Hohe Energiepreise drücken laut IfW deutsche Wirtschaft in Rezession
Der Aufschwung der deutschen Wirtschaft wird laut der Herbstprognose des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW) durch die Folgen des Ukraine-Kriegs jäh unterbrochen.
Im laufenden Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach den Berechnungen des Instituts noch um 1,4 Prozent zulegen, 0,7 Punkte weniger als in der Sommerprognose erwartet. Für das nächste Jahr revidierte das IfW seine Prognose um 4 Prozentpunkte nach unten - statt eines kräftigen Plus habe die deutsche Wirtschaft ein Minus von 0,7 Prozent zu erwarten. Für 2024 erwartete das IfW wieder ein BIP-Wachstum von 1,7 Prozent. Die Teuerung dürfte im nächsten Jahr mit 8,7 Prozent noch stärker ausfallen als dieses Jahr mit 8,0 Prozent, 2024 dann aber auf 3,1 Prozent zurückgehen.
"Mit den hohen Importpreisen für Energie rollt eine konjunkturelle Lawine auf Deutschland zu. Vor allem energieintensive Produktionen und konsumnahe Wirtschaftsbereiche werden mit Wucht getroffen", sagte IfW-Vizepräsident Stefan Kooths. Die deutsche Energieimportrechnung steige voraussichtlich um 123 Milliarden Euro in diesem Jahr und um weitere 136 Milliarden im nächsten Jahr. Das Geld fehle im Inland für Konsum und schmälere die Rentabilität energieintensiver Unternehmen. In der Folge sinke Deutschlands Wirtschaftskraft erheblich und liege im nächsten Jahr 130 Milliarden Euro niedriger als bislang vom IfW erwartet.
Die Kaufkraft der privaten Haushalte dürfte nach der Prognose im kommenden Jahr mit 4,1 Prozent so stark einbrechen wie noch nie im wiedervereinigten Deutschland. "Die Energiekrise macht einer sonst zu erwartenden kräftigen postpandemischen Erholung einen Strich durch die Rechnung", konstatierte Kooths. Die teuren Energieimporte bedeuteten, dass Deutschland nun einen weitaus größeren Teil seines erwirtschafteten Einkommens ins Ausland überweisen müsse als bislang. "Mit seinen Entlastungspaketen kann der Staat die Lasten daher nur umverteilen, aus der Welt schaffen kann er sie nicht", so Kooths. Die Wertschöpfung in Deutschland dürfte nun bis in das kommende Jahr hinein rückläufig sein und erst im dritten Quartal 2023 wieder leicht ins Plus drehen.
Beschäftigungsaufbau verliert an Fahrt
Der private Konsum dürfte nach einem Anstieg von rund 4 Prozent im laufenden Jahr um 2,1 Prozent im Jahr 2023 sinken. Dies wäre abgesehen vom Pandemie-Jahr 2020 der stärkste Rückgang des privaten Konsums im wiedervereinigten Deutschland. Im Jahr 2024 lege der private Konsum wieder etwas zu. Die Rezession, aber auch die Mindestlohnerhöhung auf 12 Euro, führten dazu, dass der Beschäftigungsaufbau in den kommenden Monaten weiter an Fahrt verlieren dürfte. Die Arbeitslosenquote dürfte 2023 auf 5,6 Prozent von 5,3 Prozent in diesem Jahr steigen und 2024 leicht auf 5,5 Prozent zurückgehen.
Trotz erheblicher Mehrausgaben zum Abfedern der hohen Energiepreise wird sich der Finanzierungssaldo des Staates nach den Kieler Berechnungen voraussichtlich kaum verschlechtern, da der hohe Preisauftrieb auch für hohe Steuereinnahmen sorgt. Das Defizit steige von 1,7 Prozent im laufenden Jahr auf etwas mehr als 2 Prozent in den beiden kommenden Jahren. Der Bund könne dabei auf hohe Rücklagen zurückgreifen und werde etwa durch das jüngste Entlastungspaket nur im unteren zweistelligen Milliardenbereich zusätzlich belastet.
"Damit ist der Haushalt im kommenden Jahr wohl konform mit der Schuldenbremse", erklärte das IfW. 2024 allerdings, wenn durch den Aufschwung die Möglichkeit der Nettokreditaufnahme stark eingeschränkt werde, dürfte die Einhaltung schwieriger werden. Der Bruttoschuldenstand in Relation zum nominalen BIP dürfte sogar zurückgehen, von 68,7 Prozent im Jahr 2021 auf 64,6 Prozent im Jahr 2024, da das nominale BIP aufgrund des insgesamt hohen Preisauftriebs aufgebläht werde.
Von Andreas Kißler
KIEL (Dow Jones)
Weitere News
Bildquellen: Immersion Imagery / Shutterstock.com