BYD - ein paar hässliche Wahrheiten
Nach einem erfolgreichen Jahr 2016 ist die Aktie des chinesischen Elektroautobauers wieder gefragt. Zu Recht?
Obwohl China der mit Abstand größte Automarkt der Welt ist, interessieren sich deutsche Anleger für chinesische Autowerte nicht die Bohne. Die rühmliche Ausnahme ist allerdings die Aktie von BYD. 2008 stieg der US-Starinvestor Warren Buffett mit einem dreistelligen Millionenbetrag bei dem Konzern ein, und seitdem genießt das chinesische Unternehmen auch hierzulande viel Aufmerksamkeit. Das hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt, denn BYD ist in Bereichen unterwegs, die sich zu absoluten Trendthemen entwickelt haben: Stromspeicher und Elektroautos.
Bekanntlich wurden zuletzt nirgendwo so viele Elektrofahrzeuge verkauft wie in China. 2016 zog dort der Absatz von Elektroautos und Hybriden um weitere 53 Prozent auf 507.000 Einheiten an, davon waren 80 Prozent reine Elektrofahrzeuge (zum Vergleich: In Deutschland wurden letztes Jahr nur 11.400 Elektrofahrzeuge verkauft). BYD war in diesem Segment von Anfang an ein Pionier. Der Konzern stellt eine breite Palette von Elektroautos in verschiedenen Preisklassen her, die in China die Verkaufsranglisten anführen. Insgesamt setzte BYD 2016 mehr als 100.000 elektrisch betriebene Autos ab - und war damit nicht nur in China, sondern auch weltweit der unangefochtene Marktführer.
Aktie ist nicht mehr billig
Hinzu kommen außerdem noch die Elektro-Taxi- und Busflotten, die BYD mittlerweile in alle Welt exportiert - und natürlich das riesige Batterie- und Stromspeichergeschäft, das von Minibatterien über Auto-Akkus bis hin zu großen Stromspeichersystemen reicht. BYD hat hier gewaltige Investitionen getätigt, die sich dank des chinesischen Elektroautobooms nun auch endlich ausbezahlt haben. 2016 dürfte der Umsatz laut vorläufigen Zahlen um weitere 30 Prozent auf umgerechnet 14,3 Mrd. Euro gestiegen sein. Der Nettogewinn sprang sogar um 79 Prozent auf 687 Millionen Euro nach oben; und der Börsenwert BYDs liegt inzwischen bei über 17 Milliarden Euro.
Solche Meldungen liest man gern. Und viele Marktteilnehmer hoffen darauf, dass BYDs eigentlicher Siegeszug erst noch bevorsteht. Deshalb wird der Aktie aktuell auch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (2017) von rund 20 zugebilligt. Das ist allerdings für einen chinesischen Autowert ziemlich ambitioniert. Und es trägt auch nicht den Herausforderungen Rechnung, vor denen der Konzern steht. Denn wer glaubt, dass es mit BYDs Erfolgserie nun immer so weiter geht, der muss schon hartnäckig einige recht problematische Entwicklungen ausblenden, die sich auf dem chinesischen Elektroautomarkt abzeichnen.
Elektroauto-Blase
Pekings Wirtschaftsplaner haben das Ziel vorgegeben, dass ab 2020 pro Jahr 2 Millionen Elektroautos in China verkauft werden sollen. Das entspricht noch einmal dem Vierfachen des Rekordabsatzes vom vergangenen Jahr. BYD wiederum scheint prädestiniert dafür zu sein, sich ein großes Stück von diesem Kuchen abzuschneiden, denn bislang konnte die Konkurrenz dem Branchenriesen aus Shenzhen nicht ernsthaft das Wasser reichen. Mittlerweile rüsten die Wettbewerber aber auf. Sie holen nicht nur technisch auf, sondern investieren inzwischen auch massiv in die Erweiterung der Produktion. Allein die dreizehn großen chinesischen Autobauer werden bis 2020 Fertigungskapazitäten hochzuziehen, mit denen sich pro Jahr 4 Mio. Elektrofahrzeuge herstellen lassen. Hinzu kommen noch mindestens 150 weitere Unternehmen, die sich in irgendeiner Weise der Elektroautoentwicklung verschrieben haben. Der Großteil dieser kleinen Mitstreiter wird früher oder später zwar untergehen, bis dahin aber für einen anhaltenden und intensiven Preisdruck im Sektor sorgen.
Und es sind nicht nur die etablierten inländischen Wettbewerber, mit denen BYD künftig rechnen muss. Auch die Markenhersteller aus dem Ausland haben inzwischen fast allesamt hochwertige Elektroautos entwickelt, von denen viele ganz explizit auf den chinesischen Markt abzielen. Da China für Elektroautos vermeintlich so attraktiv ist, werden sie in den kommenden Jahren mit aller Macht versuchen, ihre Modelle in den chinesischen Markt zu drücken.
Massive Überkapazitäten
Und dann wären da noch einige Newcomer, mit denen man in Zukunft rechnen muss. Dazu gehören vor allem die chinesischen Internet- und Technologieriesen, die die Bereiche Elektroautos und autonomes Fahren fast durchgängig zu neuen Wachstumsfeldern erklärt haben. Nicht nur Baidu ("Chinas Google"), sondern auch TenCent, Alibaba, ZTE und Huawei entwickeln zurzeit entweder selbst Elektrofahrzeuge oder entsprechende Technologie, oder aber sie haben in letzter Zeit andere Elektrofahrzeugbauer übernommen. Diese Konzerne sollten vor allem deshalb ernstgenommen werden, weil sie über immense Finanzmittel verfügen, und weil die Expansion in den Elektroautobau für sie auch eine Prestigefrage ist. Ihre in den letzten Monaten veröffentlichten Planungen lassen darauf schließen, dass von dieser Seite noch einmal eine zusätzliche Produktionskapazität von 1,1 Millionen Elektroautos pro Jahr kommen wird.
Das alles lässt den Schluss zu, dass im Jahr 2020 im chinesischen Elektrofahrzeugsektor eine Überkapazität von mindestens zwei Millionen Fahrzeugen pro Jahr bestehen wird. Oder anders gesagt: Mindestens 50 Prozent der Produktionskapazität wird dann brachliegen - selbst unter der optimistischen Prämisse, dass ein Teil der Anbieter bis dahin zur Vernunft kommt und seine derzeitigen Planungen noch korrigiert.
Sturz von der Nachfrage-Klippe
Zu allem Überfluss brach den chinesischen Elektroautobauern zuletzt auch noch die Nachfrage weg. Bisher konnte der Sektor vor allem deshalb so stark zulegen, weil Peking und die Provinzregierungen strombetriebene Autos äußerst großzügig subventioniert haben. Zum Jahreswechsel wurde die Förderung aber erstmals gekappt, und das Ergebnis war niederschmetternd. Im Januar schrumpfte der Absatz um 75 Prozent auf nur noch 5.682 Fahrzeuge zusammen. Dieser schockierend schlechte Wert ist zwar nicht repräsentativ, denn es war schon vorher bekannt, dass die Förderung gekappt wird, so dass sich alle Interessenten darauf einstellen konnten. Der Rückgang verdeutlicht aber drastisch, wie stark der Absatz gerade in China von der staatlichen Subventionierung abhängt.
Für die Zukunft des Sektors ist vor allem bedenklich, dass die maximal mögliche Förderung in den Provinzen künftig an die Subventionen der Zentralregierung gekoppelt ist - so dass die Lokalregierungen ihre Zuschüsse auch dann nicht mehr anheben dürfen, wenn sie dies zur Förderung des Marktes für notwendig halten. Dagegen dürfen die Lokalregierungen jetzt Hersteller, die nicht auf ihrem Territorium produzieren, in Zukunft von der Förderung ausschließen. Peking und Shanghai haben bereits angekündigt, dass Produzenten aus anderen Regionen des Landes ab sofort diskriminiert werden. Das dürfte nicht zuletzt auch BYD auf diesen beiden wichtigen Regionalmärkten erheblich zurückwerfen.
Peking selbst ist wiederum fest entschlossen, die Subventionen in den nächsten Jahren weiter zurückzufahren. Im Jahr 2021 soll die Förderung dann sogar komplett wegfallen. Denn Chinas Wirtschaftsplaner sind der Meinung, dass der Sektor bis dahin so viel Unterstützung erhalten haben wird, dass er dann voll konkurrenzfähig sein muss. Zugleich steht aber weiterhin das Quotensystem im Raum, das im September 2016 angekündigt wurde. Dieses System schreibt vor, dass Elektroautos schon ab 2018 bei jedem Anbieter für mindestens 8 Prozent des Gesamtabsatzes stehen müssen (das System soll übrigens auch für ausländische Hersteller wie Volkswagen und BMW gelten). Falls Peking diese Linie wirklich durchzieht, wären die Folgen für die Elektroautobauer vermutlich verheerend. Sie kämen dann gar nicht umhin, ihre Kapazitäten massiv auszuweiten, während die Elektroauto-Förderung gleichzeitig immer stärker schrumpft. Doch auch wenn die Quotenregelung noch abgemildert wird, ist in den nächsten Jahren ein massiver Konkurrenz- und Margendruck zu erwarten, der sich ab 2021 noch verschärfen wird, wenn die Subventionierung dann endgültig ausläuft.
Gefahr auch bei Lithium-Ionen-Batterien
Im Batterien- und Stromspeicherbereich, in dem sich BYD ebenfalls stark engagiert, sieht es übrigens nicht besser aus. Stationäre Speicher und Batterien für Elektroautos sind zwar selbstredend ein Wachstumsmarkt. Allerdings wurden in den letzten Jahren in diesen Markt auch immense Summen investiert. Im vergangenen Jahr verfügte China bei Lithium-Ionen-Batterien, die für Elektroautos relevant sind, insgesamt über eine Fertigungskapazität von 37 Gigawattstunden.
Damit war der Sektor bereits komfortabel versorgt - die durchschnittliche Auslastung der Akku-Hersteller lag nur bei 61 Prozent. Schon in diesem Jahr dürfte sich die Produktionskapazität aber auf fast 70 Gigawattstunden annähernd verdoppeln und 2019 werden Chinas Hersteller Batterien mit 100 Gigawattstunden pro Jahr produzieren. Deshalb wird die durchschnittliche Auslastung der Hersteller schon in diesem Jahr unweigerlich auf unter 50 Prozent fallen - und das selbst bei sehr günstigen Annahmen für den Elektroautosektor. In zwei Jahren sind die Fertigungsstraßen dann vermutlich nur noch zu 30 bis 40 Prozent ausgelastet. Das Ergebnis wird auch hier ein ruinöser Preiskampf sein, der sich so lange verschärft, bis die Nachfrage gegenüber den massiv ausgeweiteten Kapazitäten eines Tages wieder nachzieht. Bei Morgan Stanley etwa rechnet man allein für dieses Jahr bei Lithium-Ionen-Batterien mit einem Preisverfall von 35 bis 40 Prozent!
Große Herausforderungen
Es ist nicht ganz einfach zu sagen, was das alles für BYD bedeutet. Die Gesellschaft gehört bei Elektroautos und Stromspeichern ohne Zweifel zu den führenden Anbietern und verfügt in vielen Bereichen über einen technologischen Vorsprung. Durch ihre schiere Größe kann sie sicherlich auf vielen Ebenen von Skaleneffekten profitieren und damit den Effekt fallender Preise teilweise abfedern. Relativ sicher ist aber, dass sich der Wettbewerbsdruck sowohl bei Elektrofahrzeugen als auch im Batteriesegment verschärfen wird, und dass die Gewinnmargen zunehmend unter Druck kommen werden. Da die Aktie zugleich nicht mehr ganz günstig ist, sind in Zukunft stärkere Kursschwankungen fast unausweichlich. Oder um es anders auszudrücken: Gut möglich, dass ausdauernde Langfrist-Anleger in den nächsten Jahren mit einem blauen Auge davon kommen -ganz sicher ist das aber nicht.
Bei aller Hochachtung vor dem, was BYD in der Vergangenheit auf die Beine gestellt hat: Aktuell können wir uns für die Aktie nur bedingt erwärmen. Wer vom Wachstum des chinesischen Automarktes und des dortigen Elektroauto-Sektors profitieren will, für den gibt es zurzeit bessere Alternativen - teils weil andere Autobauer günstiger bewertet sind oder gesündere Bilanzen haben, teils auch, weil sie zukunftsweisende Technologie-Allianzen eingegangen sind oder sich auf spezielle Bereiche spezialisiert haben, die besonders aussichtsreich sind.
In unserem neuen Spezialreport zum chinesischen Autosektor nehmen wir folgende Aktien unter die Lupe:
- BAIC Motor Corp.
- Bitauto Holdings
- Brilliance China Automotive
- BYD
- Dongfeng Motor Group
- Geely Automobile
- Great Wall Motor
- Guangzhou Automobile
- Harmony New Energy Auto
- Shenzhen Expressway
Die Studie kann auf der Homepage des EMERGING MARKETS TRADER angefordert werden.
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Gerhard Heinrich ist ein ausgewiesener Experte für die Schwellenländerbörsen und Redakteur beim Börsenbrief EMERGING MARKETS TRADER. Dieser Dienst bietet fundierte Analysen zu den Aktienmärkten in Asien, Osteuropa, Lateinamerika und Afrika und konkrete Kaufempfehlungen für Anleger. Mehr Infos unter: www.emerging-markets-trader.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.