Snowbird: Das Zwitschern im Walde!
Ausgerechnet jetzt soll mit dem IPO des Daunenherstellers Snowbird der größte Börsengang eines chinesischen Unternehmens mit rein deutscher Börsennotiz seit Powerland im April 2011 vonstatten gehen.
Bis zu zehn Millionen Aktien sollen Anlegern zu einem Preis von 5,50 bis 6,00 Euro angeboten werden. Das Emissionsvolumen liegt also bei 55 bis 60 Millionen Euro.#
Der Witz dabei: Der Unternehmensaufbau von Snowbird ist exakt der gleiche wie bei Ultrasonic: Die deutsche Snowbird AG ist zu hundert Prozent an der Snowbird Holding Company mit Sitz in Hong Kong beteiligt. Diese hält 100 Prozent an der chinesischen Puyang Snowbird Trading Co., Ltd und die wiederum hundert Prozent der Henan Snowbird Enterprise Co., Ltd. in China. In letzterer ist das operative Geschäft gebündelt.
Kein Wunder, dass man nun bei Snowbird quasi "die Daunen davon fliegen sieht" und deutsche Aktionäre beruhigen möchte. Und zwar folgendermaßen:
Ein hochkarätiger Aufsichtsrat sorge für die Überwachung des Vorstands.
Meine Meinung: Wie das in der Praxis aussehen soll, bleibt im Dunkeln. Bekannte Namen reichen nicht aus.
Alle Aktien aus dem IPO kämen aus einer Kapitalerhöhung.
Meine Meinung: Bringt aber nichts, wenn die Gelder nachher in China versickern.
Der Gründer und größte Aktionär unterwerfe sich einer Haltefrist von 36 Monaten.
Meine Meinung: Auch das bringt nichts, wenn sich die Vorstände anderweitig am Firmenvermögen bedienen können.
Man werde die deutsche Snowbird AG ordentlich kapitalisieren. Angeblich soll sie mit mehr als einer Million Euro ausgestattet sein.
Meine Meinung: Was nutzt es, wenn von 55 bis 60 Millionen Euro geplantem Emissionsvolumen eine Million in Deutschland deponiert werden?
Der Aufsichtsrat soll einen Online-Lesezugriff auf die Konten des Unternehmens bekommen" So sollen die tatsächlich zur Verfügung stehenden Barmittel überprüft werden.
Meine Meinung: Online-Lesezugriff? Das heißt, der Aufsichtsrat bemerkt dann relativ zeitnah, wenn das Geld von den Konten abgezogen worden ist - und muss dann nicht erst wie bei Ultrasonic vom Finanzvorstand informiert werden?
Sogenannte China-Experten folgern aus diesen Maßnahmen allen Ernstes, dass "es scheint als hätten die Verantwortlichen für diesen Börsengang endlich verstanden, was deutsche Investoren bei den vergangenen Debütanten aus China verunsichert" habe. Das ist Zwitschern im Walde, um sich selber Mut zu machen. Deutsche Investoren sind nicht "verunsichert". Sie sind schamlos betrogen worden.
Zudem glaube ich keineswegs, dass die Verantwortlichen verstanden haben. Die grundlegende Problematik, nämlich die oben beschriebene Holding-Konstruktion, bleibt dieselbe. De facto ist keine Überwachung der Vorstände und sonstigen Führungskräfte vor Ort in China möglich.
Bei Snowbird genauso wenig wie bei Ultrasonic und anderen "deutschen" China-Aktien. Da helfen auch prominente Namen im Aufsichtsrat nichts - zumal die auch schnell wieder weg sein können. Siehe Andreas Grosjean.
MEIN FAZIT:
Über 500 Millionen Euro haben chinesische Firmen seit 2007 von deutschen Anlegern eingesammelt und davon fast nichts in Form von Dividenden zurückbekommen. Im Gegenteil sind zusätzlich bei ausnahmslos allen(!) diesen Aktien hohe Kursverluste aufgelaufen. Es wird an den Symptomen herumgedoktert, nicht an der Ursache. Nun sollen deutsche Anleger im Rahmen des geplanten Snowbird-IPOs diesem schlechten Geld weitere 50 bis 60 Millionen Euro "gutes" Geld hinterher werfen. Mit einer solchen Strategie waren Anleger an der Börse noch nie gut beraten. Meine Prognose: Auch der Schneevogel wird früher oder später abstürzen!
P.S.: Alibaba eröffnete gestern nach einem Ausgabepreis von 68 US-Dollar bei 92,70 US-Dollar, lief bis auf knapp 100 US-Dollar nach oben und stabilisierte sich dann zunächst im Bereich 92 bis 93 US-Dollar. Ein Bloomberg-Kommentator bemerkte treffend: "Niemand kennt Alibaba wirklich. Es ist eine schöne Inszenierung. So funktioniert Wall Street."
Wie wahr. Tatsächlich liegt auch beim chinesischen E-Commerce-Dominator das Problem für westliche Investoren im strukturellen Aufbau des Unternehmens. Es ist - wie Baidu - ein so genanntes "variable-interest entity". Ein Investor, der die Aktie kauft, kauft Anteile eines Unternehmens, das auf den Cayman Islands registriert ist und einen Gewinnabführungsvertrag mit Alibaba hat. Es gibt zwei verschiedene Aktienarten, die es den Gründern Jack Ma und Simon Xie als Minderheitsaktionären ermöglicht, die Kontrolle über die Aktiva des Unternehmens zu behalten.
Kein geringerer als die Franklin Templeton Fondsmanager-Legende Mark Mobius warnt deshalb vor einem Kauf der Aktien: "Wenn etwas schief geht und die Gründer mit dem Geld abhauen, gibt es nichts was man dagegen tun kann." Der Gang vor ein chinesisches Gericht sei im Fall der Fälle quasi aussichtslos. Kommt uns das irgendwie bekannt vor?
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.