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Pfleiderer: Schwacher US-Markt bleibt das Problem

19.08.10 11:30 Uhr

Der Spanplatten- und Laminathersteller Pfleiderer wollte hoch hinaus – und ist auf dem harten Boden der Realität angekommen. Vorstandschef Overdiek gibt trotzdem nicht auf.

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von Alexander Heintze

Neumarkt in der Oberpfalz ist ein beschauliches Städtchen. Ringsum viel Wald, mittendrin wenig los, aber mit einem Unternehmen vor Ort, das von dort aus die Welt erobern wollte. Pfleiderer heißt diese Firma. Die Aktien des Spanplatten- und Laminat­herstellers sind im Kleinwerte-Index SDAX der Deutschen Börse gelistet.

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Vorstandschef Hans H. Overdiek scheint die 40 000-Einwohner-Stadt zu provinziell zu sein. Angeblich würde der 57-Jährige den Firmensitz am liebsten in eine Metropole mit Flughafen – als Tor zur Welt – verlegen. Nach München etwa, wo Pfleiderer seine Hauptversammlungen abhält. Auf €uro-Anfrage will er die Gerüchte aber nicht kommentieren.

Eine feine Großstadtadresse würde zu Pfleiderers Ambitionen passen: Bisher haben fast alle Chefs der Firma versucht, aus dem mittelständischen Holzverarbeiter einen Weltkonzern zu machen – sind damit aber stets gescheitert.

Das Unternehmen hat eine spannungsreiche Historie: 1894 wurde es von Gustav Adolf Pfleiderer als Holzhandlung und Flößerei in Heilbronn gegründet. Zwei Jahre später starb er, sein 18-jähriger Sohn übernahm das Geschäft und baute es aus. Als die Alliierten 1944 Heilbronn zerstörten, zogen die Pfleiderers mitsamt der Firma nach Neumarkt. In den darauffolgenden Jahrzehnten wurde eifrig expandiert, das Geschäft auf die Herstellung von Dämm- und Kunststoffe ausgeweitet. Bald kam gar eine Verkehrstechniksparte hinzu.

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In den 90er-Jahren beschäftigte Pfleiderer 11 200 Mitarbeiter und steigerte den Umsatz auf umgerechnet 1,5 Milliarden Euro. Später verzettelte sich das Management im Geschäft mit Windkraftanlagen. Statt wie versprochen zum „großen Spieler“ in diesem Markt aufzusteigen, versenkte das Management Millionen.

Im August 2003 übernahm Hans Overdiek die Führung in Neumarkt – und damit einen Sanierungsfall. „Als ich das Ruder übernahm, war Pfleiderer in schwerem Fahrwasser. Der Wind kam von vorn, die Wellen schlugen hoch“, erinnerte sich Overdiek im September 2007 in einem €uro-Interview. Er ver­kaufte fast alle Aktivitäten, die nichts mit Holz zu tun hatten, die Belegschaft halbierte sich auf 5 600 Angestellte. „Wir haben uns auf unser Kerngeschäft konzentriert – auf Spanplatten – und ab 2005 auch auf Laminatfußböden“, sagt Overdiek.

Doch die misslungene Expansion von Overdieks Vorgängern hat nicht nur viel Geld gekostet, sondern auch den Abstand des Unternehmens zu großen Konkurrenten vergrößert. Um den Rückstand aufzuholen, investierte Overdiek Millionen in neue Werke, kaufte Wettbewerber auf, expandierte sogar in die USA – und finanzierte das alles auf Pump. Dadurch wurde Pfleiderer tatsächlich zu einem der weltgrößten Anbieter von Holzwerkstoffen für die Möbelindustrie und den Innenausbau. Und Ende des Jahres 2007 erzielte das Unternehmen Rekordergebnisse.

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Aber der Preis, den Overdiek dafür zahlen musste, war – wie schon so oft in der Vergangenheit – zu hoch. Overdiek war dem schuldenfinanzierten Immobilienboom in den USA aufgesessen. Dass dem dortigen Häusermarkt just ab 2007 die Puste ausging, machte ihm im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten einen dicken Strich durch die Rechnung.

Lesen Sie auf der folgenden Seite, was Overdieks größte Probleme sind. Die meisten Analysten lasten Overdiek die Expansion in die Vereinigten Staaten aber nicht als Fehler an. Immerhin gelte beispielsweise das zugekaufte Unternehmen Pergo in den USA als ­Synonym für Laminatfußböden. Dennoch: Mit der Immobilien- und Finanzkrise brachen Pfleiderer die Umsätze, die Gewinne und der Aktienkurs weg.

Unternehmensbeobachter trauen Pfleiderer die Ertragswende zu.

Overdieks größtes Problem sind – unter anderem wegen der schuldenfinanzierten Übernahmen – die Bankverbindlichkeiten von rund 800 Millionen Euro. Hinzu kommt noch eine Anleihe, die zwar bilanziell teils dem Eigenkapital zugerechnet wird, aber eben doch in einigen Jahren an die Gläubiger zurückgezahlt werden muss. Alles in allem summieren sich die Schulden aktuell auf mehr als eine Milliarde Euro. Bei lediglich 1,38 Milliarden Euro Jahresumsatz 2009 ist das viel Holz.

Um den Jahreswechsel musste Overdiek Kredite mit Banken neu verhandeln, die einige Darlehen vorzeitig von Pfleiderer zurückgezahlt haben wollten. Grund: Das Unternehmen hatte im Krisenjahr 2009 Vertragsbestimmungen verletzt. Overdiek vermied den Super-GAU und verhandelte die Kredite mit Charme und Geschick neu. Allerdings haben sich die Institute die Umschuldung gut bezahlen lassen: Pfleiderer muss nun einen zweistelligen Millionenbetrag zusätzlich an Zinsen überweisen.

Als wenn das nicht schon genug wäre: Sollte das Bundeskartellamt urteilen, dass sich Pfleiderer in den vergangenen Jahren an Preis- und Kapazitätsabsprachen in der Branche beteiligt habe, drohen Millionenstrafen. Nicht wenige Experten rechnen fest damit. Trotz der schwierigen Zeiten: Bislang will Overdiek weiter für Pfleiderer schuften – ob in Neumarkt, München oder sonstwo. Und auch 2010 hat der studierte Betriebswirt bislang das getan, was er bei Pfleiderer schon immer tat: sanieren, sanieren, sanieren.

Seit Monaten verkauft Overdiek, was nicht zum Kerngeschäft gehört und Geld bringt: in Unternehmenshand befindliche Aktien, Grundstücke, unnütze Werke. Insgesamt will Overdiek in den kommenden drei Jahren durch den Verkauf von weiteren Randgeschäften, Entlassungen und Kostenreduzierungen 350 Millionen Euro sparen. Ansonsten kann er die Schulden nur mit liquiden Überschüssen aus dem laufenden Geschäft, dem sogenannten Cashflow, abstottern.

Bei den Sanierungsarbeiten ging der gebürtige Gladbecker bislang voller Tatendrang ans Werk und wich auch unpopulären Maßnahmen nicht aus. Dass er ein Kämpferherz hat, ist deshalb bekannt. Nachdem ihn Anfang 2007 ein schwerer Autounfall aus dem Alltag katapultierte, bewies er das abermals.

Damals war er auf der A 3 verunglückt. Sein Bruder, der Düsseldorfer Stararchitekt Jürgen Overdiek, starb dabei. Hans Overdiek rang lange mit dem Tod – und siegte. Nach etlichen Operationen und monatelangem Klinikaufenthalt meldete er sich im September 2007 wieder in Neumarkt zum Dienst. Während seiner Abwesenheit hatten seine Vorstandskollegen die Geschäfte geführt.

Einer von ihnen, Finanzvorstand Derrick Noe, hatte angeblich eigenmächtig versucht, einen Finanzinvestor für das inzwischen finanzschwache Unternehmen zu be­geistern – und dabei unerlaubt Interna weitergegeben. Beweise dafür gibt es nicht. Geschasst wurde Noe trotzdem – und der Investor kam. Heute hält die US-Investmentgesellschaft One Equity Partners etwa 23 Prozent der Pfleiderer-Anteile.

Ende 2009 musste auch Technikvorstand Robert Hopperdietzel gehen, offiziell „aufgrund der geplanten Verschlankung und Neuausrichtung der gesamten Organisationsstruktur“. Derzeit läuft ­eine firmeninterne Untersuchung, die Hopperdietzels Rolle bei der Verlagerung eines Werks aus Kanada in die USA klären soll. Bei dem Projekt gab es teure Verzögerungen, die offensichtlich Hopperdietzel angelastet werden. Pfleiderer lehnt eine Stellungnahme dazu ab.

Analysten bescheinigen Overdiek mittlerweile, dass er mit dem Umbau gut vorankommt. Ab 2011 hält Overdiek sogar wieder Gewinne für möglich. Unternehmensbeobachter trauen ihm die Ertragswende zu.

Auf der folgenden Seite erfahren Sie, was passieren muss, damit Pfleiderer-Chef Overdiek wieder die Gewinnzone erreichen kann. Denn eigentlich gilt das Holzgeschäft als mar­genstark. Bei guter Konjunktur könnte Pfleiderer seine Schulden leicht bezahlen. Noch vor zwei Jahren betrug der ­operative Cashflow fast 230 Millionen Euro im Jahr. Die Cashflow-Marge, eine wichtige Rentabilitätskennzahl, lag in den vergangenen Jahren zwischen acht und 13 Prozent. Gemeinhin gilt ­eine Cashflow-Marge von über zehn Prozent als Zeichen, dass ein Unternehmen seine Schulden problemlos bedienen kann.

Damit dies auch Pfleiderer gelingt, ist Overdiek dringend auf eine längere Markterholung angewiesen. Ob der aktuelle Konjunkturaufschwung in Europa von Dauer ist, lässt sich aber noch nicht absehen. Und der Häusermarkt in den USA ist nach wie vor am Boden. „Die Amerikaner plagen sich immer noch mit Arbeitslosigkeit, Zwangsvollstreckungen und verlorenen Ersparnissen“, erklärte US-Notenbankchef Ben Bernanke kürzlich. Die Leute haben andere Sorgen, als sich Laminatfußböden anzuschaffen.

Analysten glauben jedoch, dass Pfleiderer auf dem US-Markt reüssieren wird. Viele der zwangsversteigerten Häuser seien in einem erbärmlichen Zustand. Sobald der Markt drehe, dürften viele neue Besitzer sie wieder auf Vordermann bringen. Von den Renovierungen sollte Pfleiderer profitieren.

In Neumarkt macht sich auch deshalb Hoffnung breit, weil der kanadische Konkurrent Norbord im vergangenen Quartal in die schwarzen Zahlen zurückgekehrt ist. Sowohl die Umsätze als auch die Preise hätten wieder angezogen, teilte das Unternehmen Mitte Juli mit. Alle Sägewerke seien ausgelastet. Allerdings erwartet Norbord, dass der Markt fragil bleibt.

Auch der portugiesische Pfleiderer-Konkurrent Sonae Indústria konnte Ende Juli ein leicht verbessertes Ergebnis vorlegen. Der Verlust schmolz im zweiten Quartal auf rund sechs Millionen Euro zusammen.

Etwas besser als der US-Markt entwickelt sich Osteuropa. Auch von dieser Region hatte sich Overdiek viel versprochen. Wie viele andere Topmanager sah er den Osten als Wachstumsmarkt. Doch auch der stürzte im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab und die Erholung verläuft langsamer als von Overdiek erhofft. Die Osteuropa-Förderbank EBRD hatte kürzlich erst ihre Wachstumsprognose für die Region gesenkt. So hofft er nun wieder auf Westeuropa.

Die heute bekannt gewordenen Quartalszahlen sind weiterhin enttäuschend. Im zweiten Halbjahr aber erwartet Pfleiderer ein deutlich besseres operatives Ergebnis. Die Profitabilität werde vorerst dennoch unbefriedigend bleiben und sich erst 2011 wieder wesentlich verbessern.

Die Chancen stehen gut, dass Pfleiderer bei einer Erholung der Märkte überdurchschnittlich profitiert.Der Trend vieler Möbelhersteller und Inneneinrichter, teures Echtholz durch billigere Spanplatten zu ersetzen, hält an. Gut ein Drittel der Produktion von Pfleiderer geht an die Möbelindustrie.

Wie bei Konkurrent Norbord heißt es jetzt auch in der Oberpfalz, dass die Nachfrage anzieht und die Preise steigen. Allerdings stieg auch der Preis für Holz – und zwar schneller als die Holzverarbeiter ihre Zusatzkosten an die Kunden weitergeben konnten. Overdiek spricht dennoch von „vorsichtigem Optimismus“. Wegen der höheren Nachfrage gäbe es gute Chancen, die Produktpreise zu erhöhen.

Auch der Export und die Währungskurse entwickeln sich derzeit zugunsten der Oberpfälzer. Zudem zahlen sich nun doch die Investitionen der Vergangenheit aus. Pfleiderer verfügt dank Overdiek über hochmoderne Werke. Teure Investitionen werden daher in den kommenden Jahren kaum nötig sein. Auch die Sparmaßnahmen haben sich gelohnt. Bei den Kosten gehört Pfleiderer zu den wettbewerbsfähigsten Holzverarbeitern weltweit, loben Analysten.

Dennoch: Eine Verlagerung der Firmenzentrale aus Neumarkt könnte Overdiek den Aktionären und Mitarbeitern zurzeit kaum verkaufen. Denn auch diese würde Geld kosten. Und das braucht Pfleiderer für Wichtigeres. 

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