Börse Frankfurt-News: pfp Advisory: "Kampf um Endor, diesmal auf der Erde"
FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - Fondsmanager Peeters betrachtet kritisch die im StaRug geregelten Möglichkeiten, Aktionärinnen und Aktionäre bei grundsätzlichen Unternehmensentscheidungen außen vor zu lassen. Und sieht darin insbesondere ein Problem für Investments in Small- und Midcaps.
13. Mai 2024. Fans der Science-Fiction-Saga "Krieg der Sterne" kennen noch aus der in den 80er Jahren erschienenen Episode "Die Rückkehr der Jedi Ritter" den beschaulichen Waldmond Endor, der als einer von insgesamt neun Trabanten einen gleichnamigen Gasriesen umkreist. Die Idylle auf der Heimat der putzigen "Ewoks" wird im Verlauf des Films zum Mittelpunkt einer epischen Schlacht zwischen dem galaktischen Imperium und der Rebellenallianz um die Protagonisten wie Luke Skywalker, Han Solo und Prinzessin Leia.
Aus heutiger Sicht wirklich interessant gewählt ist der Name Endor, für den 1997 gegründeten und seit 2006 börsennotierten Hersteller von Spielkonsolenkomponenten aus dem bayerischen Landshut. Das Unternehmen ist ebenfalls Mittelpunkt einer erbitterten Schlacht geworden. Jetzt nicht mit Lichtschwertern und Blastern, wohl aber mit Paragraphen und juristischen Bandagen. Bevor ich meine Sicht zu dem Fall, der leider durchaus über das Unternehmen hinaus gehende Lehren bietet, kundtue, möchte ich auf zwei Punkte hinweisen: 1. Ich habe keinen eigenen Bezug zu dem Fall, unsere Fonds waren auch niemals in der Aktie investiert. 2. Ich bin kein Jurist. Vieles von dem, was gerade in Landshut passiert, mag durchaus rechtens sein. Ob es zugleich richtig ist, gerade in Ausstrahlung für den Finanzplatz Deutschland, darf man gleichwohl hinterfragen.
Die Geschichte in Kurzform: Die gründergeführte Firma erlebte mit ihren Lenkrädern für Spielkonsolen einen fulminanten Boom von Geschäft und Börsenwert während der Corona-Phase. Ab dem Scheitelpunkt dieser Entwicklung lief einiges reichlich schief. Um das exorbitante Wachstum und die nun folgenden Lieferkettenprobleme zu managen, wurden zahlreiche Entscheidungen getroffen, die wohl falsch waren: Zu überdimensionierte Ausgaben, statt einer Refinanzierung über die teure Aktie wurde reichlich Kredit aufgenommen und benötigte Chips wurden auch teuer über den Spot-Markt gekauft. Am Ende steht ein kollabiertes Unternehmen, dem die betroffenen Parteien aber wohl noch Potenzial zubilligen. Aber über den Weg wird heftig gestritten, fast wie auf dem Waldmond.
Während Anleger um den erst im März entmachteten Gründer (und Mehrheitsaktionär!) Thomas Jackermeier öffentlich kundtun, dass sie die Firma unter anderem über eine konventionelle Kapitalerhöhung sanieren wollen, favorisiert der nun amtierende Vorstand eine "Restrukturierung nach StaRUG", wie er nun nach "ergebnisoffener Prüfung" der verschiedenen Optionen entschieden hat und am Vorabend von Christi Himmelfahrt gegen 23 Uhr bekannt gab. Damit könnte ein von der Aktionärsvereinigung SdK wenige Tage zuvor veröffentlichtes Verlangen nach der Einberufung einer außerordentlichen HV nach §122, Abs. 1 AktG praktisch ins Leere laufen.
Dass die SdK sich ähnlich wie die andere große Aktionärsvereinigung DSW echauffiert, welche Ende April ebenfalls einen geharnischten offenen Brief an das aktuelle Endor-Management geschrieben hat, hat einen ganz einfachen Grund. Denn ein Verfahren nach dem "Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz", wie das StaRUG ausgesprochen heißt, beinhaltet vereinfacht gesprochen eine Fortführungslösung, die Firmenlenker gemeinsam mit Gläubigern und Banken auch ohne die Zustimmung der Aktionäre erreichen können. Und genauso liest sich das, was das Endor-Management nun angekündigt hat und mit dem gleichen Gesetz als Grundlage auch schon die Anleger der einst im MDAX gelisteten Firma Leoni (ebenfalls in einer Krisensituation) ereilt hat: Die Aktionäre haben keine Möglichkeit, an einer Kapitalerhöhung teilzunehmen, und halten dadurch am Ende nur noch komplett wertlose Papiere im Depot (die zugegebenermaßen in beiden Fällen zuvor auch nur noch Penny Stocks waren).
Über den konkreten Fall Endor möchte ich mich nicht weiter auslassen, interessierte Anleger finden hierzu mittlerweile genug detailliertes Material im Internet. Mir geht es hier um die mögliche negative Signalwirkung für den Finanzplatz. Denn in seiner ganzen Komplexität hat StaRUG als gedachte schlanke und einfache Alternative zur konventionellen Insolvenz eine wie ich finde kritisch zu hinterfragende Komponente: Das Aktionariat als Eigentümerschaft einer Gesellschaft derart einfach übergehen zu können, lädt im schlimmsten Fall noch zu einigen weiteren im wahrsten Sinne des Wortes feindlichen Übernahmen von angeschlagenen Mittelständlern ein und könnte ein weiteres Motiv für Anleger werden, sich von Small- und Midcaps fern zu halten. Der Staat sollte solche Fälle zum Anlass nehmen, um die Gesetze zumindest kritisch zu hinterfragen.
Anleger können meiner Ansicht nach übrigens noch eine zweite Lehre ziehen: Es war immer schon gefährlich, sich mit (zu) hoch verschuldeten Unternehmen einzulassen. StaRUG als Instrument macht diese Gefahr vielleicht noch unmittelbarer, aber selbst in einem anderen Rechtsrahmen ist nicht zu übersehen, dass Abhängigkeit von Kreditgebern auch für Aktionäre schnell ein Thema werden kann.
Von Roger Peeters, 13. Mai 2024, © pfp Advisory
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)