BRIC-Staaten: Auf die richtigen Gewinner setzen
Als größte Schwellenländer arbeiten die vier BRIC-Staaten politisch zusammen. Doch Wirtschaft und Aktienmärkte der Länder driften immer weiter auseinander.
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von Christoph Platt, Euro am Sonntag
In den Jahren vor der Finanzkrise gab es eine einfache Zauberformel für märchenhafte Renditen: BRIC. Dahinter stecken die Anfangsbuchstaben der vier größten Schwellenländer Brasilien, Russland, Indien und China. Starkes Wirtschaftswachstum beflügelte damals die Aktienkurse.
Doch inzwischen hat die Strahlkraft der BRIC-Staaten nachgelassen. Von 2010 bis 2013 entwickelten sich die Aktienkurse mäßig bis schlecht. Erst 2014 ließ sich zumindest mit indischen und chinesischen Papieren wieder Geld verdienen.
Der vermeintliche Automatismus, dass BRIC-Investments hohe Gewinne abwerfen, funktioniert schon länger nicht mehr. Nun wird aber auch immer deutlicher, dass BRIC eine Einheitlichkeit vortäuscht, die nicht existiert. Denn die vier Länder entwickeln sich höchst unterschiedlich - die gegensätzlichen Bewegungen der Börsen in São Paulo, Moskau, Mumbai und Shanghai 2014 veranschaulichen das (s. Investor-Info). Während der indische und der chinesische Aktienmarkt im vergangenen Jahr stark zulegten, stagnierten die Kurse in Brasilien und gaben in Russland deutlich nach.
Drei Merkmale sind der Grund für dieses Auseinanderdriften: die Abhängigkeit vom Ölpreis, das Wirtschaftswachstum und die Reformbereitschaft der vier Länder. Brasilien und Russland sind Ölexporteure. Der Verfall des Ölpreises, der sich in den vergangenen sechs Monaten mehr als halbierte, trifft sie hart. Deutlich geringere Einnahmen durch den Rohstoffverkauf sind die Folge. China und Indien hingegen freuen sich als Ölimporteure über die gesunkenen Energiekosten.
Der niedrige Ölpreis verstärkt einen Trend, der bereits seit einigen Jahren zu sehen ist: Die vier Volkswirtschaften wachsen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Chinas Wirtschaft dürfte 2014 nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds um 7,4 Prozent zugelegt haben, die in Indien um 5,6 Prozent. In Brasilien ist dagegen nur mit einem Wachstum von 0,3 Prozent zu rechnen und Russlands Wirtschaft dürfte bestenfalls stagnieren.
Hinzu kommt eine unterschiedlich stark ausgeprägte Reformbereitschaft. Alle vier Länder benötigen Reformen, um ihre Wirtschaft zu flexibilisieren und den Handel sowie Investitionen zu erleichtern. Doch während Indien und China die Probleme anpacken, bleiben Brasilien und Russland unbeweglich.
In Indien stiegen die Kurse, als feststand, dass der wirtschaftsfreundliche Narendra Modi neuer Premierminister werden würde. Noch hat Modi nicht viele Reformen umgesetzt, doch die ersten Ansätze sind vielversprechend. Er hat angekündigt, die Diesel-Subventionen abzuschaffen, die den Staatshaushalt belasten. Außerdem geht er gegen die träge Verwaltung vor, indem er schärfere Kontrollen der Arbeitszeiten eingeführt hat. Vereinfachte Bewilligungsverfahren sollen zudem Investitionen erleichtern.
China auf dem richtigen Weg
In China versucht die Staatsführung schon seit geraumer Zeit, den Wandel vom investitions- zum konsumgetriebenen Wirtschaftswachstum zu vollziehen. "Das geht zwar nur langsam voran", sagt Marcus Svedberg, Chefökonom der auf Schwellenländer spezialisierten Gesellschaft East Capital, "doch die Richtung, die China eingeschlagen hat, stimmt." Mehr Privatisierung und ein hartes Vorgehen gegen Korruption sind zwei Elemente, mit denen China die Wirtschaft ankurbeln will. "Hinzu kommt ein Anreizsystem, das die Verantwortlichen in den Staatsunternehmen zu mehr Effizienz anhalten soll", sagt Wolfgang Fickus, Mitglied im Investmentkomitee der französischen Fondsgesellschaft Comgest.
Brasilien und Russland verharren hingegen auf ihrem Status quo. In Brasilien hoffte die Wirtschaft im Herbst 2014 auf einen Wechsel an der Staatsspitze. Doch Präsidentin Dilma Rousseff konnte ihr Amt verteidigen - zum Leidwesen der Märkte: "Das bedeutet eine Fortsetzung der von den Anlegern ungeliebten Politik des Interventionismus", sagt Waj Hashmi, der den Aktienfonds Schroder ISF BRIC managt. Dahinter verbirgt sich ein staatliches Eingreifen, das die Wirtschaft hemmt - zum Beispiel über Subventionen oder eine Steuerung des Leitzinses.
In Russland sind Reformen in weite Ferne gerückt. Statt sich um eine bessere Unternehmenskultur zu kümmern und das Vertrauen der Wirtschaft zu stärken, hat Präsident Putin den Konflikt mit der Ukraine vom Zaun gebrochen.
Die volkswirtschaftlichen Aussichten der vier großen Schwellenländer sind relativ klar. Chinas Wirtschaft dürfte 2015 mit rund sieben Prozent wachsen, für Indien sagt der Internationale Währungsfonds ein Plus von 6,4 Prozent voraus. Für Brasilien wird lediglich ein minimales Plus erwartet, sogar eine Rezession ist denkbar. In Russland scheint diese unausweichlich: "Das Land dürfte sich klar im negativen Terrain bewegen", meint Hashmi. "Wir dürften also mehr von dem sehen, was wir bereits im vergangenen Jahr gesehen haben", sagt Comgest-Experte Fickus. Sprich: Die Aussichten für die chinesische und die indische Wirtschaft sind gut, die für die brasilianische und russische schlecht.
Die Hausse indischer und chinesischer Aktien 2014 lässt sich aber nicht automatisch fortschreiben. Nach dem kräftigen Plus im vergangenen Jahr sind indische Titel mit einem durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 16 nicht mehr billig. "Es kann durchaus Rücksetzer geben", warnt Ökonom Svedberg. Sollte die Umsetzung der Reformen ins Stocken geraten, droht ein Rückzug der Investoren. "Inwieweit die Reformen gelingen, wird sich aber erst Ende 2016 zeigen", sagt Hashmi. Das Potenzial sei allerdings riesig.
Die aktuelle Hausse chinesischer Titel basiert vor allem auf der Öffnung des Markts für A-Aktien über die Börse Hongkong Shanghai Connect. Der CSI 300, der die 300 liquidesten A-Aktien zusammenfasst, stieg allein in den vergangenen zwei Monaten in Euro um 45 Prozent. "Hier drehte sich der Bewertungsabschlag zu den H-Aktien aus Hongkong in einen Bewertungsaufschlag", erklärt Fickus. Dieser Impuls dürfte noch eine Weile anhalten, ist Fondsmanager Hashmi überzeugt. "Mittelfristig wird es aber auch in China darauf ankommen, ob weitere Reformen umgesetzt werden", sagt er.
Niedrige Erwartungen
Vom brasilianischen Aktienmarkt hingegen erwarten die wenigsten eine gute Leistung. Zu wenig passiert in dem Land, das Wachstum ist niedrig, positive Überraschungen sind nur schwer vorstellbar.
In Russland sieht es wirtschaftlich zwar noch schlechter aus, doch am Aktienmarkt ist zumindest das Szenario einer Gegenbewegung vorstellbar. Sollte der Ölpreis zulegen und Putin etwas Entgegenkommen im Ukraine-Konflikt zeigen, könnten sich die Aussichten ein wenig aufhellen und die Aktienkurse anziehen. Die Bewertungen russischer Titel sind jedenfalls extrem niedrig. "Die Kurse könnten sich verdoppeln, und die Aktien wären noch immer billig", konstatiert Hashmi. Russische Aktien bergen also immerhin Überraschungspotenzial.
Investor-Info
Aktienmärkte
Extreme Differenzen
Die Leitindizes der vier BRIC-Staaten entwickelten sich in den vergangenen zwölf Monaten sehr unterschiedlich. Der chinesische CSI 300 gewann auf Eurobasis fast 80 Prozent hinzu, der indische Sensex 50 Prozent. Keine Gewinne erzielten hiesige Anleger mit dem brasilianischen Bovespa. Der russische RTS verlor mehr als ein Drittel seines Werts.
Comgest Magellan
Erfolgreicher Dauerbrenner
Ein klar prognostizierbares Gewinnwachstum ist Bedingung, damit eine Aktie in das Portfolio des Comgest Magellan kommt. Als Klassiker unter den globalen Schwellenländerprodukten gibt sich der Fonds betont defensiv. Aktien aus den BRIC-Staaten machen mehr als 50 Prozent des Vermögens aus.
Templeton EM Smaller Comp.
Spitzenreiter 2014
Der beste Fonds für globale Schwellenländeraktien war im vergangenen Jahr der Templeton Emerging Markets Smaller Companies. Der von Mark Mobius, Dennis Lim und Tom Wu gelenkte Fonds investiert in kleine Unternehmen - das macht ihn renditestark, aber risikoreich. Indische und chinesische Titel machen jeweils ein Fünftel des Portfolios aus.
Schroder ISF BRIC
Fokus auf die großen Vier
Der Schroder ISF BRIC zählt zu den besten Fonds, die sich auf die vier großen Schwellenländer beschränken. Weil die BRIC-Börsen in den vergangenen Jahren mäßig liefen, ist im Vergleich zu anderen globalen Emerging-Markets-Fonds trotzdem nur die FondsNote 4 drin.
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