Der Westen geht auf Konfrontationskurs mit Russland
Erstmals seit Ende des Kalten Krieges hat die Europäische Union einen folgenreichen Sanktionsplan gegen Russland beschlossen.
Um eine Eskalation in der Ukraine abzuwenden, einigte sich ein EU-Sondergipfel nach stundenlangem Ringen am Donnerstag in Brüssel mit überraschender Härte von Kanzlerin Angela Merkel auf einen Drei-Stufen-Prozess. Dies geschah im Schulterschluss mit den USA. Sollte sich die zur Ukraine gehörende Halbinsel Krim an Russland anschließen, will Brüssel Wirtschaftssanktionen gegen Moskau verhängen. Davor warnte die deutsche Wirtschaft eindringlich. Prorussische Bewaffnete hinderten unterdessen eine OSZE-Beobachtermission daran, auf die Krim zu gelangen.
Im ersten Schritt setzte die EU Verhandlungen über Visa- Erleichterungen und über ein neues Rahmenabkommen für die Beziehungen zwischen Brüssel und Moskau aus. Verweigere sich Moskau Verhandlungen zur Lösung des Krise und der Beteiligung an einer Kontaktgruppe mit Kiew, werde die EU Einreiseverbote, Kontensperrungen und notfalls auch wirtschaftliche Sanktionen verhängen. Das sagte EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy. Die EU erwarte, dass Russland "innerhalb der nächsten Tage" Verhandlungen mit der Ukraine über eine friedliche Beilegung des Konflikt beginne. US-Präsident Barack Obama verfügte bereits Einreiseverbote und Kontensperrungen. Wen dies trifft, blieb unklar.
Wie auch Obama verurteilten die 28 EU-Staats- und Regierungschefs die Entscheidung des moskautreuen Krim-Parlaments für eine Volksabstimmung über die Abtrennung der Halbinsel von Kiew. Die mehrheitlich russische Bevölkerung soll bereits am 16. März bei einer vorgezogenen Volksabstimmung darüber entscheiden. In Russland wurden erste Vorbereitungen für eine Angliederung getroffen. Das sei "unrechtmäßig", heißt es in einer Erklärung des EU-Gipfels. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk sagte: "Die Krim ist, war und wird weiterhin ein integraler Teil der Ukraine sein."Klar dagegen sprach sich der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, aus - vor allem, weil Deutschland angesichts der schleppenden Energiewende auf absehbare Zeit gar nicht auf russisches Gas verzichten könne. "Der Versuch, Länder wie die Ukraine aus dem russischen Einflussbereich herauslösen und an den Westen binden zu wollen, ist naiv", sagte Sinn der "Passauer Neuen Presse".
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) rief bei einem Besuch in Kiew Europa auf, die Ukraine zu unterstützen. Nach einem Treffen mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk nannte er als konkreten Vorschlag Stromexporte des Landes nach Europa, unter anderem nach Polen. Allerdings fehlten dazu noch die entsprechenden Netze.
Wansleben betonte mit Blick auf die Sanktionsdebatte, man müsse die Brüsseler Pläne mittragen, obwohl Russland und Europa wirtschaftlich eng miteinander verflochten seien: "Wenn es zu globalpolitischen Konflikten kommt, ist die Politik ganz klar vorne. Wir werden am Ende eine Politik unterstützen, wie sie die EU eingeleitet hat."
Neben Norwegen zählt Russland zu den wichtigsten Gaslieferanten der Bundesrepublik. Bis erneuerbare Energieträger wie die Wind-, Wasser- und Solarkraft hinreichend große Anteile am Strommix abdecken können, sollen insbesondere moderne Gaskraftwerke die Gesamtversorgung sichern. Mit Strafmaßnahmen schneidet sich die EU aus Sicht von Ifo-Chef Sinn daher letztlich ins eigene Fleisch: "Jetzt stehen wir auf dem Scherbenhaufen einer vollkommen überzogenen EU-Politik."
Ob empfindlichere Sanktionen gegen Russland die Energielieferungen in den Westen wirklich gefährden könnten, beurteilen Experten skeptisch. "Die Russen brauchen Geld, sie müssen exportieren, Gazprom muss seine Verträge erfüllen. Wir brauchen das Gas, die Ukraine braucht die Transitgebühr", sagte der Herausgeber des Hamburger Energie- Informationsdienstes (EID), Heino Elfert, der Nachrichtenagentur dpa. "Alle Interessen sind so gelagert, das so weiterlaufen zu lassen."
Der DAX ist am Freitag aus Nervosität wegen der Krim-Krise klar ins Minus gerutscht. "Keiner weiß was jetzt auf der Krim los ist und wie es weitergeht - Unsicherheit ist Gift für die Börse," so ein Händler. /du/mt/eb//DP/stb
BRÜSSEL (dpa-AFX)