Lagarde: Zinserhöhungen für die nächsten Ratssitzungen erwartet - TPI nicht für immer konzipiert
Die Europäische Zentralbank (EZB) rechnet nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde trotz der sich deutlich eintrübenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer Straffung ihrer Geldpolitik.
"Beim derzeitigen Stand der Dinge gehen wir davon aus, dass wir die Zinssätze in den nächsten Sitzungen weiter anheben werden, um die Nachfrage zu dämpfen und dem Risiko einer anhaltenden Aufwärtsverschiebung der Inflationserwartungen vorzubeugen", sagte Lagarde laut veröffentlichtem Redetext zur Eröffnung ihrer Anhörung im Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europaparlaments.
Die EZB werde ihren geldpolitischen Kurs im Lichte der eingehenden Informationen und der sich entwickelnden Inflationsaussichten regelmäßig neu bewerten, fügte sie hinzu. Die künftigen Leitzinsentscheidungen würden weiterhin datenabhängig sein und von Sitzung zu Sitzung getroffen werden.
Lagarde zufolge erwartet die EZB, dass sich die Aktivität in den kommenden Quartalen deutlich verlangsamen wird. Hierfür gibt es nach ihrer Aussage vier Hauptgründe.
Erstens dämpft die hohe Inflation die Ausgaben und die Produktion in der gesamten Wirtschaft, und dieser Gegenwind wird durch die Unterbrechung der Gasversorgung noch verstärkt.
Zweitens verliert die starke Nachfrage nach Dienstleistungen, die mit der Wiederbelebung der Wirtschaft einherging, an Schwung.
Drittens werden die Abschwächung der weltweiten Nachfrage, auch vor dem Hintergrund einer strafferen Geldpolitik in vielen großen Volkswirtschaften, und die sich verschlechternden Terms of Trade die Wirtschaft des Euroraums weniger stützen.
Viertens ist die Unsicherheit nach wie vor groß, was sich im sinkenden Vertrauen der Haushalte und Unternehmen widerspiegelt.
Lagarde: TPI ist nicht für endlosen Einsatz gedacht
Die Europäische Zentralbank (EZB) würde das Instrument gezielter Staatsanleihekäufe im Rahmen des TPI (Transmission Protecion Instrument) nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde nur unter strengen Bedingungen und punktuell einsetzen. Lagarde sagte, ein von TPI begünstigtes Land dürfte nicht gegen die EU-Haushaltsregeln verstoßen und es dürfte sich nicht in einem Verfahren wegen exzessiver Ungleichgewichte befinden. Zudem beurteilte die EZB vor einer Aktivierung des TPI, wie groß die Risiken einer Störung des geldpolitischen Signals ("Fragmentierung") in dem betreffenden Land seien und ob der Einsatz des TPI verhältnismäßig sei, sagte Lagarde in einer Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europaparlaments.
"Dieses Instrument ist nicht dazu gedacht, es endlos einzusetzen", sagte Lagarde zudem. Es könne durchaus sein, dass das TPI beendet werde, weil es entweder "völlig erfolglos" gewesen sei oder weil der EZB-Rat mit seiner anfänglichen Diagnose falsch gelegen habe. Das könnte den Einsatz "eines anderen Instruments" erforderlich machen.
EZB/Lagarde kritisiert breite Staatshilfen bei Energiepreisen
Die von den Regierungen des Euroraums ergriffenen Maßnahmen zur Entlastung der Volkswirtschaften von den sehr hohen Energiepreisen konterkarieren nach Aussage von EZB-Präsidentin Christine Lagarde die Bemühungen der Europäischen Zentralbank (EZB) zur Senkung der Inflation. "Unglücklicherweise... gibt es mehr Maßnahmen, die breit angelegt sind als solche, die spezifisch auf die Bedürftigsten zugeschnitten sind", sagte Lagarde in einer Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europaparlaments. Sie fügte unter Verweis auf eine entsprechende Einschätzung der EU-Kommission hinzu: "Nach meiner Erinnerung sind es nur 10 bis 20 Prozent, die spezifisch zugeschnitten, temporär und gezielt sind." In dieser Hinsicht gebe es noch einiges zu tun.
"Maßnahmen die breit angelegt sind, die bei den Begünstigten keinen Unterschied machen zwischen jenen, die Hilfe dringend benötigen und jenen, auf die das nicht zutrifft, helfen der Geldpolitik sicherlich nicht", sagte Lagarde. Vielmehr könnten sie zu einem noch stärkeren Anstieg der Inflation beitragen und den Bemühungen der Geldpolitik entgegenwirken.
EZB/Lagarde: Euroraum-BIP sinkt im vierten und ersten Quartal
EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat den Willen der Europäischen Zentralbank (EZB) betont, ihre Zinserhöhungen auch bei sinkender Wirtschaftsleistung fortzusetzen. Lagarde sagte in einer Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europaparlaments, die Wirtschaft werde im vierten Quartal wahrscheinlich schrumpfen, und die EZB werde trotzdem die Zinsen erhöhen. Lagarde sagte mit Blick auf das Jahr 2023: "Es wird sicherlich ein schwieriges Jahr, dessen erstes Quartal sehr wahrscheinlich negativ sein wird. Wir glauben auch, dass das vierte Quartal negativ wird - und es ist eines, in dem wir weiterhin gegen die Inflation kämpfen müssen, denn das ist der Auftrag der Zentralbank."
Lagarde verwies darauf, dass das Basisszenario der EZB-Stabsprojektionen für 2023 immer noch ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent vorsähen. Das Risikoszenario jedoch, dessen Annahmen teilweise schon eingetreten seien, sehe eine Rezession von 0,9 Prozent vor. "Angesichts der Unsicherheit und wegen der Unsicherheit über die fiskalische Reaktion, die von einigen Ländern zu erwarten ist, ist schwer vorherzusagen, wie das Jahr 2023 aussehen wird."
Lagarde: EZB könnte Verzinsung der TLTRO-Liquidität ändern
Die Europäische Zentralbank (EZB) überprüft nach den Worten ihrer Präsidentin Christine Lagarde, ob die Verzinsung von Liquidität, die Banken im Rahmen der TLTRO-Refinanzierungsgeschäfte sehr günstig aufgenommen haben, noch angemessen ist. Lagarde sagte in einer Anhörung des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europaparlaments: "Wir beobachten natürlich die Gesamtsituation der Einlagenverzinsung - jeglicher Einlagenverzinsung - und dabei beachten wir auch die TLTROs. Wir müssen dafür sorgen, dass das Gleichgewicht zwischen Kosten und Nutzen dieser Seite unserer Politik positiv bleibt."
Die EZB muss Lagarde zufolge dafür sorgen, dass ihre Politik immer "verhältnismäßig" bleibe. "Wir werden diese Dinge prüfen und wir werden sie über unsere Überlegungen informieren."
Von Hans Bentzien
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