Euro am Sonntag-Einschätzung

Amazon: Der nächste Milliarden-Markt wartet schon!

07.11.16 03:00 Uhr

Amazon: Der nächste Milliarden-Markt wartet schon! | finanzen.net

Künstliche Intelligenz ist der Megatrend in der IT-Industrie. Der weltgrößte Online-Händler Amazon mischt ganz vorn mit.

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von Stephan Bauer, Euro am Sonntag

Ich bin zwölf Jahre alt, wie viel Taschengeld steht mir zu?" Echo, eine Art sprechende Dose, die der Internetkonzern Amazon demnächst auch in deutsche Wohnzimmer liefert, beantwortet bald auch solche Fragen neugieriger Sprösslinge. Die schlicht aussehende Kunststoffröhre hat es in sich: Das Gerät enthält neben Mikrofon und Lautsprecher zur Sprachausgabe den letzten Stand dessen, was an künstlicher Intelligenz zu haben ist: ­Alexa, die geballte Rechen­power des Internetriesen.



In diesen Tagen werden die ersten Echos in Deutschland an ausgewählte Nutzer verschickt. Diese mussten sich bewerben, der Grund: Echo alias Alexa muss noch Deutsch lernen. Deshalb wählt Amazon die Nutzer nach Dialekten aus.

Das Computerhirn wird erst im Lauf der Zeit richtig schlau. Alexa lernt die Sprechgewohnheiten ihrer Nutzer immer besser kennen. Schließlich soll die Stimme aus der Dose eine Art Mädchen für alles sein: Alexa wird Pizzas bestellen, die nächste Zugverbindung finden oder eben Sohnemann Auskunft über die Höhe des durchschnittlichen Taschengelds in seiner Altersgruppe geben.


An solch künstlicher Intelligenz arbeiten Hightech-Konzerne wie IBM seit Jahrzehnten. Amazon hat es dank großer Investitionen binnen kurzer Zeit in die Weltspitze geschafft. Der weltgrößte Onlinehändler, der flugs bei Bedarf profane Dinge wie einen Toaster liefert und sich neuerdings auch im klassischen Lebensmittelhandel profiliert, ist im Kern ein echtes Hightech-Unternehmen. High-end gar - Alexa stützt sich auf eines der größten und modernsten Computernetze weltweit.

Seine zahlreichen Serverfarmen nutzt der Primus nicht nur für die eigene Logistik, sondern macht jetzt schon gutes Geld damit. Als Anbieter gewaltiger Rechen- und Speicherkapazitäten ist die Tochter Amazon Web Services, kurz AWS, globaler Marktführer im Geschäft mit Firmenkunden. Allein von Juli bis September erzielte das Unternehmen aus Seattle 3,2 Milliarden Dollar Umsatz mit sogenannten Cloud-Diensten. Auf Zwölf-­Monats-Basis sollen es laut US-Invest­mentbank Goldman Sachs bereits rund zehn Milliarden Dollar Umsatz sein. Trotz des hohen Volumens wächst das Geschäft rasch, im jüngsten Quartal waren es über 50 Prozent Zuwachs. AWS ist damit die dynamischste Sparte des Konzerns.

Eine Billion Dollar Volumen

Beim Weltmarktanteil reichen selbst Tech-Riesen wie Microsoft oder Alphabet nicht an AWS heran. Offenkundig lag Boss Jeff Bezos vor zehn Jahren goldrichtig, als er die Tochter gründete. Inzwischen werden Cloud-Dienste für Firmenkunden immer wichtiger, der Markt ist einer der dynamischsten der IT-Branche. Bis 2020 sollen Unternehmen laut US-Marktforscher Gartner hier weltweit direkt oder indirekt rund eine Billion Dollar investieren.


Während das Geschäft mit Unternehmenskunden schon in vollem Gang ist, sind Echo und Alexa die Pfadfinder in ein neues Segment: komplexe IT-Dienste für Privatnutzer. Das Feld beackern auch Konkurrenten wie Apple, Alphabet oder Microsoft mit Hingabe. Die Google-Mutter Alphabet will noch vor Weihnachten eine sprechende Box namens Home auf den Markt bringen.

Amazon aber hat die Nase vorn. Wofür einst Apple mit iPod, iPad und vor allem dem iPhone berühmt war, das schafft jetzt ausgerechnet der weltgrößte digitale Krämerladen: Innovationen für die Generation Internet. In den USA ging Echo vor knapp zwei Jahren an den Start. Die Verkaufszahlen sind zwar unter Verschluss. Laut Schätzungen haben die Amerikaner auf ihrem Heimatmarkt bereits fast zwei Millionen der schlauen Kunststoffröhren verkauft (siehe Grafik).

Ein paar Hundert Millionen Dollar Umsatz sind zwar ein Klacks für den Giganten. Doch Bezos führt mehr im Schilde. Mit Echo und der günstigeren Variante Echo Dot pflanzt der Amazon-Chef Mikrofone mitten ins Wohnzimmer der Kunden. Man darf gewiss sein: Deren Vorlieben und Interessen wird der Konzern akribisch auswerten - und sodann seine geballte Maschinenintelligenz in Form personalisierter Angebote auf die Klientel loslassen.

Bezos’ Logistikpläne

Der Amazon-Chef füttert indes nicht nur das Hirn des Online-Giganten mit Milliardeninvestitionen. Bezos trainiert zugleich dessen Arme und Beine: Seit geraumer Zeit erweitert Amazon seine Logistikkapazitäten und baut in Metropolregionen eigene Lieferdienste auf - zum Ärger von Stammlieferanten wie UPS, Fedex oder der Post-Tochter DHL. Man schaffe lediglich Kapazitäten für Spitzenzeiten wie das Weihnachtsgeschäft, heißt es offiziell von Amazon. Und doch ist es offenkundig, dass die Lieferdienste den Zustellern dauerhaft Konkurrenz machen werden.

Tatsache ist, dass die Kosten für Lieferungen und Rücksendungen in den vergangenen Jahren überproportional stiegen. 2010 lag der Anteil der Transportkosten am Umsatz von Amazon noch bei knapp acht Prozent, 2015 waren es bereits knapp elf Prozent. Dem will Bezos entgegensteuern. Ohne die Dienste von UPS und Fedex ließe sich mehr als eine Milliarde Dollar pro Jahr sparen, rechnet die Citigroup vor.

Der Science-Fiction-Fan, der sich privat gern seinem Weltraumprogramm Blue Origin widmet und sich bei der Idee zu Alexa angeblich vom Bordroboter aus der TV-Serie "Star Trek" inspirieren ließ, lässt zugleich kein irdisches Geschäft aus. Bestes Beispiel ist der Einstieg in den Lebensmittelhandel und die Renaissance des Tante-Emma-Ladens im digitalen Zeitalter: Bezos plant laut "Wall Street Journal" Pick-up-Stores in den USA, Abholstopps für im Internet bestellte Ware, sowie klas­sische Um-die-Ecke-Läden mit dem Amazon-Emblem.

Die mannigfaltigen Aktivitäten des unternehmerischen Tausendsassas kosten viele Milliarden. Trotz rasch wachsenden Umsatzes - 2016 soll das Geschäft um 28 Prozent auf 137 Milliarden Dollar zulegen - ist die Nettomarge des Onlinegiganten bescheiden. Weniger als drei Prozent bringt Amazon Schätzungen zufolge im laufenden Jahr auf die Waage. Damit ist sogar Walmart, Primus im klassischen Einzelhandel, besser. ­Alexa - wie mache ich mehr Gewinn? Die Frage muss Bezos seinem Computerhirn allerdings erst gar nicht stellen. Er kennt die Antwort bereits - und investiert unverdrossen weiter.

Investor-Info

Amazon.com
Hohe Investitionen

Aktionäre hatten angesichts zuvor guter Ergebnisse auf eine positive Überraschung gehofft, aber es kam anders: Im dritten Quartal schwenkte der Konzern wieder in den Inves­titionsmodus, die Ausgaben stiegen um 30 Prozent. Amazon investiert in Infrastruktur, Logistik und ins Videogeschäft Youtube. Der Quartalsgewinn enttäuschte. Auch im Weihnachtsquartal könnte das der Fall sein, warnte Chef Bezos. Das Cloud-Geschäft ist eine Gewinnmaschine, der Vorstoß mit komplexen IT-Diensten für Private ist vielversprechend. Den Kursrücksetzer sehen wir als Einstiegsgelegenheit in ein Top-Hightech-Investment.

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Bildquellen: Ociacia / Shutterstock.com, Twin Design / Shutterstock.com

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