren. Sogenannte Thermofenster sind erst einmal nicht illegal. "Erst wenn eine Software eingebaut ist, die erkennt, dass ein Auto auf dem Testzyklus fährt und nur dann reinigt, ist das verboten", sagt Dudenhöffer. Eine Mitschuld sieht der Autoexperte in der Politik. "Die Politiker in Brüssel und Berlin haben Thermofenster legalisiert. Deshalb sind fast alle Diesel-Pkw im normalen Fahrbetrieb Dreckschleudern und stoßen mehr Stickoxid aus, als der Grenz­wert hergibt. Den muss man nur auf dem Prüfstand erfüllen."

Diesel auf dem Prüfstand

Auch wenn Daimler und die anderen Autobauer von jeder Schuld freigesprochen werden: Das Image der Branche hat einen weiteren tiefen Kratzer bekommen. Die Dieseltechnologie, die insbesondere bei großen Autos und damit im Kerngeschäft der deutschen Premiummarken eingesetzt wird, gerät immer weiter unter Druck.

Welche Zukunft der Dieselmotor hat, soll das "Nationale Forum Diesel" klären. Die erste Sitzung ist für den 2. August anberaumt. Neben Verkehrsminister Dobrindt wollen Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sowie weitere Ministerien und Entscheidungsträger der Länder mit Vertretern der Automobilindustrie Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffemissionen bei Diesel-Pkw vereinbaren. Im schlimmsten Fall drohen Fahrverbote für ältere Dieselautos in den Innenstädten. Vorreiter wollte ausgerechnet Stuttgart sein - der Konzernsitz von Daimler. Minister ­Do­brindt erteilte den Plänen der Stadt­obersten allerdings eine Absage. Vom Tisch sind die Fahrverbote damit nicht.

Das ist besonders für die knapp sechs Millionen Besitzer relativ neuer Dieselfahrzeuge bitter, die nur die Abgasnorm Euro 5 erfüllen. Solche Autos wurden bis Herbst 2015 zugelassen. Inzwischen ist klar, dass auch neue Fahrzeuge, welche die schärfere Euro-6-Norm erfüllen, ­betroffen sind. Umweltministerin Hen­dricks fordert deshalb, dass die Auto­industrie die betroffenen Fahrzeuge auf eigene Kosten nachrüstet. Im Gespräch sind aktuell Nachbesserungen von insgesamt bis zu 13 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland. Ein Eingriff in die Software der Motoren würde wohl wenig bringen. Um den Diesel sauber zu machen, sind teure Umbauten nötig. Technisch zu aufwendig, zu teuer oder schlicht nicht machbar, argumentiert die Industrie bisher.

Umrüstung ist möglich

Technisch ist eine Umrüstung prinzipiell aber möglich. Zulieferer Twintec etwa hat mit einer Harnstoffeinspritzung ein älteres Dieselfahrzeug auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Bei dem System handelt sich bisher allerdings nur um einen Prototypen. Bis zu einer möglichen Serienreife sind noch rechtliche und technische Probleme zu lösen. Bei 13 Millionen betroffenen Fahrzeugen würden Kosten in Höhe von rund 20 Milliarden Euro anfallen, welche die Fahrzeughalter zahlen müssten - so der Stand der Dinge.

An der Börse sorgt das für Fantasie. Die Aktie der in Königswinter ansässigen Baumot Group, zu der Twintec gehört und die eine breite Palette an Abgasnachbehandlungssystemen anbietet, schoss um 300 Prozent in die Höhe, bevor Gewinnmitnahmen einsetzten.

Ein anderer Profiteur der Dieselpro­blematik ist Continental. Bereits im Frühjahr stellte der Konzern ein System vor, mit dem sich nicht nur der Kraftstoffverbrauch, sondern auch der Schadstoffausstoß von Dieselmotoren stark verringern lässt. Trotz aller Widerstände aus der Politik ist man bei Con­tinental überzeugt, dass der Diesel auf absehbare Zeit eine wichtige Rolle spielen wird. "Daher ist es unabdingbar, dass wir die technischen Voraussetzungen für einen extrem schadstoffarmen Dieselantrieb schaffen", sagt José Avila, Vorstandsmitglied und zuständig für die Sparte Antriebstechnik.

Investor-Info

Continental
Klarer Gewinner

Als Zulieferer profitiert Continental von den stetigen Wachstumsraten im Automobil­sektor. Dabei spielt es für die Hannoveraner keine große Rolle, ob Teile für Diesel, Benziner oder Elektrofahrzeuge bestellt werden. Die wachsende Nachfrage nach Abgasnachbehandlung dürfte das Geschäft sogar an­kurbeln. 2017 rechnen Analysten mit einem Nettogewinnanstieg um 13 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro. Die moderat bewertete Aktie bietet weiteres Kurspotenzial.

Daimler
Gefangen im Smog

Die Aktie gehört im laufenden Jahr zu den schwächsten Werten im DAX. An der Bewertung liegt das nicht. Mit einem einstelligen Kurs-Gewinn-Verhältnis ist sie günstig. ­Zudem lockt eine hohe Dividendenrendite. Analysten rechen fürs laufende Jahr mit einem Nettogewinnanstieg um 14 Prozent auf 9,7 Milliarden Euro. Doch die Dieselproblematik und das Thema Elektromobilität lasten auf der Branche. Aktionäre halten das Papier.

Baumot Group
Abgasspezialist

Als Experte in der Abgasnachbehandlung könnte Baumot einer der großen Gewinner der Dieselproblematik sein. Im laufenden Jahr rechnen Analysten mit einem Verlust von gut einer Million Euro. Erst 2018 soll ein kleiner Gewinn anfallen. Dem steht ein Börsenwert von 56 Millionen Euro gegenüber. Seit der Empfehlung in €uro am Sonntag vor zwei Wochen hat die Aktie um über 100 Prozent zugelegt. Derzeit etwas überhitzt.

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Bildquellen: Supakorn Sakdiyapan / Shutterstock.com, Taina Sohlman / Shutterstock.com

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