Hin und her, und hin und her, und…
Nachdem ich letzes Mal die ersten Zeichen einer Entspannung sah, brachen die Börsen gleich wieder ein.
Standard & Poors hatte die spanischen Banken herabgestuft.
Auf dem Eurogipfel wurde dann aber Donnerstagnacht eine „Lösung“ erreicht. Ein ominöser „Wachstumspakt“ von 120 Milliarden Euro soll Europa beleben, ein Prozent des europäischen Bruttoinlandsproduktes. Zunächst einmal ist das ein Placebo für die Öffentlichkeit, damit Hollande nicht mit leeren Händen nach Hause geht, denn die Mittel stehen größtenteils schon in den Budgets. Aber schaden kann es nicht.
Später jedoch kam das eigentlich Neue: EFSF und ESM können nun Anleihen Spaniens und Italiens kaufen, ohne dass daran allzu strenge Auflagen geknüpft sind. So paradox es klingen mag: für Aktieninvestoren ist das gut, und es ist ein weiterer Schritt, der meine Strategie bestätigt.
Bislang fährt Europa eine schizophrene Strategie. Mit dem billigen Geld der Zentralbanken belohnen die Investmentbanken, einige solide Staaten, große superreiche Kreditnehmer, Häuslebauer und bestrafen die Sparer. Gleichzeitig bestrafen wir mit einer restriktiven Haushaltspolitik die Bürgerinnen und Bürger; in Griechenland besonders die steuerehrlichen Bürger zugunsten der unehrlichen. Gleichzeitig lässt sich – so groß der Unwille in der deutschen Bevölkerung ist und so wichtig eine Reform im Süden ist – dies nicht durch restriktive Haushaltspolitik erreichen, die Banken belohnt und Bürger bestraft.
Wir fahren mit Vollgas (Geldpolitik) und angezogener Handbremse (Haushaltspolitik). Die USA sind da unter Ben Bernanke ehrlicher: sie geben in beiden Bereichen Vollgas und scheren sich nicht um den Wert des Dollars.
Die Hilfen an Spanien und Italien sind deswegen wichtig, weil beide Länder überproportional von der Spekulation bestraft werden, zumindest Italien viel besser dasteht als die USA, und dennoch über mehr als sechs Prozent Zinsen zahlen muss (USA: zwei Prozent). Wenn man jetzt in einer Krise noch massiv auf die Haushaltsbremse tritt, läuft man Gefahr, dass die Wirtschaft abstürzt.
Also: ein Schritt in Richtung mehr Inflation. Aber wenn Amerika – ohne Rücksicht auf den Wert seines Geldes – Vollgas gibt und Europa sich selber ausbremsen würde, wäre das für die Realwirtschaft extrem schädlich. Wir müssen das Spiel also bis zu einem gewissen Grad mitspielen. Und dann sind Aktien und Realvermögen angesagt.
P.S.: Gestern habe ich auf der Generalversammlung der Volksbank Seppenrade gesprochen. Die Bank hat 7 Mitarbeiter, eine Bilanzsumme von 60 Millionen und ist kern-gesund. Die Genossen trafen sich im Schützenzelt bei Wasser und Veltins, um den Geschäftsbericht entgegenzunehmen und Vorstand und Aufsichtsrat zu entlasten. Immer einstimmig. Die Bank genießt zu Recht das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, denn 2000 sind Mitglieder (Genossen), von denen 160 anwesend waren. Auf die Gesell-schaftsanteile gibt es 6,5 Prozent Dividende.
Schade, dass solche Geschäftsmodelle von der internationalen Finanzoligarchie und der Hochfinanz zunehmend zerstört werden. Jede kleine Bank muss im Kredit- und Wertpapiergeschäft mittlerweile Regularien erfüllen, die eher für eine große Investmentbank taugen. Aber das ist genau das Ziel der Hochfinanz: das Bankwesen „von Bürgern für Bürger“, das Friedrich Wilhelm Raiffeisen im neunzehnten Jahrhundert aufbaute, zu zerstören. Noch gibt es kleine Banken wie die Volksbank Seppenrade. Aber der Druck, zu Instituten mit Bilanzsummen von mindestens drei oder vier Milliarden Euro zu fusionieren, nimmt zu.
Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Geschäftsführender Gesellschafter der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Ziel des Instituts ist die Aktienanalyse und die Entwicklung von Aktienstrategien für Privatanleger.Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.