Erst Griechenland, dann Spanien?
Die Schlagzeilen werden momentan noch immer von der drohenden griechischen Pleite dominiert.
Gleichgültig wie die Regierungsbildung letztendlich aussieht – die wirtschaftliche Lage wird sich auch auf längerfristige Sicht nicht bessern können. Viele Experten sehnen mittlerweile den Austritt Griechenlands aus der Eurozone herbei, um dieses unrühmliche Kapitel endlich abschließen zu können. Die Bedeutungslosigkeit der griechischen Wirtschaft im globalen Vergleich ist der Mehrheit zwar bewusst, doch die eigentliche Angst wird eben seit jeher durch die Ansteckungsgefahr für die restlichen PIIGS-Staaten geschürt. Dabei rückt Spanien aktuell am meisten in den Fokus. Steigende Anleihezinsen, eine erhebliche regionale Verschuldung und die Schieflage einiger Banken sorgen für eine angespannte Situation. Zeit für eine Bestandsaufnahme.
Spanien unter Druck
Mehrere spanische Regionen – allen voran Katalonien - sind in einer finanziellen Notlage und benötigen dringend Hilfe der Zentralregierung. Eine Erhöhung des Schuldenbergs ist aufgrund der hohen Finanzierungskosten momentan jedoch mehr als problematisch. Die Rendite für zehnjährige spanische Staatsanleihen notiert aktuell bei 6,57 % - nie war der Spread zu deutschen Staatsanleihen seit Einführung des Euro größer. Sollte Spanien zu regionalen Rettungsaktionen gezwungen sein, könnte sich der Anleihezins schnell in Richtung 7% bewegen – auf diesem Niveau haben Portugal, Irland und Griechenland Hilfsgelder bei der EU beantragt.
Momentan wehrt sich Regierungschef Rajoy noch vehement gegen europäische Hilfestellungen. Das Land will so lange wie möglich versuchen, seine Probleme weiterhin allein zu lösen und seine finanzielle Unabhängigkeit zu verteidigen. Erschwerend kommt dabei noch hinzu, dass auch die spanischen Banken nach staatlicher Unterstützung rufen. Bankia – das viertgrößte Geldhaus in Spanien – benötigt eine erneute Geldspritze über 19 Milliarden Euro. Ein Kampf an vielen Fronten zeichnet sich ab.
Zinsniveau ist noch nicht dramatisch
Auch wenn die Situation für Spanien alles andere als einfach ist – sie ist per heute auf keinen Fall ausweglos. Die erhöhten Anleihezinsen erschweren zwar eine Neuverschuldung, müssen aber auch im historischen Zusammenhang richtig eingeordnet werden: Tatsache ist, dass die Zinsen vor Einführung der Eurozone teilweise schon erheblich höher notiert haben. Die Euro-Konstruktion konnte zwar eine vorübergehende Angleichung der Zinsniveaus verschiedener europäischer Länder erwirken, jedoch nicht dauerhaft aneinander binden. Und so ist das Auseinanderdriften der europäischen Zinskurven nicht unbedingt Zeichen ökonomischer Schwäche, sondern eher Spiegelbild der unterschiedlichen wirtschaftlichen Wachstumspotentiale der europäischen Länder – Märkte lassen sich nicht in eine vorgefertigte Form pressen.
Fazit
Die aktuellste Krise wird immer als die schlimmste angesehen. Psychologisches Basiswissen. Unterschätzen Sie das nicht. Auch in der Vergangenheit haben schon immer verschiedenste Hiobsbotschaften für Unruhe an „regionalen“ Märkten gesorgt – und nicht verhindern können, dass sich der weltweite Aktienmarkt prächtig entwickelt.
Denken Sie global. Selbst wenn sich die Lage in der Eurozone im gesamten Jahresverlauf nicht vollständig entspannen kann – dem weltweiten Wachstum wird dies keinen Abbruch tun. Die große Welt zieht das kleine Europa – nicht umgekehrt!
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Thomas Grüner ist Firmengründer und Geschäftsführer der Vermögensverwaltung Grüner Fisher Investments GmbH. Seine oft dem allgemeinen Marktkonsens entgegen stehenden Prognosen sorgten schon mehrfach für großes Aufsehen. Weitere Informationen unter http://www.gruener-fisher.de.
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