EZB-Chef Draghi stellt signifikante Lockerung in Aussicht
Angesichts eingetrübter Konjunkturaussichten hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, eine Lockerung der Geldpolitik in Aussicht gestellt.
Es seien "signifikante geldpolitische Impulse" notwendig, sagte Draghi am Donnerstag auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Zinsentscheidung. Die Märkte erwarten nun eine Senkung des Einlagesatzes und frische Anleihekäufe.
Der konjunkturelle Ausblick werde immer schlechter und schlechter, sagte Draghi. Die wichtigsten Belastungsfaktoren seien der Protektionismus, weltpolitische Entwicklungen sowie die Lage in den Schwellenländer. Er verwies auch auf die wachsende Wahrscheinlichkeit für einen Brexit ohne Abkommen. Vor allem die Industrie leide unter der aktuellen Entwicklung.
Eine Rezession erwartet Draghi aber nicht. Das Risiko dafür sei insgesamt "relativ niedrig", sagte Draghi. Er verwies auf den robusten Dienstleistungssektor und die Bauwirtschaft.
Draghi begründete seine Aussagen mit der schwachen Preisentwicklung. "Wir mögen nicht, was wir an der Inflationsfront sehen", sagte Draghi. Die EZB werde eine Teuerung unter dem Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent nicht akzeptieren. Eine Entkopplung der Inflation erwarte er aber nicht.
Die Notenbank hatte zuvor eine Senkung des Einlagesatzes signalisiert, auch wenn sie zunächst die Zinsen nicht antastete. Der Einlagesatz, zu dem Banken Geld bei der EZB parken können, liegt derzeit bereits bei minus 0,4 Prozent. Die EZB will so Banken zur Kreditvergabe anregen. Man habe jedoch noch nicht darüber diskutiert wie stark dieser Satz sinken könnte, sagte Draghi. Um die Geschäftsbanken der Eurozone nicht zu sehr zu belasten, sollen Optionen geprüft werden, darunter ein gestaffelter Einlagesatz. Außerdem sollen Mitarbeiter der EZB Möglichkeiten für neue Anleihekäufe ausarbeiten.
"Die EZB wird Märkten und Wirtschaft ab Herbst ein vorgezogenes Weihnachtspaket präsentieren", erwartet Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank. Die Absenkung des Einlagesatzes werde bereits im September beginnen. Laut Kater könnte diese deutlicher ausfallen als von vielen erwartet. Das Anleihekaufprogramm werde vor Jahresende wieder aufleben. "Positive Zinsen sind damit in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre so gut wie ausgeschlossen, wenn nicht für die gesamte kommende Dekade."
Der Euro legte im Verlauf der Pressekonferenz sogar zu. Die Anleihen gaben Kursgewinne wieder ab. Händler verwiesen auf die Aussage von Draghi, dass es keine Rezession gebe.
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FRANKFURT (dpa-AFX)
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