Negative Zinsen: unterschiedliche Auswirkungen auf Europas Banken
Die von verschiedenen westeuropäischen Notenbanken vor kurzem eingeführten Negativzinsen treffen auf eine umfangreiche Liquidität aufgrund der geldpolitischen Lockerungen der Europäischen Zentralbank, dem sogenannten "Quantitative Easing".
Wie der von S&P kürzlich veröffentlichte Bericht "How Will Europe’s Banks Weather Subzero Rates?" zeigt, werden sich daraus sowohl positive als auch negative Auswirkungen auf die Ertragsaussichten der Banken in den nächsten Jahren ergeben. Der Druck auf die Banken steigt weiter.
Auf kurze Sicht werden die Auswirkungen der Negativzinsen auf die Banken wahrscheinlich leicht negativ sein, da sie weiteren Druck auf die Einlagenmargen und die Gewinne ausüben. Dadurch könnte weiterer Kostensenkungsdruck auf die Banken entstehen. Dieser Druck würde sich bei einer länger anhaltenden Negativzinsphase weiter verschärfen.
Allerdings dürften die ultra-niedrigen Zinsen positiv für die Refinanzierungskosten der Banken sein: niedrigere Renditeniveaus auf Staatsanleihen werden helfen, auch die Kosten für die Kapitalmarktrefinanzierung der Banken weiter zu senken. Insbesondere Banken in den Peripheriestaaten wie Spanien oder Portugal dürften davon profitieren, da diese mit relativ höheren Refinanzierungskosten am Markt zu kämpfen haben. Die Bankenindustrie in den Kernstaaten der Eurozone sowie in Dänemark, Schweden und in der Schweiz dürfte davon jedoch weniger Nutzen haben.
Negativzinsen und Quantitative Easing - Wie passt das zusammen?
Mehrere westeuropäische Zentralbanken sind erstmalig in das Territorium negativer Zinssätze eingestiegen. So verlangen die EZB und die dänische Nationalbank nun negative Einlagenzinsen, während die Maßnahmen der Schwedischen Riksbank und der Schweizerischen Nationalbank darüber hinaus zu negativen Kreditzinsen geführt haben. Mit dem Zusammentreffen von Negativzinsen und umfangreicher Liquidität ist eine neue Situation entstanden, welche heftige Auswirkungen auf das gesamte europäische Finanzsystem haben dürfte.
Langfristig steigen Risiken im Finanzsystem
Diese unkonventionellen ökonomischen Maßnahmen könnten sich positiv auf die Banken auswirken, da sie eine wichtige Rolle zum Schutz vor einer langen Rezession und einer ausgedehnten Deflation in den spezifischen Regionen spielen. Jedoch wird sich die Suche nach Rendite verstärken und die Anleihen-, Aktien- und möglicherweise auch die Immobilienmärkte befeuern. Langfristig steigen dadurch die Risiken im Finanzsystem.
Was kommt nach dem Quantitative Easing?
Wir erwarten, dass die Liquiditätsströme aus dem Quantitative Easing irgendwann wieder abebben werden. Die zu diesem Zeitpunkt dann möglicherweise bestehenden Überbewertungen bei Aktien und Immobilien werden die Investoren dazu veranlassen, auf das kleinste Anzeichen einer Veränderung zu reagieren. Plötzliche Inflationssteigerungen wären dann genau zu beobachten, wie sie etwa aufgrund eines stärker als erwarteten Ölpreisanstiegs auftreten könnten. Auch andere unvorhergesehene Treiber wie etwa geopolitische Ereignisse könnten die Geldströme rasch umlenken. Fazit: Insgesamt sehen wir also klare und zunehmende Risiken, dass sich wirtschaftliche und finanzielle Ungleichgewichte aufbauen und die Korrektur plötzlich und scharf ausfallen könnte.
Von Louise Lundberg, Senior Director Financial Services Ratings bei Standard & Poor’s Ratings Services in Stockholm
Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standorten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de
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