Brasilien: Hoch gestiegen, tief gefallen
Der Boom im größten Land Südamerikas ist erst mal vorbei. Doch der aktuelle Ausverkauf bietet Chancen. Wie Anleger agieren können.
von Emmeran Eder, Euro am Sonntag
Er war auf dem Weg, der reichste Mann der Welt zu werden. Nun ist er nur noch ein armer Millionär. Noch im Frühjahr 2012 besaß Eike Batista ein Vermögen von 35 Milliarden US-Dollar und war mit Ölfirmen, Hotels und Investitionen in der Unterhaltungsindustrie zu Brasiliens Krösus aufgestiegen. Inzwischen ist sein Kapital durch Fehlinvestments vor allem im Ölsektor auf unter eine Milliarde Dollar geschrumpft.
So wie Batista scheint auch ganz Brasilien ein gefallener Star zu werden. Das Boomland, das jahrelang nur Wachstumsraten im hohen einstelligen Bereich kannte, kämpft seit zwei Jahren mit einer stagnierenden Wirtschaft. Gerade mal um 0,9 Prozent legte das BIP im ersten Halbjahr 2013 zu. Die Zentralbank bekommt trotz mehrerer Zinserhöhungen die hohe Inflation von gut sechs Prozent nicht in den Griff.
Die steigenden Preise treffen die Mittel- und Unterschicht. Eine Fahrpreiserhöhung bei öffentlichen Verkehrsmitteln brachte das Fass während des Confederations Cups zum Überlaufen. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit gab es Massendemonstrationen, die sich gegen die Inflation, das schlechte Gesundheits- und Bildungssystem, die marode Infrastruktur und die Korruption richteten. Die Protestierenden machten ihrem Unmut Luft, dass für teure Fußballstadien viel Geld verbaut wurde, statt es für die dringlichen Aufgaben des Landes zu verwenden.
Die Regierung um Präsidentin Dilma Rousseff wurde von den Protesten überrascht, ist doch der Lebensstandard der Brasilianer seit 2003 deutlich gestiegen. Die boomende Wirtschaft und der Mangel an qualifizierten Beschäftigten ermöglichten kräftige Lohnerhöhungen. Sozialprogramme führten dazu, dass viele arme Südamerikaner in die Mittelschicht aufstiegen. Doch mit den hohen Gehältern hat die Industrie nun zu kämpfen. Die Produktivität wuchs nicht im selben Maße wie der Verdienst. Die hohen Lohnstückkosten schaden der Wettbewerbsfähigkeit Brasiliens enorm.
Konsumrausch ist zu Ende
In den vergangenen zwei Jahren hielt die Konsumlust der Mittelschicht die Wirtschaft am Laufen. Inzwischen sind Sättigungstendenzen spürbar. Zumal es am Zuckerhut üblich ist, Shopping über Konsumentendarlehen zu finanzieren. Die kletternden Zinsen würgen die Ausgabefreude ab.
Zu allem Überfluss fragt China weniger Rohstoffe nach. Die machen mehr als 60 Prozent von Brasiliens Exporten aus. Auch die Ausbeutung der vor der Küste gefundenen riesigen Ölquellen gestaltet sich schwieriger als erwartet. Das bekam Batista zu spüren, bei dessen Investitionen Salz im Getriebe war. Das Tiefseeöl Brasiliens liegt unter einer kilometerdicken Salzschicht verborgen und ist extrem schwer zu heben.
„Das Ausruhen Brasiliens auf seinem Rohstoffreichtum und dem Konsum wirkt sich nun negativ aus. Wichtige Strukturreformen wurden nicht angegangen“, kritisiert Patrick Pastollnigg, Emerging-Markets-Experte bei Raiffeisen Capital Management. Wegen des unzureichenden Bildungssystems mangelt es an qualifizierten Technikern und Ingenieuren. Es fehlt an Autobahnen und einem funktionierenden Bahnnetz. Die Regierung traut sich nicht, gegen die grassierende Korruption vorzugehen — auch weil einige führende Köpfe selbst hineinverwickelt sind. Das Rentensystem ist viel zu teuer. Das Pensionsalter liegt im Schnitt bei 54 Jahren, die Rentenzahlungen bei 75 Prozent des durchschnittlichen Lebenseinkommens.
Derzeit besteht wenig Aussicht auf Besserung. Unpopuläre Strukturreformen sind im Wahljahr 2014 nicht zu erwarten. Zudem wirken sie erst nach Jahren. Immerhin dürften von den Großereignissen Fußball-WM und Olympische Spiele Tourismus, Konsum und die Infrastruktur profitieren, da noch einige Projekte fertiggestellt werden. Hoffnung macht auch die abgestürzte Währung Real, die Exporte verbilligt. Für 2014 rechnen Experten immerhin mit 2,5 Prozent Wachstum.
Doch nur falls China wieder mehr Rohstoffe braucht, dürfte Brasiliens Wirtschaft neuerlich deutlich anziehen. Andreas Busch, Analyst bei der Anlagegesellschaft Bantleon, ist pessimistisch: „Brasiliens Wachstumsraten werden auf längere Sicht nicht mehr an die guten Jahre anknüpfen.“
Das sieht die Börse ebenso. Brasiliens Leitindex fiel seit Jahresbeginn von 60.000 auf 50.000 Punkte. Zudem mussten Anleger hohe Devisenverluste verkraften. Immerhin: Die Bewertung ist inzwischen mit einem 2014er-KGV von 9,6 moderat und der Real dürfte nach dem Crash bald seinen Boden gegenüber dem Euro finden. Das eröffnet antizyklischen Währungsspekulanten auch wegen der hohen Zinsen Chancen. Für den Bovespa eignen sich Bonuszertifikate mit viel Risikopuffer, die von einem Seitwärtsmarkt profitieren.
Eine Portion Vorsicht und das Einkalkulieren zwischenzeitlicher Kursrückgänge kann bei einer Anlage in brasilianische Titel jedenfalls nicht schaden. Den Leitspruch Batistas „Die Welt gehört den Kühnen“ sollten Investoren nicht beherzigen. Kühnheit ist manchmal Torheit.
Investor-Info
Bovespa-Cap-BonusZertifikat
Puffer plus Währungschance
Um 20 Prozent ist Brasiliens Leitindex Bovespa seit Januar eingebrochen. Zuletzt erholte er sich zwar, große Sprünge nach oben sind aber nicht zu erwarten. Allzu verhalten sind die ökonomischen Aussichten. Mit einem neuerlichen massiven Kursrutsch ist jedoch nicht zu rechnen, eher mit einer volatilen Seitwärtsphase. Mit dem Bovespa-Cap-Bonuszertifikat von Goldman Sachs verdienen Anleger daran. Sinkt das Barometer bis zur Fälligkeit im Juli 2014 nie um 40 Prozent auf 30.000 Indexpunkte oder mehr, gibt es den Gegenwert des Caps von 95.000 Punkten. Das entspricht derzeit 15 Prozent Rendite. Zusätzliche Risiken, aber vice versa auch große Chancen beinhaltet der zuletzt massiv abgestürzte Real.
KfW-REAL-Anleihe
Übertriebener Devisenabsturz
Die Panik an den Schwellenländerbörsen brachte Brasiliens Währung Real unter Druck. 25 Prozent verlor sie zum Euro. Auch die Kurse der Real-Bonds fielen deutlich. Die Valuta ist überverkauft. Das birgt Chancen für mutige Bondkäufer. Eine bis März 2016 laufende Real-Anleihe der KfW mit Topbonität bietet 6,0 Prozent Kupon und 9,4 Prozent Rendite beim Kurs von 92,24 Prozent. Selbst falls der Real weiter fällt, gewährt der Renditepuffer von 24 Prozent bis zur Fälligkeit Sicherheit. Trotz flauer Konjunktur hat Brasilien solide Staatsfinanzen. Die Verschuldung liegt bei 55 Prozent, das Haushaltsdefizit bei 3,3 Prozent des BIP. Die Devisenreserven sind mit 360 Milliarden Dollar hoch — ein Traum für viele Euroländer.