thyssenkrupp-Aktie dennoch mit Kurssprung: thyssenkrupp meldet erneut Milliardenverlust
Eine schwache Nachfrage und niedrigere Stahlpreise belasteten. Auf das schwächelnde Stahlgeschäft schrieb thyssenkrupp rund eine Milliarde ab. Dazu belasteten Kosten für die Restrukturierung. Das Marktumfeld dürfte dabei weiter schwierig bleiben. Das Management um Konzernchef Miguel López stimmte auf ein weiteres Übergangsjahr ein. Strategisch rief er ein "Jahr der Entscheidungen" aus.
"Das laufende Geschäftsjahr ist ein Übergangsjahr auf dem Weg, unsere mittelfristigen Finanzziele auch in einem herausfordernden Umfeld zu erreichen", sagte Konzernchef López in Essen. Unter anderem strebt der Konzern eine bereinigte Ebit-Marge von vier bis sechs Prozent an - wann diese erreicht werden soll, wollte Finanzchef Jens Schulte nicht sagen. Im aktuellen Marktumfeld sei dies nicht möglich. Im vergangenen Geschäftsjahr betrug die Marge 1,6 Prozent.
"Mit Blick auf unsere strategischen Leitthemen wird das laufende Geschäftsjahr ein Jahr der Entscheidungen - insbesondere für Steel Europe und Marine Systems", sagte Lopez. Nach dem Ausstieg des Finanzinvestors Carlyle aus dem Bieterprozess hält thyssenkrupp an einer Verselbstständigung der Marinesparte fest. Favorisiert wird nun ein Spin-off, der Bereich bleibt aber den Angaben zufolge auch für industrielle Partnerschaften weiter offen. Darüber hinaus führt thyssenkrupp weiterhin Gespräche mit der Bundesregierung zur Beteiligung des Staates.
Das Stahlgeschäft arbeitet weiter an einem neuen Geschäftsplan. Dieser soll in ein bis zwei Monaten fertiggestellt werden. Um die Neuaufstellung war zuletzt ein heftiger Streit entbrannt, Teile des Vorstands und des Aufsichtsrats der Sparte warfen hin. Die Arbeitnehmerseite befürchtet den Abbau tausender Stellen. Der neue Chef, Dennis Grimm, hatte in einem Gespräch zuletzt härtere Einschnitte angekündigt als bisher geplant. thyssenkrupp will sich von dem schwankungsanfälligen Geschäft trennen und hat 20 Prozent an EPCG verkauft, eine Gesellschaft des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky. Angestrebt ist die Bildung eines gleichberechtigten Gemeinschaftsunternehmens.
Im vergangenen Geschäftsjahr musste thyssenkrupp erneut hohe Summen auf die Stahlsparte abschreiben. Damit steht das Geschäft noch mit rund 2,4 Milliarden Euro in den Büchern. Dies war mitverantwortlich für einen Jahresverlust von 1,4 Milliarden Euro, nach einem Fehlbetrag von 2 Milliarden ein Jahr zuvor. Dennoch will thyssenkrupp eine unveränderte Dividende von 15 Cent je Aktie zahlen.
Eine sinkende Nachfrage und niedrigere Stahlpreise sorgten für einen Umsatzrückgang von sieben Prozent auf 35 Milliarden Euro. Der Auftragseingang nahm um elf Prozent auf 32,8 Milliarden Euro ab. Neben schwachen Geschäften der Stahl- sowie der Handelssparte verzeichnete auch das Automotive-Geschäft Rückgänge. Nur die Marinesparte konnte zulegen. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) fiel insgesamt um knapp ein Fünftel auf 567 Millionen Euro. Damit erreichte das Unternehmen seine zuletzt gesenkte Prognose.
Dabei verzeichnete thyssenkrupp operativ einen versöhnlichen Abschluss: Der Umsatz verharrte im vierten Geschäftsquartal mit 8,8 Milliarden Euro auf dem Vorjahresniveau und das bereinigte Ebit stieg um 72 Prozent auf 151 Millionen Euro. Mit Ausnahme des Stahlgeschäfts konnten alle Sparten ihre Ergebnisse verbessern. Damit fielen die Zahlen besser aus als von Analysten erwartet. Positiv entwickelte sich auch der freie Mittelzufluss vor Übernahmen und Fusionen: Er erreichte rund eine Milliarde Euro, nachdem das Marine-Geschäft vorzeitige Zahlungen von Kunden verbuchen konnte.
Für das neue Geschäftsjahr zeigte sich das Unternehmen vorsichtig. "Von den Märkten können wir keine Rückendeckung erwarten", sagte López. Dabei soll thyssenkrupp wieder in die schwarzen Zahlen zurückkehren. Das Konzernergebnis soll 100 bis 500 Millionen Euro erreichen. Dabei geht das Unternehmen von einer Stabilisierung seiner Geschäfte im Stahl, Handel sowie Automotive in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres aus.
Der Umsatz soll zumindest das Vorjahresniveau erreichen und um bis zu drei Prozent zulegen. Das bereinigte Ebit sehen die Essener bei 0,6 bis 1 Milliarde Euro. Alle Geschäfte sollen dazu beitragen. Profitieren werde Thyssenkrupp auch von seinem Transformations- und Sparprogramm. Dieses soll noch einmal ausgeweitet werden.
Laut Analyst Dominic O'Kane von der Bank JPMorgan bewegt sich der Ausblick auf dem Niveau der Markterwartungen.
Baader Bank belässt thyssenkrupp auf 'Buy' - Ziel 5,40 Euro
Die Baader Bank hat die Einstufung für thyssenkrupp auf "Buy" mit einem Kursziel von 5,40 Euro belassen. Die Resultate für das abgelaufene Geschäftsjahr hätten beinahe die Erwartungen erfüllt, schrieb Analyst Christian Obst in einer am Dienstag vorliegenden Studie. Dies wertet er erst einmal positiv, genauso wie die Dividende in Höhe von 0,15 Euro. Einen positiven Kurstreiber für die Aktien sieht er in den Ankündigungen allerdings nicht, denn die Auftragseingänge fielen und es würden nach wie vor "Barmittel verbrannt". Der Free Cashflow werde wohl im neuen Geschäftsjahr negativ ausfallen.
Barclays belässt thyssenkrupp auf 'Underweight' - Ziel 4,40 Euro
Die britische Investmentbank Barclays hat die Einstufung für thyssenkrupp mit einem Kursziel von 4,40 Euro auf "Underweight" belassen. Das vierte Geschäftsquartal des Industriekonzerns sei ganz in Ordnung und wohl gut genug gewesen, schrieb Analyst Tom Zhang am Dienstagmorgen. Alle Augen seien aber auf den Ausblick gerichtet und hier zeichne sich ein weiteres Übergansjahr mit negativer Barmittelbilanz ab.
thyssenkrupp-CEO hält an Bau der Grünstahl-Anlage fest
Der Industriekonzern thyssenkrupp hält am Bau einer milliardenteuren Anlage zur CO2-ärmerem Stahlherstellung in Duisburg fest. Trotz einer möglichen Kostensteigerung geht das Unternehmen nach Worten von thyssenkrupp-Chef Miguel López davon aus, dass die Anlage "realisiert werden kann". "Wir stehen unverändert zu unserem Bekenntnis zur grünen Transformation und zur klimaneutralen Stahlproduktion", sagte der Manager bei der Vorlage der Jahreszahlen für das Ende September beendete Geschäftsjahr 2023/24 am Dienstag in Essen.
Die sogenannte Direktreduktionsanlage zur Produktion von "Grünstahl" soll einen klassischen Hochofen ersetzen. Sie soll zunächst mit Erdgas, später dann mit Wasserstoff betrieben werden. Die Anlage soll rund drei Milliarden Euro kosten. Davon wollen der Bund rund 1,3 Milliarden Euro, das Land NRW rund 700 Millionen Euro übernehmen. Der Bau hat bereits begonnen. Von den insgesamt zwei Milliarden Fördermitteln sind laut López bislang rund 700 Millionen Euro geflossen. Die Stahlsparte des Konzerns, thyssenkrupp Steel, ist Deutschlands größter Stahlhersteller.
López forderte einen schnelleren Aufbau eines Wasserstoff-Pipelinenetzes in Europa. Pipelines seien das einzige effiziente Transportmittel, so der Manager. Die neue Anlage benötige 140.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr. Sobald man wisse, wann die Pipeline tatsächlich fertig ist, könne man sich um die benötigten Mengen kümmern. "In dem Moment, wenn wir diese Pipeline-Termine auch tatsächlich haben, dann können wir die Frage stellen: Wer kann das produzieren? In welchem Umfang?" Laut López warten die Produzenten darauf, Gewissheit zu bekommen.
Die defizitäre Stahlsparte mit rund 27.000 Beschäftigten steht vor einem tiefgreifenden Umbau. Geplant ist ein deutlicher Kapazitätsabbau, der auch mit Stellenstreichungen verbunden sein wird. López bekräftigte frühere Aussagen, wonach die Neuaufstellung der Stahlsparte möglichst ohne betriebsbedingte Kündigungen erfolgen soll. "Ein Zeitplan über viele Jahre und die demografische Entwicklung bilden dafür den Rahmen", sagte er. Wie die Sparte künftig aufgestellt sein soll, wird seit geraumer Zeit vom Stahl-Vorstand ausgearbeitet. Der sogenannte Businessplan solle in ein bis zwei Monaten vorliegen, sagte López.
thyssenkrupp-Aktie springt an
Die seit längerer Zeit schwächelnde Aktie setzte am Dienstag zu einer Erholung an. Die Aktien von thyssenkrupp legten am Dienstag nach Quartalszahlen zu. Auf XETRA notierten sie letztlich 11,65 Prozent höher bei 3,80 Euro. Die Aktie bewegt sich nun wieder auf dem Niveau von Ende Juli, hat seit Jahresbeginn aber mehr als 40 Prozent verloren. Ein Händler lobte den ausgewiesenen freien Barmittelfluss, merkte aber an, dass dieser im neuen Geschäftsjahr 2024/25 deutlich negativ sein dürfte.
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Bildquelle: thyssenkrupp AG