Druck auf Draghi wächst

EZB belässt Leitzins unverändert - trotz Preissturz bei Öl

21.01.16 14:15 Uhr

EZB belässt Leitzins unverändert - trotz Preissturz bei Öl | finanzen.net

Der Absturz des Ölpreises drückt die Inflation und lässt die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ein Stück weit ins Leere laufen. Dennoch hat die EZB den Leitzins (noch) unverändert gelassen.

Der Zins, zu dem sich die Banken für eine Woche Zentralbankgeld leihen können, bleibt weiter - wie im Vorfeld erwartet - auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent. Das gaben die Notenbanker um Chef Mario Draghi am Donnerstag nach ihrer Ratssitzung in Frankfurt bekannt. Der derzeit besonders bedeutsame Einlagensatz bleibt ebenfalls gleich bei 0,3 Prozent, so die EZB. Zum Einlagensatz können Banken bei der EZB Geld parken. Der Zinssatz zur Spitzenrefinanzierung liegt unverändert bei 0,3 Prozent.

Die Notenbanker lockern die Geldpolitik folglich zunächst nicht weiter/nur vorsichtig - trotz eines Mini-Ölpreises. Dieser macht das Ziel der EZB, die Inflation langfristig auf zwei Prozent zu erhöhen, immer schwieriger. Der Druck auf den EZB-Rat und Notenbank-Chef Draghi dürfte nun in den kommenden Wochen weiter steigen, schließlich befindet sich der Ölpreis seit Monaten im Sinkflug. Die zusätzlichen Maßnahmen, die die EZB im Dezember 2015 getroffen hatte, wirkten sich bisher kaum auf das angestrebte Inflationsziel aus.

Ende des vergangenen Jahres hatte die Europäische Zentralbank beschlossen, die Anleihekäufe auszuweiten. Die Laufzeit des Programms verlängerten die EZB-Räte bis März 2017, außerdem weiteten sie die Palette an Wertpapieren, die für das Kaufprogramm infrage kommen, auch auf regionale Anleihen aus. Doch der Effekt einer lockeren Geldpolitik ist verpufft, der niedrige Ölpreis machte bisher alle Bemühungen zunichte, die Inflation zu steigern.

Was nun, Herr Draghi?

Der Druck auf EZB-Präsident Draghi dürfte nun zunehmen, eine Lösung ist schwierig. Öffnet er die Geldschleusen weiter und spielt er damit möglicherweise seinen allerletzten Trumpf aus? Oder nimmt er in Kauf, dass die Inflation zusammen mit dem Ölpreis weiter fällt und die Eurozone eventuell in die Deflation rutscht? Eine Entscheidung scheint - so oder so - immer nur eine Notlösung.

Einige Finanzexperten kritisieren längst Draghis lockere Geldpolitik. Sie halten die Sorge vor einer schwachen Teuerung grundsätzlich für übertrieben. Die geringe Inflation sei vor allem auf die extrem niedrigen Energiepreise zurückzuführen. Diese nutzten der Wirtschaft im Euroraum und schadeten ihr nicht. Darüber hinaus haben viele Ökonomen Zweifel, ob die Geldpolitik der EZB überhaupt noch Einfluss auf die Teuerungsrate hat.

Auf der anderen Seite sind einigen Mitgliedern der EZB die geldpolitischen Maßnahmen nicht locker genug. Das offenbarte vor einigen Tagen das Protokoll zur EZB-Sitzung im Dezember. Einige Notenbanker plädierten schon damals für eine stärkere Senkung des Einlagenzinses als beschlossen.

Das könnten die kommenden Maßnahmen der EZB sein

Holger Sandte, Chef-Europa-Analyst bei Nordea Markets in Kopenhagen, ist sich sicher: "Wenn der Ölpreis auf seinem derzeitigen Niveau bleibt, wird die EZB wohl nicht dasitzen, abwarten und auf das beste hoffen." Eine weitere Lockerung der Geldpolitik im März sei daher möglich, die EZB könnte dann auf die niedrigen Inflationsraten reagieren.

Sollte das Schrauben am Einlagenzins nicht ausreichen, könnte die EZB ihr Anleihekaufprogramm weiter ausbauen. Denkbar wäre, dass die Notenbank das monatliche Volumen von 60 Milliarden Euro erhöht. Ein solcher Schritt hat derzeit allerdings einige Gegner im Rat. So sagte Ratsmitglied Ewald Nowotny, der Chef der Österreichischen Nationalbank: "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch die Geldpolitik Grenzen hat." Dass der Leitzins gar auf 0,00 Prozent gesenkt wird, kommt angesichts der verschiedenen Positionen unter den EZB-Mitgliedern derzeit wohl nicht infrage.



Von Markus Gentner/Redaktion finanzen.net

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