EZB-Protokoll: Kaum veränderter Wachstumsausblick und keine Inflationssorgen
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) ist bei seinen Beratungen am 20. und 21. Januar zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Wachstumsaussichten für den Euroraum trotz neuer Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kaum verändert haben.
Wie aus dem jetzt veröffentlichten Protokoll hervorgeht, sahen er allerdings ein gewisses Risiko darin, dass die Lockdowns in einigen Ländern länger und härter ausfallen als in den Dezember-Prognosen des EZB-Stabs vorgesehen. Die Ratsmitglieder diskutierten außerdem über den Anstieg der kurzfristigen Nominalzinsen und äußerten sich weniger besorgt über den Euro-Wechselkurs. Die Möglichkeit eines unerwartet starken Inflationsanstiegs wurde nur am Rande erwähnt.
Laut EZB waren die Ratsmitglieder der Ansicht, dass Daten, Umfragen und Hochfrequenzindikatoren auf einen Aktivitätsrückgang im vierten Quartal hindeuteten, dass dieser Rückgang aber weniger stark ausgefallen sein dürfte als in den Dezember-Projektionen unterstellt. "Umgekehrt dürfte die jüngste Verschärfung der Pandemie die Aktivität im ersten Quartal deutlicher als bisher erwartet dämpfen", heißt es in dem Protokoll. Insgesamt hätten frühere Prognosen zwar die Verlängerung von Lockdowns über das Jahresende hinaus berücksichtigt, diese seien aber vielfach deutlicher als erwartet verlängert und verschärft worden.
Vorübergehenden Inflationsanstieg nicht mit nachhaltigem verwechseln
Im Hinblick auf die Verbraucherpreise sahen die EZB-Ratsmitglieder überwiegend das Risiko, dass die Entwicklung schwach verlaufen könnte. Ein Anstieg sei für die nächsten Monate zwar zu erwarten, doch dürfte es wegen der schwachen Nachfrage schwierig werden, das Inflationsziel mittelfristig zu erreichen. Die Möglichkeit eines stärkeren Inflationsanstiegs in der zweiten Jahreshälfte wurde erwähnt, zugleich aber gewarnt: "Ein vorübergehender Inflationsanstieg sollte nicht mit einem nachhaltigen verwechselt werden, der sich nur sehr langsam einstellen dürfte."
Die Jahresveränderungsrate des Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) war im Januar unerwartet stark - von minus 0,3 auf plus 0,9 Prozent - gestiegen und die Kernteuerung von 0,2 auf 1,4 Prozent. Diese Entwicklung war aber während der Beratungen des EZB-Rats noch nicht abzusehen und überraschte Marktteilnehmer und Analysten.
Sorgen machten sich einige Ratsmitglieder über den Anstieg der nominalen kurzfristigen Zinsen. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane sagte in seinem Statement, diese Entwicklung müsse genau beobachtet werden. Von anderer Seite hieß es allerdings, dass aus geldpolitischer Sicht die Realzinsen wichtiger seien, und diese seien wegen gestiegener Inflationserwartungen weiter gesunken.
Etwas entspannter äußerten sich die Währungshüter zum Euro-Wechselkurs. Sie wiesen darauf hin, dass sich der länger anhaltende Anstieg des nominalen gewichteten Euro-Kurses 2021 nicht fortgesetzt habe, dass aber alle weiteren Entwicklungen genau beobachtet werden müssten.
Die EZB hatte ihre Geldpolitik im Januar nach der Verabschiedung eines umfangreichen Maßnahmepakets im Dezember zu Jahresbeginn wie erwartet unverändert gelassen. Sowohl die Leitzinsen als auch die Wertpapierkaufprogramme APP und PEPP sowie die sie betreffende Forward Guidance blieben konstant.
Zinskurvenkontrolle spielt im Sitzungsprotokoll keine Rolle
Im Vorfeld der Sitzung hatten Meldungen die Runde gemacht, dass die EZB eine spezielle Form der Zinskurvenkontrolle betreibe, indem sie die Spreads zwischen den finanziell stärksten und schwächsten Länder begrenze und dafür sogar Zielgrößen habe. EZB-Präsidentin Christine Lagarde war einer Frage danach in ihrer Pressekonferenz mehr oder weniger ausgewichen. Die Anfang Februar veröffentlichten Daten zeigten dann, dass die EZB ihren Bestand an italienischen Staatsanleihen trotz beginnender Regierungskrise und weitgehend stabiler Spreads sogar abgebaut hatte. Im Sitzungsprotokoll spielte das keine Rolle.
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)
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