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EZB denkt offenbar über Leitzins-Korridor nach - Zinserhöhung laut Nagel im Juli möglich - Villeroy de Galhau warnt vor übereilten Schlüssen

16.06.23 15:27 Uhr

EZB denkt offenbar über Leitzins-Korridor nach - Zinserhöhung laut Nagel im Juli möglich - Villeroy de Galhau warnt vor übereilten Schlüssen | finanzen.net

In der Europäischen Zentralbank (EZB) haben laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters in dieser Woche Diskussionen über eine Angleichung der Abstände zwischen den einzelnen Leitzinsen begonnen.

Wie Reuters unter Berufung auf fünf informierte Personen schreibt, fand hierzu am Mittwoch ein Seminar statt.

Der Abstand zwischen dem untersten Leitzins, dem Satz für Einlagen von Geschäftsbanken bei der EZB, beträgt 3,50 und liegt damit um 50 Basispunkte unterhalb des Hauptrefinanzierungssatzes (4,00 Prozent). Der Abstand zwischen letzteren und dem Spitzenrefinanzierungssatz (4,25 Prozent) beträgt aber nur 25 Basispunkte. Dem Bericht zufolge sollen diese Abstände angeglichen werden. Die EZB hatte den Bankeinlagensatz in den Jahren zu niedriger Inflation stärker als die beiden anderen Sätze reduziert.

In dem auch heute noch herrschenden Regime hoher Liquidität ist dieser Satz der Leitzins, an dem sich die Geldmarktsätze orientieren. Die EZB strebt aber im Rahmen ihrer geldpolitischen Normalisierung ein Regime knapperer Liquidität an. In diesem Zusammenhang ist die Diskussion über einen wieder symmetrischen Zinskorridor zu sehen. Reuters zufolge wird das Thema nicht auf der Tagesordnung der EZB-Ratssitzung am 27. Juli stehen.

Nagel: EZB könnte Zinsen nach Sommer weiter erhöhen

Die Europäische Zentralbank (EZB) wird ihre Zinsen nach Aussage von EZB-Ratsmitglied Joachim Nagel möglicherweise nicht letztmals im Juli erhöhen. "Möglicherweise müssen wir die Zinsen nach der Sommerpause weiter anheben", sagte Nagel laut veröffentlichtem Redetext bei einem Treffen der Group of Thirty.

Nagel zufolge muss die EZB ihre Zinsen, wenn das zyklische Hoch erreicht ist, dort so lange lassen, bis sie sicher ist, dass die Inflation sicher und rechtzeitig auf den Zielwert von 2 Prozent sinkt. "Und drittens müssen wir diese Zinspolitik durch eine Verringerung unserer Bilanz unterstützen. Ich begrüße die Entscheidungen, das Tempo dieses Abbaus zu erhöhen, sehr", sagte Nagel.

Der EZB-Rat hatte am Donnerstag eine Leitzinsanhebung um 25 Basispunkte beschlossen. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte im Anschluss einen weiteren Zinsschritt für Juli mehr oder weniger angekündigt. Der EZB-Rat sei mit dem Inflationsausblick nicht zufrieden, sagte sie.

EZB-Ratsmitglied Villeroy - Keine übereilten Schlüsse ziehen über Zinsschritte

Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau warnt vor voreiligen Schlüssen über die nächsten Zinsschritte der Europäischen Zentralbank.

Die an den Finanzmärkten grassierenden Spekulationen darüber, wo der Zinsgipfel der EZB liegen werde, seien übertrieben, sagte Villeroy am Freitag auf einer Konferenz in Paris. "Unsere künftigen Entscheidungen werden von den Daten abhängen, Sitzung für Sitzung", sagte das EZB-Ratsmitglied. "Daher sollte niemand voreilige Schlüsse über unseren Zeitplan oder unseren Leitzins ziehen", sagte er.

Nachdem die EZB am Donnerstag das achte Mal in Folge die Zinsen angehoben hat, wird am Geldmarkt inzwischen darauf gewettet, dass der Schlüsselzins im Euroraum auf über 3,9 Prozent steigen werde. Die EZB hatte die Schlüsselsätze um 0,25 Prozentpunkte erhöht. Der an den Finanzmärkten richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, stieg damit auf 3,50 Prozent - das höchste Niveau seit 22 Jahren. Für den Juli stellte EZB-Chefin Christine Lagarde die nächste Anhebung in Aussicht.

Villeroy zufolge hängen die nächsten Schritte der EZB von den Wirtschaftsdaten ab und nicht von den Prognosen. Die jüngsten Daten deuteten daraufhin, dass die bisherigen Zinserhöhungen Wirkung zeigten. Die Anhebungen kämen mit verzögerter Wirkung in der Wirtschaft an und bremsten die Inflation. Daher sei die Zeitspanne, in der die Zinsen hoch blieben, von größerer Bedeutung als ihr tatsächliches Niveau.

FRANKFURT (Dow Jones) / Paris (Reuters)

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