Börsenrally: Anleger so bullish wie schon seit fast drei Jahren nicht mehr
Die Anleger rund um den Globus sind in Feierstimmung, die Börsenrally scheint weiter unaufhaltsam. Eine Bank of America-Umfrage unterstrich kürzlich das ultra-bullishe Sentiment der Anleger. Doch ist das als ein positives Zeichen zu werten - oder vielmehr als Warnsignal?
Werte in diesem Artikel
• Starke Börsenentwicklung 2024: Anleger werden immer bullisher
• Furcht vor Inflation nimmt ab
• Gutes oder schlechtes Zeichen? Schwierige Interpretation der Studie
Die fulminante Börsenrally des ersten Halbjahres 2024 dürfte selbst die größten Bullen überrascht haben. Dank der Aussicht auf sinkende Leitzinsen und dem Ausbleiben einer US-Rezession deckten sich Anleger in den letzten Monaten fleißig mit Aktien ein. Die Folge: Börsenindizes rund um den Globus gingen auf Rekordjagd. Der DAX knackte erstmals die 18.000-Punkte-Marke, der Dow Jones überschritt zeitweise die Schallmauer von 40.000 Einheiten und der S&P 500 knackte teils die 5.500 Zähler. Die höchsten Zuwächse verzeichnete aber bislang der US-Tech-Index NASDAQ Composite, der von den KI-Gewinner-Aktien à la NVIDIA, Microsoft, oder Broadcom angetrieben wurde. Kein Wunder also, dass das Sentiment der Börsianer schon lange nicht mehr so positiv war.
Bank of America-Studie: Mehrheit rechnet mit "sanfter Landung"
Die kürzlich von der Bank of America durchgeführte Umfrage "Fund Manager Survey" (FMS) fand heraus, dass die befragten Portfoliomanager mehrheitlich nicht mit einer Rezession in den USA rechnen. Demnach werde die von der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) anvisierte "sanften Landung" (engl. soft landing) gelingen. Etwa zwei Drittel (64 Prozent) der Vermögensverwalter sind der Meinung, dass die Konjunktur sich zwar etwas verlangsamen wird, aber nicht in eine Rezession abgleiten wird. Die Erwartungen an eine "harte Landung" (engl. hard landing) sind hingegen auf einen neuen Tiefstand gesunken: Nur noch 5 Prozent der befragten Portfoliomanager rechnen mit einem größeren Wirtschaftsabschwung in den USA.
Portfoliomanager setzen voll auf Aktien
Darüber hinaus deckte die Studie auf, dass die Portfoliomanager rund um den Globus voll auf Aktien setzen - insbesondere auf die "Magnificent Seven", namentlich NVIDIA, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta Platforms, Apple und Tesla. Die Bargeldbestände der Geldmanager befinden sich auf einem Dreijahrestief. "Die FMS-Stimmung ist im Juni so optimistisch wie seit November 2021 nicht mehr", schrieb Michael Hartnett, Investmentstratege der Bank of America. "Unser breitestes Maß für die FMS-Stimmung, das auf Bargeldbeständen, Aktienallokation und Wirtschaftswachstumserwartungen basiert, stieg von 5,99 im letzten Monat auf 6,03", zitiert "CNBC" Hartnett. So hoch lag dieser Wert das letzte Mal im November 2021, als eine monatelange Rally nach dem Corona-Crash von März 2020 ihr Endstadium erreichte.
Aussicht auf Leitzinssenkungen spornt Anleger an
Ein wichtiger Grund für den derzeitigen Optimismus unter Portfoliomanagern ist die Aussicht auf baldige Leitzinssenkungen in den USA. Zwar verschob sich der Zeitpunkt der ersten Zinsreduktion angesichts hartnäckiger Inflationszahlen um Monate nach hinten. Dies nahmen die Investoren aber sehr gelassen, da die Zinssenkungen dann eben nur etwas später kommen - dass sie anstehen, steht hingegen außer Frage. Laut der Bank of America-Umfrage rechnen 80 Prozent der Anleger mit mindestens zwei oder mehr Zinssenkungen im kommenden Jahr. Die erste 2024er-Zinsreduktion werde demnach im September erfolgen.
Positive Lesart der Studie
Die essentielle Frage für Aktionäre ist nun, wie die Ergebnisse der Umfrage zu interpretieren sind. Einerseits könnte es als ein sehr positives Zeichen aufgefasst werden, dass Investoren mehrheitlich mit einer sanften Landung rechnen. Sofern die US-Konjunktur es tatsächlich vermeiden kann, in eine Rezession abzugleiten, wird sich dies naturgemäß positiv auf die Gewinne der US-Konzerne, die für die allgemeine Börsenentwicklung von großer Bedeutung sind, auswirken. Weiterhin scheint das Interesse der Portfoliomanager an weiteren Nachkäufen bei Aktien überaus groß zu sein.
Zuversicht der Anleger ein böses Omen?
Andererseits kann das ultra-bullishe Sentiment auch negativ interpretiert werden - im Sinne eines Kontraindikators: Wenn Anleger allgemein sehr zuversichtlich hinsichtlich der Börsenentwicklung sind, bedeutet dies für gewöhnlich, dass sie bereits stark im Markt investiert sind. Daraus folgt, dass für weitere Nachkäufe womöglich das Kapital fehlen könnte. Wenige Anleger stehen noch an der Seitenlinie, zudem weisen die bereits investierten Bullen oft nur noch geringe Cash-Reserven auf. Wenn es dann am Markt nicht mehr in gekannter Geschwindigkeit nach oben geht, können recht geringe Kursrückgänge zu starken Verlusten anwachsen, da immer weniger Anleger in die Kursschwäche hineinkaufen und für neue Börsenhochs sorgen können.
Auch der direkte Vergleich mit einem ähnlich bullishen Sentiment im November 2021 ist kein gutes Omen. Der gegenwärtige Optimismus lässt einige Anleger befürchten, dass eine Trendwende bevorsteht. Im November 2021 - dem letzten Mal, als die Wall Street so optimistisch war - beendete der S&P 500 ein starkes Jahr mit einem Anstieg von mehr als 26 Prozent. Im darauffolgenden Jahr 2022 brach der breite Index jedoch um mehr als 19 Prozent ein, da die US-Notenbank begann, die Zinssätze anzuheben, was eine Korrektur insbesondere bei den großen Technologiewerten auslöste.
Tatsächlich sind die Anleger besorgt über das Potenzial für größere Volatilität in der zweiten Hälfte des Jahres 2024. Die Umfrage unter den Fondsmanagern zeigt, dass die Inflationsängste in den Köpfen der Anleger im Juni nachgelassen haben, auch wenn sie nach wie vor die größte Sorge darstellen, während die Besorgnis über geopolitische Risiken und die Präsidentschaftswahlen in den USA im Vergleich zum Vormonat zugenommen hat. Konkret ist die Inflation nach Ansicht von 32 Prozent (Mai: 41 Prozent) der Anleger das größte Risiko, gefolgt von der Geopolitik (22 Prozent, Mai: 18 Prozent) und den US-Präsidentschaftswahlen (16 Prozent, Mai: 9 Prozent).
Redaktion finanzen.net
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