Elektromobilität: Deutschlands Auto-Elite bekommt die Kurve
Tesla ist inzwischen so viel wert wie Deutschlands führende Autohersteller zusammen. Doch die heimischen Autohersteller sind voll dabei, die Kurve noch zu kriegen.
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von Benjardin Gärtner, Gastautor von Euro am Sonntag
Gemessen an der Börsenkapitalisierung ist der Elektroautobauer Tesla am Markt ungefähr doppelt so hoch bewertet wie die deutschen Fahrzeughersteller BMW, Daimler und Volkswagen zusammen. Doch der Blick auf nur eine Ziffer täuscht. Für Tesla ist der Umsatz 2020 mit 26 Milliarden Euro bereits Rekord. Die drei größten deutschen Anbieter hingegen bringen in dieser Disziplin mehr als 470 Milliarden Euro auf die Waage. Am Aktienmarkt interessiert das offenbar weniger. Hier wird vor allem die Zukunft gehandelt - zugunsten der US-Amerikaner.
Dabei eröffnen sich für die deutschen Hersteller durchaus Chancen. Denn Europa setzt auf nachhaltige Mobilität und will die Emissionsziele verschärfen. Dazu gehört auch der Ausbau eines Netzes mit Ladestationen. Den heimischen Autobauern hilft das. Denn derzeit läuft eine Modelloffensive im Segment für Elektroautos. In der Börsenbewertung scheint dies bislang noch nicht hinreichend honoriert.
Klar ist, dass die traditionellen Hersteller den Wandel hin zu einer ganz auf Elektromobilität ausgerichteten Produktpalette erst noch schaffen müssen. Der Umbau zur Elektromobilität kann nur gelingen, wenn er mit deutlichen Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen seitens der Hersteller verbunden ist. Sollten hier bei den kommenden Hauptversammlungen Stimmen des Unmuts laut werden, so darf das nicht überraschen. Die Umsetzung solcher Maßnahmen braucht Zeit. Anleger müssen also viel Geduld mitbringen.
Das laufende Jahr dürfte für die Branche eine Schlüsselrolle einnehmen. Es kommen so viele neue Elektro-Automodelle wie nie von deutschen Herstellern auf den Markt. Allein Daimler, lange als Nachzügler gesehen, bringt vier reine E-Modelle. Es geht also nicht nur um Plug-in-Hybride, wo ein prozentual zweistelliges Wachstum in Europa realistisch erscheint, sondern auch um Komplettversionen.
In Deutschland hat sich der Bestand an E-Autos 2020 verdoppelt. Aktuell wächst der Anteil an Neuzulassungen der Stromer zweistellig. Zwar beträgt der globale Anteil von E-Autos am Gesamtmarkt erst unter fünf Prozent. Bis zum Jahr 2030 dürfte er mit Hybridantrieb als auch als rein batteriebetriebene Fahrzeuge auf rund 30 bis 40 Prozent steigen. Der strukturelle Wandel der Autobranche schreitet voran.
Mit Blick auf die Profitabilität im E-Auto-Segment ist aber viel Geduld gefragt. Toyota etwa erwartet, die Gewinnschwelle mit der zweiten Generation E-Autos bis Ende 2021 zu erreichen. Erst die dritte Generation soll dann laut Aussagen des Managements ab 2025 bis 2026 eine positive Marge liefern. Ähnliches dürfte auch für die deutschen Autobauer gelten.
Der Einstieg in die Massenproduktion entscheidet über den ökonomischen Erfolg. Erst mit hohen Stückzahlen lässt sich Kostendegression und mittelfristig ein profitables Geschäft erreichen. Den Aufbau einer schlagkräftigen und lieferfähigen Massenproduktion für E- Autos sollten die traditionellen Autohersteller eigentlich beherrschen. Sie könnten rasch Nutzen aus Größenvorteilen ziehen - wenn der Absatz entsprechend weiter steigt.
Auch kurzfristig hat sich das Umfeld für die Branche aufgehellt - trotz oder teils wegen der Pandemie. Die Sorge vor einer Ansteckung mit Covid-19 führt nämlich auch zu einer höheren Nachfrage nach Individualverkehrslösungen wie etwa Autos. Das gilt insbesondere für Länder, in denen Bahn und Bus verbreitete Verkehrsmittel zum Pendeln sind, wie etwa China, aber auch für viele europäische Staaten.
Als Aktienanlage sollten traditionelle Automobilhersteller die Kurve kriegen. Die Gewinne haben sich nach dem Corona-Einbruch wieder rasch erholt. Gleichzeitig bieten die Autopapiere attraktive und ziemlich sichere Dividenden, die aus einer Erholung im Kerngeschäft gespeist werden.
Benjardin Gärtner:
Leiter des Portfoliomanagements Aktien bei Union Investment
Gärtner ist Mitglied des Union Investment Committee, das auf monatlicher Basis die Kapitalmarktstrategie von Union Investment formuliert.
Union Investment ist die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken und mit aktuell rund 370 Milliarden Euro verwaltetem Vermögen einer der größten deutschen Vermögensverwalter für private und institutionelle Anleger.
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Bildquellen: Union Investment, Justin Sullivan/Getty Images
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