Bosse-Beben: Welche Konzernlenker zittern müssen
Erst Volkswagen, jetzt Fresenius und Adidas - gleich drei Konzerne wechseln ihren Chef aus. Nach fast drei Jahren Dauerkrise zeigen Investoren und Manager Nerven.
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von Wolfgang Ehrensberger, Stephan Bauer und Sven Parplies, Euro am Sonntag
Chef eines Sportartikelkonzerns zu sein bringt ungewöhnliche Vorzüge. Das hat Kasper Rorsted schnell erkannt: Früher, als Vorstandsvorsitzender von Henkel, habe er an Wochenenden oft mit der Eigentümerfamilie über das Geschäft gesprochen. Jetzt bei Adidas könne er stattdessen die Heimspiele des FC Bayern besuchen, bei dem Adidas Ausrüster und Großaktionär ist.
Diese Anekdote erzählte Rorsted im Februar 2019 auf der Festveranstaltung des Finanzen Verlags, der Rorsted als "Unternehmer des Jahres" auszeichnete. Wie im Fußball kann sich auch in der Wirtschaft die Welt schnell ändern. Obwohl Rorsteds Vertrag noch bis 2026 läuft, geht seine Ära bei Adidas bereits im kommenden Jahr zu Ende. Bis zur Bestellung eines Nachfolgers werde Rorsted das Amt des Vorstandsvorsitzenden weiterführen, meldet der Konzern. Einflussreiche Aktionäre haben hinter den Kulissen offenbar schon länger Druck gemacht. Die Intensität der Debatte habe zuletzt zugenommen, heißt es bei den Analysten von RBC.
Als Rorsted vor knapp sechs Jahren in Herzogenaurach loslegte, wurde er unter Börsianern als fast mythische Gestalt gefeiert. Bei Henkel hatte der Däne eine besondere Fähigkeit bewiesen: Rorsted trieb die Marge nach oben. Dass er sich dabei wenig Freunde im Konzern machte, war in der Logik der Finanzmärkte eher Auszeichnung als Handicap. Nach etwas mehr als drei Jahren hatte er den Aktienkurs von Adidas verdoppelt und damit den DAX deutlich, den Hauptrivalen Nike knapp geschlagen. Unter Rorsted habe Adidas seine digitalen Fähigkeiten erheblich ausgebaut und die Onlineumsätze mehr als verfünffacht. In Nordamerika habe Adidas seine Umsätze verdoppelt, hebt Aufsichtsratschef Thomas Rabe hervor.
Die Pandemie beendet diese Erfolgsserie. Seit dem Corona-Crash ist Adidas nicht mehr richtig auf die Beine gekommen. Während sich die Aktien der Rivalen Puma und Nike erholten, wurde Adidas immer wieder zurückgeworfen. Mit der scharfen Gewinnwarnung im Juli war die Geduld erschöpft. Vor allem China, einst wichtigster Wachstumstreiber, ist zum Problemfall geworden. Aber auch eine spezielle Sorge scheint sich bewahrheitet zu haben: Dem auf Performance fixierten Chef gelang es nicht, die Balance zu finden zwischen der Gier der Finanzmärkte und der Sensibilität eines auf künstlerische Kreativität angewiesenen Unternehmens.
Viel Kraft gekostet
Rorsted selbst zieht eine positive Bilanz: Er sei stolz auf das, was man als Team erreicht habe. Der Nochchef erklärt aber auch: Das Geschäft von Adidas sei von zahlreichen externen Faktoren erheblich beeinträchtigt worden. "Es hat viel Kraft gekostet, diese externen Herausforderungen zu bewältigen. Deshalb ist ein Neustart im kommenden Jahr für das Unternehmen und für mich persönlich richtig und wichtig."
Viel Kraft haben Pandemie und Ukraine-Krieg mit all den Begleiterscheinungen auch den Aktionären abverlangt. Kursverluste strapazieren die Nerven. In einer Welt steigender Notierungen sind Schwächephasen einzelner Papiere vermutlich leichter zu verzeihen als in einer breiten Börsenkrise. Zugleich zeigen schwierige Zeiten, welche Manager ihr Gehalt wirklich wert sind. "Angesichts des immer schwierigeren wirtschaftlichen Umfelds wird auch die Luft für einige DAX-Konzernchefs immer dünner", beobachtet Ingo Speich, Experte für Unternehmensführung bei der Fondsgesellschaft Deka.
Der Sommer 2022 sorgt für ungewöhnlich viele Personalien auf der Führungsebene der deutschen Wirtschaft. Innerhalb weniger Wochen hat es drei Vorstandsvorsitzende aus dem DAX erwischt. Wenige Tage vor Rorsted gab der Gesundheitskonzern Fresenius den vorzeitigen Abschied von Stephan Sturm bekannt. Und bereits Ende Juli hatte der Aufsichtsrat von Volkswagen das Steuer herumgerissen. In diesem Fall sogar trotz vergleichsweise guter Zahlen: Porsche-Chef Oliver Blume übernimmt ab September den Posten von Herbert Diess, der es sich vor allem mit der einflussreichen Wolfsburger Arbeitnehmerfraktion verscherzt hat.
Wen erwischt es als Nächsten im DAX? Gezählt sind die Tage von Werner Baumann, der Bayer mit der Übernahme von Monsanto in schwere Turbulenzen manövrierte. Baumanns Vertrag beim Pharma- und Agrarkonzern läuft noch bis April 2024. Danach will er sich zurückziehen.
Zumindest angeschlagen sind zwei prominente Manager: Allianz-Chef Oliver Bäte steht vor allem wegen Verfehlungen der Vermögensverwaltung in den USA in der Kritik. Vonovia-Chef Rolf Buch ist mit dem überhasteten Einstieg des Immobilienkonzerns bei Adler Group in Bedrängnis geraten.
Anders als im Fußball werden Chefwechsel in der Wirtschaft meist im Verborgenen vorbereitet. Speich sieht dennoch Muster: "Auffällig ist, dass die aktuellen Abberufungen bei Fresenius und Adidas nach schwachen Geschäftszahlen über zwei bis vier Quartale kommen, begleitet von deutlichen Aktienkursverlusten."
Nach dem Sturm
Dass Fresenius-Chef Stephan Sturm nur noch bis Ende September im Amt bleibt, geht auch auf einen Tag im Februar zurück. Für die Bilanzvorlage 2021 hatte Sturm die Vorstellung der neuen Strategie der Bad Homburger angekündigt. Im Vorfeld wurde wild spekuliert: Spaltet Sturm den Konzern auf? Hebt er Werte, kommen Teile an die Börse? "Mir gefällt die Struktur des Gesundheitskonzerns so, wie sie ist", sagte der Chef dann - und enttäuschte den Kapitalmarkt. Hinzu kamen anhaltend schleppende Geschäfte vor allem in der Dialysesparte FMC, deren Patientenzahlen in der Pandemie unter Druck gerieten. Der Kurs der Aktie brach ein.
Die erneute Gewinnwarnung Ende Juli war wohl der Tropfen, der für den Aufsichtsrat des Bad Homburger Gesundheitskonzerns das Fass zum Überlaufen brachte. Abermals gab der Kurs stark nach und sank in der Folge auf ein Zehnjahrestief. Dabei war die Fresenius-Aktie bei Sturms Amtsantritt im Sommer 2016 noch einer der Performance-Stars im DAX, hatte unter Vorgänger Ulf Schneider durchschnittlich zweistellige Jahresrenditen geliefert. Unter Sturm hingegen entwickelte sich das Papier zum Dauerflop und verlor inklusive Dividenden im Schnitt 13 Prozent pro Jahr. Der DAX lieferte dagegen immerhin fünf Prozent Plus.
Der Mann, der Fresenius wieder fit machen soll, ist Michael Sen. Der bisherige Chef der margenstärksten Konzernsparte, Fresenius Kabi, übernimmt Anfang Oktober. Sen hat sich während seiner Zeit als Siemens-Vorstand mit der Vorbereitung des Börsengangs der Medizintechniksparte Healthineers sowie später als Finanzchef des Versorgers Eon mit der Abspaltung des fossilen Geschäfts der Tochter Uniper einen Namen gemacht und gilt als ausgesprochen kapitalmarktaffin.
Viele Investoren setzen nun auf werthebende Strukturänderungen auch in Bad Homburg. Die Minderheitsbeteiligung an der chronisch schwächelnden FMC, bei der die Mutter die volle Kontrolle ausübt, könnte Sen verkaufen. Vorher dürfte allerdings ein internes Fitnessprogramm anstehen. Die neue Chefin Carla Kriwet, die Rice Powell Anfang Oktober an der FMC-Spitze ablöst, muss sich darum kümmern. Auch Anteile der Krankenhaustochter Helios könnten auf den Markt kommen, womöglich in einem Börsengang. Als ihr bisheriger Chef kennt Sen auch das Potenzial der Ertragsperle Kabi, deren Generikageschäft er im Bereich der Biosimilars, also Generika von Biopharmazeutika, ausbauen dürfte. Größere Akquisitionen sind allerdings auch hier kaum drin, dafür muss erst einmal die hohe Verschuldung des Konzerns runter.
Auch Sen wird natürlich vor allem an einem Kriterium gemessen werden: dem Aktienkurs. Der legte zur Begrüßung des neuen Chefs am Montag gleich mal um dreieinhalb Prozent zu.
INVESTOR-INFO
Adidas
Warten auf den Nachfolger
Das größte Problem von Adidas liegt in China. Corona-Lockdowns und die verschärfte Konkurrenz durch lokale Marken bremsen den DAX-Konzern in seinem wichtigsten Wachstumsmarkt. Nicht nur dort muss ein neuer Chef anpacken. Adidas braucht frischen Wind auch in der Produktentwicklung. Wichtig ist zudem, dass schnell ein Rorsted-Nachfolger gefunden wird, da nur der Neue weitreichen- de Entscheidungen treffen kann. Wir stufen die Aktie auf "Halten" herunter.
Fresenius
Neue Fantasie
Zuletzt brach der Gewinn der Dialysetochter FMC wegen der in der Pandemie stark gesunkenen Patientenzahlen ein - Hauptgrund für die Gewinnwarnung Ende Juli. Hier müssen die Kosten runter. Die Generikatochter Kabi hat hohe Margen und hohes Potenzial, sie bleibt unter dem neuen Chef Michael Sen wohl Kern des Konzerns. Bei FMC und der Krankenhaustochter Helios sind Verkäufe und Spin-offs denkbar, das schafft Fantasie.
Volkswagen
Wichtige Entscheidung
Das Potenzial des Autokonzerns ist riesig, leider steht sich Volkswagen immer wieder selbst im Weg. Das zyklische Geschäft der Branche macht die Aktie anfällig für eine Rezession. Das niedrige Bewertungsniveau der im DAX notierten Vorzüge sollte Risiken nach unten begrenzen. Ein Teilbörsengang der VW-Marke Porsche noch in diesem Jahr wäre ein wichtiges Signal, das auch das Vertrauen in den neuen Chef stärken würde.
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Name | Hebel | KO | Emittent |
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Bildquellen: Julian Mezger für Finanzen Verlag, Pavel Ignatov / Shutterstock.com
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06.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
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29.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research |
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01.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Buy | Joh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank) | |
31.10.2024 | Volkswagen (VW) vz Buy | Deutsche Bank AG |
Datum | Rating | Analyst | |
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06.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
29.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
29.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research | |
27.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Neutral | JP Morgan Chase & Co. | |
26.11.2024 | Volkswagen (VW) vz Market-Perform | Bernstein Research |
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03.12.2024 | Volkswagen (VW) vz Sell | UBS AG | |
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