Schwellenländer vor Bankrott: Pleite, Pech und Putin
Der Preisverfall von Rohöl wirkt sich massiv auf Rohstoff exportierende Staaten aus. Während bei Venezuela schon ein Bankrott droht, ist es bei Russland noch nicht so weit.
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von A. Sturm und T. Strohm, Euro am Sonntag
Nach Argentinien bald Venezuela und Russland? Die Furcht vor einem Zahlungsausfall der beiden Länder hat die Prämien für deren Kreditausfallversicherungen zuletzt in die Höhe schnellen lassen. Mit diesen CDS genannten Papieren können Investoren ihr Engagement in Staatsanleihen gegen Pleiten absichern.
Ursache für die massiv gestiegenen Zweifel an ihrer Bonität ist der Verfall des Ölpreises. Die zwei Länder hängen stark vom Export des Rohstoffs ab und leiden entsprechend heftig unter dessen eingebrochenem Kurs. Bei Venezuela kommen viele hausgemachte Probleme hinzu. Auf Russland lasten zudem die westlichen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise, das schwache Wirtschaftswachstum und die heftige Abwertung des Rubel.
Wenn dieser Tage die Auguren ihre Prognosen für die Entwicklung von Schwellenländeranleihen im nächsten Jahr vorlegen, werden denn auch Venezuela und Russland oft als Adressen genannt, bei denen große Vorsicht walten muss.
Wer als Privatanleger Anleihen von Venezuela im Depot hat, sollte zumindest überlegen, die Position zu reduzieren. Standard & Poor’s (S & P) hat die Note des Landes bereits im September auf "CCC+" gesenkt. Das bedeutet: Nur bei günstiger Entwicklung sind keine Ausfälle zu erwarten, die Wahrscheinlichkeit einer Pleite in den nächsten beiden Jahren liegt bei 50 Prozent. Seither hat sich die Lage eher verschärft.
Für einen ausgeglichenen Staatshaushalt bräuchte Venezuela einen Ölpreis von rund 120 Dollar je Barrel, davon ist die Notierung mit aktuell circa 70 Dollar heute noch weiter entfernt als vor drei Monaten.
Ganz so schlimm wie in dem lateinamerikanischen Staat sieht es im Fall von Russland zum Glück noch nicht aus. Die Folgen eines Ausfalls des ungleich größeren Emittenten wären an den internationalen Kapitalmärkten wesentlich gravierender als eine Staatspleite Venezuelas.
Für einen ausgeglichenen Haushalt bräuchte aber auch Russland einen deutlich höheren Ölpreis, nämlich von rund 100 Dollar. S & P bewertet die Bonität Russlands mit der Note "BBB-", allerdings mit einem negativen Ausblick versehen. Vom Ramschniveau, dem Non-Investment-Grade, trennt russische Staatsanleihen nur noch eine Ratingstufe.
"Eine Abstufung würde die Kurse weiter nach unten drücken", sagt Edgar Walk, Chefvolkswirt beim Bankhaus Metzler. Vieles sei in den Notierungen indes schon enthalten, weitere dramatische Verluste seien darum unwahrscheinlich. Spiegelbildlich zu den Kurseinbußen der vergangenen Monate sind die Renditen russischer Anleihen kräftig gestiegen: Bei zehnjährigen Papieren binnen eines Jahres von 7,8 Prozent auf aktuell 11,3 Prozent.
Rezession und Rubelsturz
Kein Wunder: Die Lage für Russlands Wirtschaft hat sich zusehends verschärft. Erstmals seit 2009 erwartet die Regierung jetzt eine Rezession für 2015: Statt um 1,2 Prozent zu wachsen, dürfte die russische Wirtschaft nach der am Dienstag vorgelegten neuen Prognose kommendes Jahr um 0,8 Prozent schrumpfen.
Die Angst vor einer Schwäche der Wirtschaft lässt den Rubel abstürzen und beschleunigt die Kapitalflucht westlicher Anleger. Trotz Intervention der Zentralbank, die am Montag 700 Millionen Dollar für Stützungskäufe ausgab, setzte sich die Talfahrt fort. Seit Anfang November hat der Rubel zum Dollar 27 Prozent verloren, seit Jahresbeginn 60 Prozent. Ein Dollar kostet weit mehr als 50 Rubel, so viel wie nie zuvor.
Das schmerzt Firmen und Verbraucher, weil sie für eingeführte Waren mehr zahlen müssen. "Die Russen erleiden derzeit einen massiven Einkommensverlust", sagt Walk: "Sie können sich Importe kaum noch leisten." Der Rubelverfall führe zu einer importierten Inflation, was Russlands Zentralbank zwinge, die Leitzinsen zu erhöhen - was die Konjunktur bremse.
Parallelen zum Bankrott 1998
Die Wirtschaft leidet außerdem unter Sanktionen der USA und der EU gegen russische Banken, Energieversorger und Rüstungsfirmen. Während die Europäer vorerst keine neuen Sanktionen planen, drohen die USA mit neuen Strafen. Schon jetzt ist Russlands Finanzwirtschaft weitgehend von den Kapitalmärkten abgeschnitten. Zudem fielen im November die russischen Gasexporte nach Europa um ein Viertel.
Den teuren Bau der South-Stream-Pipeline, die südlich der Ukraine Erdgas direkt nach Europa führen sollte, hat Russland erst mal gestoppt. Schuld sei die EU, die das Projekt ständig verzögert habe, heißt es. Experten sehen eher die hohen Kosten als Grund dafür.
Manch einer zieht angesichts der Situation schon Parallelen zum Staatsbankrott 1998. Nicht zuletzt, weil der Rubel kürzlich den größten Tagesverlust seit jenem Jahr hinnehmen musste. Damals rutschte das Land in die Pleite, nachdem sich der Ölpreis halbiert hatte. Mit einem erneuten Ausfall rechnen die meisten Experten heute dennoch nicht.
Der einbrechende Rubel treffe Firmen und Verbraucher, federe aber die Folgen des Ölpreisverfalls für den Staat ab, sagt Jörg Zeuner, Chefvolkswirt der KfW: "Für jeden Dollar für exportiertes Öl bekommt die Regierung mehr Rubel, was ihr hilft, die internen Ausgaben zu decken." Zudem könne sich der Ölpreis nach dem jüngsten Absturz stabilisieren, was den Rubel stützen würde.
Auch Metzler-Mann Walk findet Vergleiche mit 1998 überzogen: "Nur der Rubelverfall ist ähnlich dramatisch wie damals, der Staat ist besser aufgestellt." So sei die Verschuldung Russlands mit rund 16 Prozent der Wirtschaftsleistung gering und die Währungsreserven genügten, um anstehende Auslandsschulden zu bedienen. "In den nächsten zwölf Monaten ist keine Schuldenkrise zu erwarten", meint Walk.
Investor-Info
Ölpreis
So niedrig ist der Kurs
Der Preis für ein Barrel Rohöl ist regelrecht abgestürzt. Nur noch rund 70 Dollar je Barrel gibt es auf dem Weltmarkt. Für viele auf den Ölexport angewiesene Länder ist das zu wenig.
Ölabhängigkeit
Weit entfernt vom Break-even
Für einen ausgeglichenen Staatshaushalt brauchen verschiedene Länder unterschiedlich hohe Ölpreise. Bei vielen Exportstaaten liegt dieser sogenannte Break-even-Preis weit über dem aktuellen Kurs.
Candriam Bonds Em. Markets
Bewährt in Hartwährung
Der Candriam-Fonds investiert in Staatsanleihen von Schwellenländern, die in Hartwährungen wie dem Dollar emittiert sind. Indonesien, Mexiko und Kroatien sind hoch gewichtet. Auch Venezuela ist beigemischt, ein Ausfall wäre für den Fonds aber eher zu verkraften als für weniger breit aufgestellte Privatanleger.
Templeton Global Bond Fund
Erfolgreich und eigenwillig
Fondsmanager Michael Hasenstab mischt in seinem Vehikel Anleihen in Hartwährungen mit Bonds in lokaler Währung der Schwellenländer. Derzeit sind Südkorea, Mexiko und Polen am stärksten im Portfolio vertreten. Der oft eigenwillige Ansatz des Amerikaners ist seit vielen Jahren erfolgreich.
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