Ausblick

Siemens-Aktie springt hoch: Umsatzwachstums- und Gewinnprognose für Siemens angehoben - Bewertung im Blick

09.02.23 18:01 Uhr

Siemens-Aktie springt hoch: Umsatzwachstums- und Gewinnprognose für Siemens angehoben - Bewertung im Blick | finanzen.net

Der Technologiekonzern Siemens kann seine Investoren pünktlich zur Hauptversammlung mit starken Zahlen zum Start des neuen Geschäftsjahres erfreuen.

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Das Unternehmen erhöhte nach überraschend guten Quartalszahlen seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr (per Ende September). Die Siemens-Aktie erklomm darauf am Donnerstag den höchsten Kurs seit 13 Monaten.

Im ersten Geschäftsquartal bis Ende Dezember glichen die Digitalisierungsgeschäfte des Konzerns die Schwächen in der Zugsparte sowie bei der Medizintechniktochter Siemens Healthineers mehr als aus. "Mit 2,7 Milliarden Euro Ergebnis im Industriellen Geschäft ist uns der bislang stärkste Start in ein neues Geschäftsjahr geglückt", kommentierte Konzernchef Roland Busch die Zahlen. Die Erhöhung der Prognose erfolgte dem Manager zufolge auch mit Blick auf den Rekordauftragsbestand von 102 Milliarden Euro.

Unisono lobten Analysten die Zahlen, auch wenn einige auf Schwachstellen im Zusammenhang mit dem schwächer ausgefallenen Barmittelfluss hinwiesen.

Der Umsatz soll 2022/23 auf vergleichbarer Basis - also ohne Effekte aus Zu- und Verkäufen sowie Währungsumrechnungen - jetzt um sieben bis zehn Prozent zulegen, wie das Unternehmen überraschend bereits am Mittwochabend mitgeteilt hatte. Die Spanne wurde damit an beiden Enden um je einen Prozentpunkt erhöht. Für die Sparten Digital Industries und Smart Infrastructure erhöhte Siemens die Erwartungen für Umsatzwachstum und Profitabilität.

Beim Gewinn je Aktie vor bestimmten Kaufpreiseffekten soll sich dies ebenfalls positiv auswirken. Siemens rechnet hier jetzt mit einer Bandbreite von 8,90 Euro bis 9,40 Euro. Die Latte liegt hier damit jetzt jeweils 20 Cent höher als bisher. Im vergangenen Geschäftsjahr war der Gewinn unter anderem wegen einer Wertberichtigung auf die Beteiligung an Siemens Energy sowie Belastungen im Zusammenhang mit der Aufgabe des Russlandgeschäfts um rund ein Drittel auf 5,47 Euro je Aktie eingebrochen. Analysten hatten sich in ihren Schätzungen vor der Zahlenveröffentlichung pessimistischer für 2022/23 gezeigt.

Im ersten Geschäftsquartal schnitt Siemens ebenfalls deutlich besser ab als erwartet. Dabei profitierte der Konzern von einer stärkeren Entwicklung im Geschäft mit intelligenter Infrastruktur als angenommen. Die Digitalisierungssparte konnte weiter mit einem starken Automatisierungsgeschäft punkten. Schwächen in der Zugsparte, die unter anhaltenden Lieferverzögerungen litt und bei Siemens Healthineers, bei denen die in der Vergangenheit hohe Nachfrage nach Corona-Schnelltests nun so gut wie wegfiel, konnte der Konzern dabei mehr als ausgleichen.

Siemens steigerte den Konzernumsatz um zehn Prozent auf knapp 18,1 Milliarden Euro. Das vergleichbare Wachstum lag bei acht Prozent. Das Ergebnis der Industriegeschäfte nahm um neun Prozent auf knapp 2,7 Milliarden Euro zu. Analysten hatten mit einem operativen Ergebnis in etwa auf Vorjahresniveau gerechnet. Nach Steuern sank der Gewinn hingegen auf rund 1,6 Milliarden Euro. Hier wirkte sich unter anderem ein höherer Verlust bei Siemens Energy negativ aus. Zudem hatte Siemens im Vorjahresquartal von einem Sondergewinn profitiert.

Kleiner Wermutstropfen war der um sieben Prozent auf 22,6 Milliarden Euro gesunkene Auftragseingang. Allerdings hatte Siemens im vergangenen Jahr stark von vorgezogenen Bestellungen vor allem in der Digitalisierungssparte sowie Großaufträgen bei Siemens Mobility profitiert. Analysten hatten hier ebenfalls mit weniger gerechnet.

Zwar läuft es geschäftlich derzeit rund, doch Investoren bemängeln weiterhin die Aktienkursentwicklung und den Bewertungsabschlag, den die anhaltende Konglomeratsstruktur bei Siemens hervorbringt.

Fonds wie Union Investment und DWS (DWS Group GmbHCo) forderten daher auf der Hauptversammlung, dass sich Siemens auf seine digitalen Geschäfte konzentriert und sich etwa von der Beteiligung an Siemens Energy sowie von Siemens Healthineers trennt. "Siemens muss weg von der Konglomeratsstruktur, weniger ist mehr! Portfoliomanager kaufen sich die Healthineers schon selbst, wenn sie sie brauchen", sagte etwa Vera Diehl, Portfoliomanagerin bei Union Investment laut Redetext.

Bei Energy hat der Konzern seit längerem angekündigt, sich sukzessive zurückzuziehen. Dies werde jedoch mit "Augenmaß" geschehen, bekräftigte Finanzvorstand Ralf Thomas in einer Telefonkonferenz. Bisher hält Siemens noch rund 35 Prozent der Anteile.

Aktionäre stören sich bei Siemens an der Bewertung

Auf der Hauptversammlung von Siemens werden die Erfolge der Ergebnisentwicklung im vergangenen Jahr von Aktionären klar gewürdigt, deutliche Kritik gibt es allerdings an der unterdurchschnittlichen Kursentwicklung der Siemens-Aktie.

Sabrina Reeh, Fondsmanagerin bei DWS Investment, verweist deshalb auf den Abschlag zu Wettbewerbern, die sich auf zwei oder nur ein Geschäftsfeld konzentrierten. "Anscheinend reicht die gute operative Entwicklung nicht aus und der Markt sieht immer noch eine zu hohe Komplexität bei Siemens", sagte sie laut Redetext. Um Mehrheits- oder Minderheitsanteile an einzelnen Geschäftsfeldern zu halten, müsse es dafür eine industrielle Logik geben. Die sieht sie bei Medizin- und Bahntechnik nur bedingt.

Deutlicher wird Vera Diehl von Union Investment. Es brauche "mittelfristig einen Verkauf der Beteiligung an der Siemens Energy und eine Trennung von Siemens Healthineers, um einen fokussierten Technologiekonzern ohne Konglomeratsabschlag zu bekommen", sagt sie in ihrer Rede.

Ingo Speich von Deka Investment kritisiert das Fehlen einer Strategie beim Vorstand: "Keiner weiß mehr, wofür Siemens eigentlich langfristig steht und wo das Unternehmen mit welchem Fahrplan hin möchte", heißt es in seinem Redetext. Nötig sei ein tragfähiges und zukunftsgewandtes Zielbild, das Investoren begeistern könne. Siemens-Chef Roland Busch habe "den Tanker wieder flottgemacht" und "wirkt sehr stark nach Innen", lautet sein Fazit.

Beim Beteiligungsmanagement müsse der Konzern aber aktiver werden, fordert er. Auch beim Thema Nachhaltigkeit sehe Siemens blass aus. Und das Umweltportfolio überzeugt ebenfalls nicht. "Verstehen Sie die Nachhaltigkeit endlich als Chance, auch im Hinblick auf die Ausrichtung des gesamten Produktportfolios. Wettbewerber wie Schneider oder ABB machen es Ihnen auch hier vor", sagte Speich.

'Beeindruckende Zahlen' treiben Siemens auf 13-Monatshoch

Ein beeindruckend starker Geschäftsjahresauftakt von Siemens samt höher gesteckten Zielen hat am Donnerstag die Aktie der deutschen Industrie-Ikone auf den höchsten Stand seit mehr als einem Jahr getrieben. Sie zog in der Spitze auf 152,20 Euro an. Zum XETRA-Handelsende kletterte das Papier noch um 6,68 Prozent auf 149,42 Euro. Unisono lobten Analysten das Zahlenwerk, auch wenn einige auf Schwachstellen hinwiesen.

"Der Technologiekonzern ist so stark wie nie zuvor in ein Geschäftsjahr gestartet", zeigte sich Analyst Simon Toennessen vom Analysehaus Jefferies beeindruckt. Insbesondere die Auftragslage bei Digital Industries und der Anstieg des operativen Ergebnisses in den Industriegeschäften sowie auch deren Profitabilität hätten die Erwartungen zum Teil in beeindruckender Weise übertroffen.

Analyst Gael de-Bray von der Deutschen Bank hob sogleich sein Kursziel für die Aktie von 165 auf 170 Euro an und bekräftigte sein Anlageurteil "Buy". Er lobte das sehr starke erste Geschäftsquartal vor allem angesichts der bereits veröffentlichten, schwächer als erwartet ausgefallenen Zahlen der Medizintechnik-Tochter Siemens Healthineers.

Einige Experten verwiesen trotz all der Begeisterung aber auch auf die eine oder andere Schattenseite. So habe Siemens mit soliden Zahlen zwar die Erwartungen übertroffen, der freie Barmittelzufluss (freier Cashflow) sei aber weit dahinter zurückgeblieben, konstatierte Analystin Daniela Costa von Goldman Sachs.

"Der freie Cashflow von 77 Millionen Euro lag deutlich unter den von Analysten im Schnitt erwarteten 1,2 Milliarden Euro", schrieb auch der Jefferies-Experte. Zurückzuführen sei dies vor allem auf Siemens Healthineers und das Zuggeschäft Siemens Mobility. Zudem habe das Unternehmen Lagerbestände aufgebaut, um die Abarbeitung von Aufträgen sicherzustellen, hinzu kamen in das zweite Quartal verschobene Kundenzahlungen bei Mobility.

Dennoch, so erwartet jedenfalls Goldman-Analystin Costa, sollten die angehobenen Jahresziele zu steigenden durchschnittlichen Analystenschätzungen führen.

Siemens HV bis 2025 weiter virtuell

Ferner kann Siemens seine Hauptversammlung auch den nächsten beiden Jahren im virtuellen Format abhalten. 83,3 Prozent der Aktionäre räumten dem Vorstand des Technologiekonzerns dazu am Donnerstag die Möglichkeit ein. Online-Hauptversammlungen sind in Deutschland nach einer Gesetzesänderung künftig erlaubt, wenn die Aktionäre dem vorab alle fünf Jahre zustimmen. Auf Druck von US-Stimmrechtsberatern hatte Siemens die Ermächtigung zunächst auf zwei Jahre begrenzt. Jeder sechste Siemens-Anteilseigner stimmte trotzdem dagegen.

MÜNCHEN/FRANKFURT (dpa-AFX / Dow JonesNewswires / Reuters)

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