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Niedrige Zinslast auf Staatsanleihen kein Anlass für Ratingheraufstufungen

27.05.15 09:47 Uhr

Niedrige Zinslast auf Staatsanleihen kein Anlass für Ratingheraufstufungen | finanzen.net

Die Zinsen für Staatsanleihen in der Eurozone liegen derzeit so niedrig wie noch nie.

Damit sind auch die Refinanzierungsbedingungen am Kapitalmarkt so günstig wie nie. Dennoch haben sich die Kreditratings für die Staaten in der Eurozone kaum bewegt. Inwieweit sich die aktuell niedrigen Zinsen für Staatsanleihen in der Eurozone auf die Ratinganalyse auswirken oder gar Anlass für Heraufstufungen der Ratings geben, hat Standard & Poor’s Ratings Services in dem erst kürzlich veröffentlichten Kommentar "Why Record-Low Interest Rates On Eurozone Government Bonds Are Unlikely To Lead To Sovereign Upgrades" untersucht.

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Niedrige Zinsen erfordern unkonventionelle Maßnahmen

Die derzeit niedrigen Zinssätze sind kein Ergebnis wirtschaftlicher Stärke oder verbesserter Fundamentaldaten. Sie spiegeln auch keine verbesserte Kreditwürdigkeit wider. Sie sind vielmehr ein Zeichen von Schwäche und deflationären Tendenzen, die zu bisher nie dagewesenen unkonventionellen Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) geführt haben. Mit Hilfe des "Quantitative Easing", der Lockerung ihrer Geldpolitik, trägt die EZB dazu bei, einer weiteren Verschlechterung der finanziellen Bedingungen in der Eurozone vorzubeugen.

Heraufstufung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab

Ob Staatenratings Heraufstufungen erfahren, hängt ganz allgemein eher von Steigerungen des Wachstumspotentials und den damit einhergehenden fiskalischen und sozialen Verbesserungen ab. Es bleibt außerdem abzuwarten, ob die niedrigen Zinsen der Politik Raum für die Umsetzung von Reformen geben oder sie im Gegenteil eher zu einem Nachlassen in ihren Bemühungen verleiten. In einer Kreditanalyse auf der Grundlage von fundamentalen Daten sind Zinssätze daher eine wenig aussagefähige Messgröße.

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Lange Fälligkeit von Staatsschulden bieten Risiken

Aufgrund der im Durchschnitt langen Fälligkeiten der Staatsschulden in der Eurozone wird in der Regel nur ein geringer Anteil pro Jahr refinanziert. Um sich also spürbar auszuwirken, müsste das derzeit niedrige Zinsniveau viel länger andauern als bis September 2016, dem derzeit für das "Quantitative Easing" vorgesehenen Zeitraum. Sollten die Zinsen länger auf dem niedrigen Niveau verharren, würde auch das Inflationsziel der EZB nachhaltig nicht erreicht.

Dieses Szenario ist allerdings unwahrscheinlich. Denn sollte es eintreten, hätte dies gravierende negative Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit einiger Staaten in der Eurozone, die mit hoher Verschuldung und gedämpftem wirtschaftlichem Wachstumspotential zu kämpfen haben. Wir glauben jedoch, dass die EZB das höchste Maß an monetärer Flexibilität und Glaubwürdigkeit besitzt. Damit scheint es eher wahrscheinlich, dass die EZB eine Rückkehr zu ihrem Inflationsziel erreichen kann. Damit einhergehend werden die Zinssätze sogar wieder ansteigen. Auf welches Niveau die realen Zinsen steigen könnten, ist allerdings schwer zu sagen. Ein niedriges Zinsumfeld wäre in einem solchen Szenario nur temporär. Daher bietet die aktuell geringe Zinslast keinen Anlass für Heraufstufungen bei den Staatenratings der Eurozone.

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Von Moritz Kraemer, Managing Director und Chief Sovereign Ratings Officer bei Standard & Poor’s Ratings Services in Frankfurt

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de



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