Energieunternehmen

Heißer Übernahmetrend in der Ölindustrie

20.04.15 15:00 Uhr

Heißer Übernahmetrend in der Ölindustrie | finanzen.net

Die Ölindustrie sortiert sich dank günstiger Aktienkurse neu. Vor allem kleine, unabhängige Förderunternehmen sind im Fokus. Wo weitere Übernahmeziele zu finden sind.

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von Oliver Ristau, Euro am Sonntag

Schon jahrelang galt der Öl- und Gasspezialist BG Group als Übernahmekandidat. Bei Ölpreisen von 100 Dollar und mehr je Barrel (Fass à 159 Liter), wie bis vor Kurzem üblich, wäre eine Transaktion für den Käufer aber ein sehr kostspieliges Unterfangen gewesen. Es blieb lange bei Spekulationen.

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Doch seit das Barrel Öl nur noch 50 bis 60 Dollar kostet, sind auch die Aktien des Sektors unter Druck. Die Titel von BG rutschten in den vergangenen neun Monaten um ein Viertel. Das nutzte schließlich die niederländisch-­britische Shell aus und schlug mit einer Aufsehen erregenden Kaufofferte zu: Umgerechnet mehr als 60 Milliarden Euro will Shell für den Wettbewerber hinblättern, mit dem er hinter Branchenprimus ExxonMobil zum zweitgrößten Ölunternehmen der Welt aufsteigen würde. Das ist zwar alles andere als ein Pappenstiel, aber: "Shell kommt mit BG günstiger an neue Ölreserven als mit seinen eigenen Vorhaben", erklärt Philipp Lienhardt, Ölaktienanalyst von Julius Bär, einen wesentlichen Faktor der Übernahmelogik. So hat der Ölgigant für Bohrvorhaben in Alaska Milliarden investiert, ohne bisher einen Tropfen gefördert zu haben. BG ­verfügt über deutlich aussichtsreichere Vorkommen.

Zugleich steigt Shell zur Nummer 1 im Flüssiggasgeschäft auf und dringt in Regionen vor, in denen die Firma bisher kaum präsent war - etwa in die Tiefsee vor Brasilien. Ob ein solcher Deal als günstig oder teuer einzuschätzen ist, hängt vom Niveau des künftigen Ölpreises ab. Denn je teurer der Schmierstoff wieder wird, desto mehr wirft auch der Kauf für Shell ab. So rechnen die Firmenökonomen damit, dass Erdöl der Nordseesorte Brent in den kommenden zwei bis drei Jahren wieder auf 90 bis 100 Dollar je Barrel klettern wird.

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Neues Wachstum einkaufen

Doch selbst wenn ein solcher Preisanstieg ausbleiben sollte, dürfte die Akquisition für Shell langfristig Sinn machen. Nicht nur weil die reichlich vorhandene Liquidität auf dem Unternehmenskonto wenig abwirft und Fremdkapital für die Finanzierung billig ist. Es geht darum, fit für die Zukunft zu werden. "Viele der großen Ölkonzerne wachsen nur noch langsam oder gar nicht mehr, wie Exxon. Sie können sich mit einer Akquisition Wachstum einkaufen", so Analyst Lienhardt. Er rechnet deshalb damit, dass die weltweite Nummer 1 dem Beispiel Shells folgen wird. Vor gut zehn Jahren hatte es Exxon vorgemacht und mit Mobil Oil einen kleineren Wettbewerber geschluckt, der auf attraktiven Ölquellen saß. Das war bis heute die größte Akquisition in diesem Sektor.

"Es wird vor allem Übernahmen in den USA geben", erwartet Lienhardt. Denn dort tummeln sich viele Unternehmen, und die USA sind durch den Boom bei unkonventionellem Öl (Stichwort: Fracking) hinter Saudi-Arabien zur führenden Nation geworden. Es geht für die Ölriesen ­darum, sich dort Claims zu sichern.

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Allerdings: Nur sehr wenige Unternehmen haben die Finanzkraft von Shell und ExxonMobil. Unabhängige und finanziell solide US-Ölförderer wie Anadarko, Hess oder EOG Resources sind an der Börse mit 20 bis 50 Milliarden Euro bewertet - in dieser Größenordnung bewegte sich auch BG vor der Kaufofferte. Experten rechnen deshalb nicht mit vielen Megadeals, die mit der BG-Übernahme durch Shell vergleichbar sein könnten. In China und Russland ist mit einem Zusammenschluss unter den nationalen Champions zu rechnen. China hat damit schon begonnen.

Unter Europas schwarzen Riesen wäre zwar die BP potenziell ein finanzstarker Käufer. Wegen der Explosion der BP-Ölplattform im Golf von Mexiko vor fünf Jahren, die verheerende Umweltschäden nach sich zog, müssen die Briten aber ihre Milliarden für Schadenersatzansprüche zusammenhalten. Der nächste größte Europäer ist - gemessen an der Marktkapitalisierung - die französische Total. Die Riege dahinter ist mit der norwegischen Statoil, der italienischen Eni und der spanischen Repsol für eine solche Elefantenhochzeit wohl zu klein. Bestrebungen, sich zusammenzuschließen, gibt es ebenso wenig.

Nicht nur weil das politisch schwierig wäre. Auch die Synergien wären begrenzt. Es geht weniger um Kosten für die Großen, sondern um neue Quellen. Denn dank eines eigenen Raffinerie- und Endkundengeschäfts (etwa Tankstellen) macht der Preisrutsch den integrierten Ölriesen weniger zu schaffen als den reinen Förderern. Als Einkäufer profitieren sie selbst vom niedrigen Preis.

Die Konzerne werden deshalb zwei Wege einschlagen. "Viele werden versuchen, statt großer Unternehmen nur einzelne Ölfelder zu erwerben", sagt Lienhardt. Daneben sind Akquisitionen kleinerer Unternehmen sinnvoll. Von denen gibt es jede Menge auch an der Börse. Sie sind deutlich günstiger als die unabhängige US-Konkurrenz, auch weil sie mehr Schulden in den Büchern haben. Repsol hat sich kürzlich in diesem Segment mit dem Kauf der kanadischen Talisman Energy für rund acht Milliarden Euro schon bedient. Weitere potenzielle Kandidaten mit guten Ölprojekten etwa in Afrika sind Tullow, Ophir und Cairn, deren Marktkapitalisierung zusammen kaum mehr als sieben Milliarden Euro erreicht.

Kleine, aber feine Deals

Und die kleineren unabhängigen Öl- und Gasförderer sind unter Druck: Der niedrige Ölpreis ist das Problem. Jeder Dollar weniger lässt ihre Umsätze sinken, macht die Finanzierung neuer Vorhaben schwieriger. Je länger diese Situation anhält, desto stärker wird der Konsolidierungsdruck. Trotz der niedrigen Preise hat bisher weder die OPEC ihre Förderung gedrosselt, noch ist die Produktion in den USA - wie von vielen Analysten erwartet - spürbar eingebrochen. Mitte April meldete die US-Energiebehörde EIA das erste Mal einen leichten Rückgang der Ölförderung in einigen Regionen, seit der Boom vor ein paar Jahren begann.

Es war aber angenommen worden, dass sich bei Ölpreisen von 50 bis 60 Dollar die Förderung von unkonventionellen Vorkommen über aufwendiges Fracking nicht mehr rechnen würde. Das ist offenbar nicht der Fall: "Ein Blick auf die Anlagen, die derzeit in Betrieb sind, zeigt, dass die Rentabilitätsgrenze deutlich darunter liegt", so Nitesh Shah, Rohstoffanalyst bei ETF Securities. "Große Teile des Bakken-Gebiets in Nord-Dakota operieren zum Beispiel noch bis 40 US-Dollar pro Barrel profitabel. Vor allem der technologische Fortschritt in den jüngsten Jahren hat die Förderanlagen effizienter gemacht und die Produktionskosten sinken lassen."

So sind die Kosten von Dienstleistern wie Pipeline- und Bohrunternehmen in den vergangenen Monaten um 20 Prozent zurückgegangen. Eine politische Entspannung im Iran sowie eine Normalisierung in Libyen könnten zudem auch das Angebot der OPEC-Staaten noch weiter wachsen lassen. Kris Kelly, Energieanalyst von Janus Capital, warnt: "Die große Gefahr ist zu denken, der Ölpreis werde schon wieder auf 80 Dollar zurückkehren." Das Gegenteil könne der Fall sein, ein Preis von 50 Dollar zur neuen Normalität werden. "Dann muss man stattdessen fragen: Wer profitiert auch noch bei diesen Preisen? Und wer hat die Kraft, diese Phase zu überdauern?", so Kelly.

Die unabhängigen Ölexplorer hätten ohne Zweifel damit die größten Probleme. Allerdings müssen sich auch die großen Konzerne für ihr langfristiges Stehver­mögen neue Quellen sichern. Das große Fressen in der Ölindustrie hat gerade erst begonnen.

M & A-Boom
Neue Rekorde

Nicht nur im Ölsektor wächst bei Unternehmen weltweit in diesem Jahr die Lust auf Übernahmen. So gingen seit Jahresanfang nach Berechnungen von Bloomberg Firmenanteile im Wert von über 1,2 Billionen US-Dollar über den Tisch - das waren rund 20 Prozent mehr als vor einem Jahr und so viel wie noch nie seit der Finanzkrise. Mehrere Faktoren begünstigen diesen Trend.
Billiges Geld: Für Großunternehmen mit stabiler Bilanz und Geschäft ist Geld zur Finanzierung von Firmenübernahmen günstig zu bekommen. Grund sind die weltweiten Niedrigzinsen als Folge einer jahrelang anhaltenden ultralockeren Geldpolitik in den wichtigsten Währungsräumen. Aus dem gleichen Grund werfen auch die liquiden Bestände der Firmen wenig Zinsen ab, weshalb der Verbleib auf den Firmenkonten kaum attraktiv ist.
Wachstum: Vor diesem Hintergrund ist es für große Unternehmen relativ günstig, sich durch kleinere, aber mobilere Wettbewerber Wachstum im Kerngeschäft zu kaufen und Geschäftslücken zu schließen. Das kann billiger sein als organisch zu wachsen. So können außerdem Kosten über Synergien und Rendite optimiert werden.
Wechselkurs: Der Dollar ist so stark wie lange nicht mehr. Dadurch werden Übernahmen in anderen Währungen wie dem Euro für US-Unternehmen günstiger. Analysten rechnen deshalb insbesondere für Europa mit weiteren Akquisitionen durch US-Firmen.
Konjunktur: Nach einer aktuellen Studie von Ernst & Young sorgen die stabilen Konjunkturaussichten für zunehmende Kauflaune in den Chefetagen dieser Welt. Das Gros der von der Unternehmensberatung befragten Firmenbosse will 2015 die eignen Akquisitionsaktivitäten ausbauen. Der Kaufrausch findet über alle Branchen hinweg statt. Zu den größten angekündigten "Mergern" in ­diesem Jahr zählt der Zusammenschluss von Kraft Foods mit dem ­Ketchupriesen Heinz, die milliardenschwere Pharma-Ehe von Mylan und Perrigo sowie die Übernahme von BG durch Shell. Aktuell sorgen die Akquisition von Alcatel durch Nokia und der Verkauf des Finanzarms von General Electric für Furore.

Investor-Info

Heiße Kandidaten
Aktien mit Übernahmeprofil

Folgende Konzerne könnten auf der Kaufliste anderer Energieunternehmen stehen. Tullow Oil und Hess sind besonders interessant (siehe unten).
Unternehmen ISIN (Land) Kurs in €
Anadarko US 032 511 107 0 (USA) 87,22
Cairn Energy GB 00B 74C DH8 2 (GB) 2,34
EOS Resources US 268 75P 101 2 (USA) 89,80
Hess US 428 09H 107 7 (USA) 71,76
Marathon Oil US 565 849 106 4 (USA) 28,37
Ophir Energy GB 00B 24C T19 4 (GB) 2,16
Tullow Oil GB 000 150 080 9 (GB) 5,63
Stand: Freitag 12 Uhr

Tullow Oil
Anziehend wegen Afrika

Das Londoner Unternehmen Tullow Oil ist der größte unabhängige Öl- und Gaserzeuger Afrikas. Das sorgt zwar für viele interessante Ölquellen, doch wegen politischer Unsicherheiten steht der Energieerzeuger immer wieder vor Problemen und musste vergangenes Jahr das erste Mal seit 15 Jahren mit Verlust abschließen. Der Konzern dürfte zu den inter­essanten Übernahmekandidaten zählen. Aktionäre würden bei ausbleibender Übernahme auch durch Verkäufe von Ölquellen profitieren.

Hess
Günstiges Übernahmeziel

Die Hess Corp. ist eines der größten unabhängigen und alteingesessenen Öl- und Gasunternehmen der USA. Eine starke Position in Schiefergas und Offshorevorhaben weltweit macht den Konzern zu ­einem attraktiven Übernahmeziel, zumal das Unternehmen günstiger zu haben ist als mancher US-Wettbewerber.

Total
Potenzieller Aufkäufer

Die französische Total ist nicht nur einer der größten privaten Ölkonzerne der Welt, sie hat als einer der wenigen internationalen Ölkonzerne Zugriff auf die üppigen Reserven Russlands. Total dürfte zu den Käufern am Markt zählen, um sich weitere Quellen zu sichern. Das Unternehmen bietet Anlegern mit gut fünf Prozent eine hohe Dividendenrendite.

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Bildquellen: 1971yes / Shutterstock.com, James Jones Jr / Shutterstock.com

Nachrichten zu ExxonMobil Corp. (Exxon Mobil)

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Analysen zu ExxonMobil Corp. (Exxon Mobil)

DatumRatingAnalyst
06.12.2023ExxonMobil OverweightJP Morgan Chase & Co.
06.12.2023ExxonMobil BuyUBS AG
07.06.2022ExxonMobil NeutralCredit Suisse Group
21.04.2022ExxonMobil OutperformRBC Capital Markets
30.03.2022ExxonMobil OverweightJP Morgan Chase & Co.
DatumRatingAnalyst
06.12.2023ExxonMobil OverweightJP Morgan Chase & Co.
06.12.2023ExxonMobil BuyUBS AG
21.04.2022ExxonMobil OutperformRBC Capital Markets
30.03.2022ExxonMobil OverweightJP Morgan Chase & Co.
10.03.2022ExxonMobil OverweightBarclays Capital
DatumRatingAnalyst
07.06.2022ExxonMobil NeutralCredit Suisse Group
01.02.2022ExxonMobil Sector PerformRBC Capital Markets
01.02.2022ExxonMobil HoldJefferies & Company Inc.
19.01.2022ExxonMobil Sector PerformRBC Capital Markets
07.01.2022ExxonMobil NeutralCredit Suisse Group
DatumRatingAnalyst
02.12.2021ExxonMobil UnderperformRBC Capital Markets
29.10.2021ExxonMobil UnderperformRBC Capital Markets
02.06.2021ExxonMobil UnderperformRBC Capital Markets
30.04.2021ExxonMobil UnderperformRBC Capital Markets
04.03.2021ExxonMobil UnderperformRBC Capital Markets

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