Euro am Sonntag-Interview

DWS-Experte Gebhardt: "Wir werden neue ­Höchstkurse sehen"

03.11.14 03:00 Uhr

DWS-Experte Gebhardt: "Wir werden neue ­Höchstkurse sehen" | finanzen.net

Henning Gebhardt, der DWS-Fondsmanager, über die Aussichten beim DAX, die Chance auf neue Rekordstände und die beste ­Positionierung für Privatanleger.

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von Alexander Sturm, Euro am Sonntag

Henning Gebhardt verantwortet im Fondsmanagement der Deutschen Bank nicht nur die wichtigen Anlagen in deutsche und europäische Aktien, er hat auch eine andere - symbolisch bedeutsame - Aufgabe. Immer wenn der DAX einen neuen Rekord knackt, läutet der 47-Jährige eine große Börsenglocke. Auf diesen erfreulichen Teil seines Jobs muss Gebhardt schon eine Weile verzichten: Im Juli hatte der Leitindex seinen Höchststand bei 10.029 Punkten erreicht, seither ging es tendenziell bergab, zuletzt rauschte der DAX richtig in die Tiefe. Aus einem hoffnungsvoll begonnenen Aktienjahr ist eine Zitterpartie geworden. Grund genug, einen der erfahrensten Manager für deutsche Aktien zu fragen, wie es um die Aussichten bestellt ist.

€uro am Sonntag: Herr Gebhardt, kürzlich rutschte der DAX bis auf 8.300 Punkte ab, dann schoss er um 700 Zähler hoch. War die Korrektur überzogen?
Henning Gebhardt:
Einiges deutet zumindest darauf hin, dass der Abverkauf sehr groß war: hohe Abflüsse aus Fonds, ein hoher Abschlag bei zyklischen Aktien, stark gestiegene Schwankungen. Die wirtschaftlichen Zahlen, gerade in Deutschland, sind enttäuschend. Es gibt aber keinen Grund zur Panik. Langfristig wird der schwache Euro die deutsche Wirtschaft stützen. Auch die Firmengewinne in den USA und teils in Europa sehen nicht schlecht aus. Die Markttechnik mahnt aber zur Vorsicht: Der langfristige Aufwärtstrend des DAX wackelt ein wenig.

Wie sind die Aussichten nach der jüngsten Stabilisierung? Ist die Korrektur schon überstanden?
Im Moment sieht es danach aus. Insbesondere der amerikanische Ak­tienmarkt zeichnet sich durch Stärke aus, die auf den DAX abfärben sollte.

Ihr Arbeitgeber hat eine optimistische DAX-Prognose abgegeben. Er erwartet 10 600 Punkte bis September 2015. Ist das noch haltbar?
Es spricht nichts dagegen. Es sei denn, die Wirtschaft verlangsamt sich deutlich. Wir haben aber mit relativ konservativen Zahlen gearbeitet.

Sollten Privatanleger schon in den Markt einsteigen?
Anleger mit einem langfristigen ­Horizont können einsteigen - sicherheitshalber aber schrittweise. Deutsche Aktien notieren mit einem historisch hohen Abschlag zu anderen Märkten, gerade zu US-Aktien. Auch wenn es schwerfällt, sich bei fallenden Kursen zum Kauf zu überwinden - auf Sicht von fünf Jahren sind Verluste unwahrscheinlich.

Welche Branchen empfehlen Sie?
Zuletzt sahen defensive Titel verglichen mit Zyklikern teuer aus. Letztere scheinen unterbewertet. Wer von einer Wirtschaftserholung ausgeht, sollte sich Autowerte anschauen. Um komplett in Zykliker umzuschichten, ist es noch zu früh.

Was ist die richtige Mischung?
Eine Kombination aus defensiven stabileren Werten wie Nahrungs­mittel- und Pharmaaktien und zyklischen Aktien. Dazu kleinere Werte aus der Immobilienbranche oder Medien- und Internetaktien.

Glauben Sie noch an eine Jahres­endrally? Oder fällt sie dieses Mal wegen der Konjunktursorgen aus?
Die US-Börsen haben schon einige ihrer Verluste aufgeholt. Auch eine Jahresendrally für den DAX würde ich nicht ausschließen.

Wie groß ist die Gefahr, dass deutsche Unternehmen in den Sog einer schwachen Eurozone geraten?
Deutsche Firmen sind nicht nur von Europa abhängig, sondern auch von den Schwellenländern. Aber eines ist klar: Wenn Europa gar nicht wächst, kann Deutschland langfristig nicht viel stärker wachsen. Zwar sind die Bedingungen für Wachstum hierzulande besser, zuletzt wurden jedoch einige Reformen zurückgedreht. Man darf nicht erwarten, dass das Wachstumspotenzial in Deutschland viel größer ist als in Europa.

Muss Deutschland mehr ausgeben, um der Eurozone zu helfen?
Deutschland sollte mehr in Infrastruktur investieren. Das würde sich wie ein Hebel auf die Wirtschaft auswirken. Es ist fraglich, ob das Dogma einer schwarzen Null im Haushalt haltbar ist. Wir sind in Europa nah an einer Deflation. Für Investitionsentscheidungen ist dieses Klima Gift. Alle haben ein Interesse daran, dass die Preise etwas steigen.

Auch Ihr Fonds, der DWS Aktien Strategie Deutschland, erlebt eher schwierige Zeiten. 2014 fuhr er bislang Verluste ein. Was lief schief?
Der Fonds spiegelt die deutschen Aktienmärkte wider. Gegen Abwärtsbewegungen können wir uns nur ­begrenzt schützen. Außerdem mischen wir gern Nebenwerte bei, die sich einerseits häufig stärker entwickeln, andererseits aber besonders stark korrigieren. 2013 haben wir fast 30 Prozent Rendite erzielt. Unser jetziges kleines Minus ist also kein dramatischer Einbruch.

Im Portfolio hat die frühere Volksaktie Telekom ein hohes Gewicht. Warum ist sie noch attraktiv?
Nicht nur die hohe Dividendenrendite spricht für die Aktie, auch das Geschäft entwickelt sich sehr positiv, und das Management überzeugt. Zudem ist die US-Tochter erfolgreich und könnte verkauft werden.

Sie gelten als Manager, der Verluste aussitzt, wenn Sie von einer Aktie überzeugt sind. Wie erkennen Sie, dass sie aussteigen müssen?
Gerade bei Nebenwerten habe ich ­einen langfristigen Horizont. Ich habe viele schmerzhafte Phasen erlebt, und plötzlich kam die Aufwärts­bewegung. Ein vorschneller Verkauf kann sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Ich muss aber immer darauf achten, ob das Geschäfts­modell der Firmen noch intakt ist. 2008 in der Finanzkrise hat sich das bewährt: Der Kurs von ProSieben ­signalisierte, dass das Unternehmen nicht überlebt. Am Ende kam es mit relativ geringen Blessuren davon.

Sehen Sie heute irgendwo eine ähnlich krasse Fehlbewertung?
In dieser Form nicht. Viele Nebenwerte haben aber große Ausschläge erlebt. Freenet wurde zuletzt sehr stark verkauft - oder unter den großen Werten die BMW-Vorzugsaktie.

Sie kritisieren öfters Firmen, in die Sie investiert sind. Zuletzt ermahnten Sie Siemens, für Übernahmen nicht zu viel auszugeben. Sehen Sie sich als aktivistischer Investor?
In einem Konzern wie Siemens wird es immer Baustellen geben. Grundsätzlich will ich bei meinen Investments alle Chancen nutzen. Dazu zählt, den offenen Meinungsaustausch mit dem Management zu suchen, um Unterbewertungen bei einer Aktie zu beheben. Wir sehen uns als proaktive Investoren, suchen aber keine Manager aus oder greifen in die Unternehmenssteuerung ein.

Inzwischen sind Sie fast 14 Jahre Fondsmanager für deutsche ­Aktien. Wie fällt Ihr Rückblick aus?
Im Jahr 2000, als ich den Deutschland-Fonds übernahm, war Deutschland sehr verkrustet. Davor hatte ich mich mit asiatischen Aktien beschäftigt, das war ein viel dynamischeres Umfeld. Die Aussichten für deutsche Aktien waren damals trübe. Der Rückblick ist umso erfreulicher: Deutsche Firmen haben sich toll entwickelt. Wer deutsche Aktien kauft, kauft die Welt. Sie sind besonders ­abhängig von der Weltwirtschaft, profitieren aber stark vom globalen Wachstum. Zudem hat sich die ­Qualität der Firmen und Manager enorm verbessert. Es gibt viele Erfolgs­geschichten auf dem Kurs­zettel.

Das klingt sehr positiv. Angesichts der Schwankungen seit 2000 ­sehen das manche sicher anders.
Verglichen mit der starken Ent­wicklung des S & P 500 in den Vereinigten Staaten könnte der DAX sicher etwas höher stehen. Dafür hat Deutschland sich besser entwickelt als andere Länder in Europa. Damit kann man sehr zufrieden sein. Deutsche Aktien werden weiter vom Wachstum der Weltwirtschaft profitieren. Und wir werden neue Höchstkurse sehen. Davon bin ich überzeugt.

zur Person:

Streitbarer Veteran
Schon seit 2000 managt ­Henning Gebhardt deutsche Aktien bei der Deutsche- Bank-Tochter Deutsche Asset & Wealth ­Management. Dort ­steuert er rund 4,8 Milliarden Euro in fünf Fonds, darunter das Vorzeigeprodukt DWS Aktien Strategie Deutschland und den Klassiker DWS Investa. Bekannt ist er auch, weil er Konzerne wie Daimler oder Siemens öffentlich mit klaren Worten kritisiert. Der bodenständige Niedersachse studierte nach einer Bankkaufmannslehre Betriebswirtschaftslehre in Göttingen und ging dann zur Bayerischen Hypothekenbank. 1996 kam er zu seinem heutigen Arbeitgeber. Gebhardt lebt mit seiner Familie im Taunus und sitzt im Beirat der Basketball-Bundesliga.

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Bildquellen: DWS

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