Agrarrohstoffe Spezial

Landwirtschaft: Genmais war gestern

01.03.14 08:00 Uhr

Saatgutkonzerne haben ein neues Geschäftsfeld entdeckt: gesünderes und schmackhafteres Gemüse - mit neuen Technologien statt Genmanipulation.

von Julia Groß, Euro am Sonntag

Eine Welle der Empörung schwappt durchs Land, seit die EU-Kommission dem Anbau von "Genmais 1507" keinen Riegel vorschob. Mehr als 80 Prozent der Deutschen sind gegen gentechnisch manipulierte Lebensmittel. Naturschutzverbände liefen Sturm, Ex-Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich stellte den Bundesländern sogleich "regionale Ausstiegsklauseln" in Aussicht.

Für die Saatgutkonzerne hat die Entscheidung letztlich allerdings gar keine so große Bedeutung. Dass transgene Pflanzen wie der für Tierfutter bestimmte 1507-Mais von DuPont in Europa nicht akzeptiert werden, damit haben sie sich weitgehend abgefunden. Monsanto zog schon im vergangenen Jahr alle Maisanbauanträge für die EU zurück, BASF konzentriert sich seit Längerem auf den nord- und südamerikanischen Markt.

Genmanipulierte Getreide, Baumwolle und Ölsaaten sind zwar die Hauptumsatzträger der Agrarriesen, doch in den Industrieländern stagniert der Anbau, im vergangenen Jahr ging die Fläche sogar erstmals zurück. "Die Industrieländer haben ein Plateau erreicht", sagt Clive James von der gentechnikfreundlichen Lobbyagentur ISAA, die entsprechende Statistiken veröffentlicht hat. "Das Wachstum kommt aus den Schwellen- und Entwicklungsländern."

Attraktives Gemüsegeschäft
Unterdessen sehen einige Konzerne - zum Beispiel Monsanto, Bayer CropScience, Syngenta und Vilmorin aus Frankreich - offenbar neue Chancen in der Zucht von Gemüse und Obstsorten. Noch vor 15 Jahren galt dieses Geschäft für die Agrarriesen als eher unattraktiv, weil teuer und ineffizient. Mit dem technologischen Fortschritt hat sich das Blatt gewendet. Monsantos Gemüsesparte ist mit 821 Millionen Dollar Umsatz im vergangenen Jahr bei rund zehn Milliarden Umsatz mit Saatgut insgesamt ein nicht mehr zu vernachlässigender Geschäftszweig. Bei der Schweizer Syngenta trägt Gemüse über ein Fünftel zu den Saatgut-Einnahmen bei.

Von diesem Bereich versprechen sich die Unternehmen eine attraktive Wachstumsdynamik. Und sie haben ihre Denkweise komplett auf den Kopf gestellt. Denn bei der Entwicklung neuer Gemüse- und Obstsorten stehen neuerdings die Wünsche der Verbraucher im Vordergrund, während die Firmen bisher vor allem die Bedürfnisse der Landwirte und der weiterverarbeitenden Industrie berücksichtigten. Standen bis jetzt Ertrag und Haltbarkeit auf der Prioritätenliste ganz oben, kümmern sich die Forschungslabore der Pflanzenzüchter nunmehr auch dezidiert um Geschmack, Textur, Vitamingehalt oder sogar Vermeidung von Müll.

Möglich machen das Technologien, die unter Bezeichnungen wie Smart Breeding, Präzisionszucht oder markergestützte Selektion zusammengefasst werden. Während bei den umstrittenen genveränderten Nutzpflanzen völlig artfremde Erbgutschnipsel eingebaut werden, ist Smart Breeding ganz traditionelle Zucht - aber mit einem molekularbiologischen Turboantrieb.

Schon seit Jahrtausenden züchten Menschen, indem sie Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften gezielt kreuzen und vermehren. Doch das Ergebnis solcher Kreuzungen ist aufgrund des komplexen Zusammenwirkens der Gene ein Roulettespiel: Besonders große und besonders süße Melonen ergeben beispielsweise nicht zwangsläufig ein Gewächs, das große, süße Früchte trägt. Und falls tatsächlich so eine Pflanze dabei herauskommt, ist sie womöglich besonders schädlingsanfällig, braucht viel zu viel Wasser oder liefert zu wenig Ertrag. Um das herauszufinden, müssen Züchter aber jedes Mal warten, bis die Tochtergeneration Früchte trägt, um dann zu beurteilen, ob und mit welchen Nachkommen sie weiterarbeiten können. Schnell multipliziert sich dabei auch die Zahl der Pflanzen, die gehegt und gepflegt werden müssen. Die Entwicklungszeit dauert häufig mehr als zehn Jahre.

Inzwischen ist jedoch viel über das Genom einzelner Pflanzen bekannt. DNA-Sequenzierung, also das Auslesen des Erbguts, ist schneller und preiswerter geworden. Mittlerweile ist es Standard, dass Züchter einfach die DNA der Pflanze untersuchen, sobald diese ein paar Blättchen trägt. Mittels Genanalyse können sie überprüfen, ob gewünschte Eigenschaften weitervererbt wurden. Manchmal lässt sich das sogar schon am Samen feststellen.

Wissenschaftler sprechen von einem Paradigmenwechsel. "Der Fortschritt in den vergangenen fünf Jahren war exponentiell", erklärt Shelley Jansky von der US-Landwirtschaftsbehörde. Zu den molekularbiologischen Methoden kommen Computermodelle, mit denen sich Erbgänge simulieren lassen.

Rückkehr des guten Geschmacks
"Durch die neuen Technologien können wir einerseits viel zielgerichteter vorgehen, andererseits Dinge machen, die vorher überhaupt nicht möglich waren oder viel zu lang gedauert hätten", sagt Alexander Tokarz, globaler Leiter Gemüse bei Syngenta. Gerade Geschmack, der zu 50 Prozent über Geruchsaromen und zu 25 Prozent über den haptischen Eindruck im Mund transportiert wird, ist so eine komplexe Eigenschaft, die Züchtern bisher schwer zugänglich war. Beispiel Tomate: Weil ganz Europa aus den Mittelmeerländern versorgt wird, standen beim Züchten jahrzehntelang Lager- und Transportfähigkeit im Vordergrund. Jetzt arbeiten die Firmen daran, den Geschmack zurückzuholen. "Das Ziel ist, dass auch eine Fleischtomate irgendwann so intensiv schmeckt wie heute schon eine Kirschtomate", sagt Syngenta-Mann Tokarz.

Paprikas und Melonen werden kleiner, damit sie besser als Snack verzehrt werden können und in kleinen Haushalten weniger Reste bleiben. Syngenta hat eine kernlose Babypaprika gezüchtet und plant, in Zukunft auch klassische Gemüsepaprika ohne unverwertbares Innenleben anbieten zu können. Bayers Tochter Nunhems produziert Galia-Melonen, deren Schale mit einem deutlichen Farbwechsel anzeigt, wann sie reif sind. Und Monsanto hat Brokkoli mit einem extrem hohen Gehalt an Antioxidantien entwickelt sowie eine geschmacksintensivere, vitaminreichere Alternative zum Eisbergsalat.

Das Plus an Vielfalt und Qualität werden sich die Hersteller entsprechend bezahlen lassen. Der Datendienst Marketline schätzt, dass der globale Obst- und Gemüsemarkt bis 2016 auf ein Volumen von 2,7 Billionen US-Dollar wächst, ein Plus von 79 Prozent gegenüber 2011. Da lässt sich die Gen-Aversion der Europäer doch etwas milder hinnehmen.

Investor-Info

Transgen-Anbauflächen
Gesättigte Industrieländer

Im Jahr 2013 ist die Anbaufläche von genveränderten Nutzpflanzen in den Industrieländern erstmals zurückgegangen. Vor allem Soja- und Baumwollanbau wird von genveränderten Sorten dominiert.

ETFS Global Agribusiness
Chemielastiger Index

In dem ETF-Portfolio ist Monsanto mit 12,5 Prozent die größte Position, Syngenta folgt mit 8,5 Prozent. Darüber hinaus finden sich vor allem Agrarchemieunternehmen wie Potash, Uralkali oder Agrium. Nur für Anleger mit Mut zum Risiko zu empfehlen.

DJE Agrar & Ernährung
Fokus auf Konsum

Manager Jörg Dehning setzt zurzeit auf internationale Nahrungsmittelspezialisten wie Molkereien oder Zulieferer für Wursthersteller. Für 2014 sieht er auch Potenzial bei Kali-Düngemittelproduzenten. Bester Agribusiness-Fonds über drei und fünf Jahre.

Aktien
Hungrige Gemüsezüchter

Bayer ist aus Anlegersicht der attraktivste Gemüsezüchter: günstige Bewertung, Pharma- und Agrarsparte laufen rund. Monsanto-Aktien sind teuer. Syngenta könnte mit Restrukturierungseffekten überraschen und bietet eine Dividendenrendite von 3,2 Prozent. Vilmorin wächst gerade im Gemüsebereich stark, die Aktien des Unternehmens werden jedoch an deutschen Börsen kaum gehandelt.

Unternehmen ISIN KGV Empf. 2014
Bayer DE 000 BAY 001 7 15,7 Kaufen
Monsanto US 611 66W 101 8 21,0 Halten
Syngenta CH 001 103 746 9 16,9 Kaufen
Vilmorin FR 000 005 251 6 17,9 Halten

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