IWH senkt Wachstumsprognose 2020 auf 0,6% von 1,1%
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) hat seine Prognose für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise deutlich gesenkt.
Die Ökonomen erwarten nun eine Zunahme des BIP um 0,6 Prozent und halbierten ihre Prognose damit gegenüber noch im Dezember erwarteten 1,1 Prozent nahezu. Für 2021 rechneten sie dann aber wieder mit einer Beschleunigung des deutschen Wachstums auf 2,0 Prozent. Bisher waren 1,6 Prozent erwartet worden.
"Die Corona-Epidemie blockiert die konjunkturelle Erholung in Deutschland", erklärte das IWH. "Aus dem Ausland fällt Nachfrage aus, im Inland wird Konsum, soweit er Infektionsrisiken mit sich bringt, unterlassen, und Investitionen werden aufgeschoben."
Die Prognose steht nach den Angaben unter der Annahme, dass die Epidemie in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften noch zeitnah eingedämmt werden kann. "Sollte die Ausbreitung der Krankheit nicht drastisch reduziert werden können, ist mit einer Rezession in Deutschland zu rechnen", warnten die Forscher. Ihre Kollegen vom Kieler Institut für Weltwirtschaft hatten hingegen erst am Morgen für 2020 unter der Annahme, dass die Pandemie zur Mitte des Jahres abflaut, einen BIP-Rückgang um 0,1 Prozent vorhergesagt, dem 2021 ein Plus von 2,3 Prozent folgt.
Anziehende Konjunktur im Winterhalbjahr erwartet
Das IWH erklärte, im ersten Quartal seien Produktion und Nachfrage in China wohl gesunken, und für viele fortgeschrittene Volkswirtschaften sei mit ähnlichen wirtschaftlichen Folgen wie für China zu rechnen. Die deutliche Zinssenkung durch die US-Notenbank habe Anfang März Preiseinbrüche an den Aktien- und Rohstoffmärkten nicht verhindern können. Die Epidemie habe die deutsche Konjunktur zu einem Zeitpunkt getroffen, als eine längere Schwächephase zu Ende zu gehen schien. Nun sei "jedoch mit einem Einbruch des Welthandels in der ersten Jahreshälfte 2020 zu rechnen".
Zudem dürfte die mit der Epidemie einhergehende Verunsicherung wirtschaftliche Aktivitäten dämpfen. Die Produktion dürfte im zweiten Quartal 2020 zurückgehen. Mit der unterstellten Verzögerung weiterer Infektionen in- und außerhalb Deutschlands in der zweiten Jahreshälfte dürfte die Konjunktur im kommenden Winterhalbjahr recht kräftig anziehen.
Auf die Beschäftigung dürfte der vorübergehende Produktionsrückgang aber nur wenig durchschlagen, auch, weil schon seit einiger Zeit der Beschäftigungsaufbau vor allem in Wirtschaftszweigen stattfinde, die vom gegenwärtigen konjunkturellen Rückschlag kaum oder gar nicht in Mitleidenschaft gezogen würden. Das IWH erwartete einen Rückgang der Zahl der Arbeitslosen auf 2,249 Millionen in diesem und 2,197 Millionen im kommenden Jahr und der Arbeitslosenquote auf 4,7 Prozent 2020 und 4,6 Prozent im Jahr 2021.
Keine Maßnahmen zur Nachfragesteigerung nötig
"Ein wesentliches Risiko für die deutsche Konjunktur sind Einschränkungen des Arbeitsangebots, weil eine massive Häufung von Erkrankungen, auch wenn sie zumeist mild verlaufen, zeitweise zu einem erheblichen Rückgang des Arbeitseinsatzes führen würde", warnte IWH-Vizepräsident Oliver Holtemöller. "Eine solche Erkrankungswelle könnte das Arbeitsvolumen über die einzelnen Quartale hinweg erheblich dämpfen." Dann bestehe die Gefahr, dass präventive Maßnahmen und Unsicherheit der Privathaushalte und Unternehmen die gesamtwirtschaftliche Nachfrage spürbar dämpften.
Wirtschaftspolitische Maßnahmen, die die gesamtwirtschaftliche Nachfrage stimulierten, seien angesichts der Corona-Krise gegenwärtig aber nicht angezeigt. Die notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionen führten zu kurzfristigen Einbußen, die auch aus ökonomischer Perspektive hinzunehmen seien, um noch größere Folgewirkungen zu verhindern. Es komme jetzt vor allem darauf an, dass die Ausbreitung des Virus verlangsamt wird. Im nächsten Schritt sei es wichtig, "einen übermäßigen Anstieg von Unternehmensinsolvenzen zu verhindern".
Die bereits beschlossene Ausweitung der Kurzarbeiterregeln sei dazu eine wichtige kurzfristige Maßnahme. Auch müssten die Banken als erster Anlaufpunkt bei Liquiditätsengpässen "weiterhin funktionsfähig bleiben und sollten nötigenfalls durch liquiditätspolitische Maßnahmen unterstützt werden". Bei zu großen Risiken seien Staatsgarantien bei Beibehaltung eines gewissen Eigenrisikos der Banken die nächste Stufe. Stundungen von staatlichen Forderungen wie Steuern und Sozialbeiträgen könnten dazukommen. Reichten all diese Maßnahmen nicht aus, um größeren Schaden abzuwenden, kämen laut IWH "finanzielle Transfers an einzelne Unternehmen infrage".
Von Andreas Kißler
HALLE/BERLIN (Dow Jones)
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