Jim Cramer: Darum scheinen die bisherigen Maßnahmen der Fed den Markt kaum zu beeinflussen
Die US-Notenbank hat mit einer falkenhaften Geldpolitik auf hohe Inflationsraten reagiert. Aber die Währungshüter treffen auf ein ungewöhnlich schwierig einschätzbares makroökonomisches Umfeld, was der Fed das Handeln erschwert, mahnt Marktexperte Jim Cramer.
• Leitzinsen eigentlich gutes Notenbank-Instrument für Geldpolitik
• Fed hat aber uneinheitliche Daten zu verarbeiten
• US-Währungshüter im Dilemma
Die Geldpolitik der Notenbanken zielt nicht nur auf die Verwaltung von Währungsreserven und die Ausgabe von Banknoten ab, eine der Hauptaufgaben der Währungshüter ist der Erhalt der Preisstabilität. Zu diesem Zweck haben Fed & Co. ein wichtiges Handlungsinstrument: Den Leitzins. Üblicherweise wird der Leitzins angehoben, wenn die Inflation ein vorher festgelegtes Niveau überschreitet, im umgekehrten Fall kommt es in der Regel zu Leitzinssenkungen, wenn ein Abwürgen des Konjunkturmotors droht oder der Anstieg der Verbraucherpreise sich auf ein angemessenes Niveau einpendelt.
Eine Anpassung des Leitzinses hat in der Regel messbare Folgen - im positiven sowie im negativen Sinn. Steigen die Marktzinsen, wird es für Banken teurer, sich Geld von den Notenbanken zu leihen, diese geben daher die gestiegenen Kreditkosten an ihre Kunden weiter, was die Zahl der Kreditabschlüsse senkt. Das wiederum bremst die Wirtschaft aus, da viele Verbraucher Kreditaufnahmen oder Investitionen aufschieben oder aussetzen, was zu sinkender Nachfrage und damit einhergehend sinkenden Preisen führt. Eine Leitzinsanhebung zielt also darauf ab, die Wirtschaft zu schwächen - Währungshüter bewegen sich dabei aber auf dünnem Eis. Würgen sie den Konjunkturmotor komplett ab, droht eine Rezession.
Aktuelles Wirtschaftsumfeld erschwert der Fed das Handeln
Für die US-Notenbank Federal Reserve ist das aktuelle Marktumfeld aber ein durchaus außergewöhnliches. Denn die Daten, die die Notenbanker von der Wirtschaft zurückgemeldet bekommen, ergeben kein einheitliches Bild und erschweren daher die Entscheidung über die künftige Ausrichtung der Geldpolitik.
Jim Cramer, ehemaliger Hedgefondsmanager und Marktexperte, sieht die Fed in schwierigem Fahrwasser. Gegenüber CNBC erklärte er, der Markt sei durch beispiellose Makrofaktoren verzerrt, was es der Federal Reserve erschwere, ihn zu stabilisieren. Wenn man alle Verzerrungen zusammenzähle, sei es wahnsinnig schwer, das Verbraucherverhalten vorherzusagen.
Der US-Notenbank fehlen also verlässliche Daten, die Federal Reserve könne sich derzeit keine klare Vorstellung von der Wirtschaft machen, so Cramer weiter. "Nichts in dieser Wirtschaft funktioniert so, wie es soll, nichts ist vorhersehbar. Die Geschichte ist im Moment ein schrecklicher Leitfaden, weil wir noch nie zuvor in dieser Situation waren", warnt der Experte. Demnach seien ein Jahr nach Beginn des Krieges in der Ukraine die Lebensmittel- und Ölpreise massiv verzerrt. "Beide Märkte werden eher künstlich von der Geopolitik diktiert als von der natürlichen Dynamik von Angebot und Nachfrage".
Darüber hinaus gebe es eine starke Nachfrage im Automobilsektor, während die Wirtschaft gleichzeitig am Boden liege. Das liege daran, dass die Lieferengpässe bei Halbleitern die Autoproduktion verlangsamten und einen Rückstand bei der Autonachfrage verursachten, betont er.
Auch andere Experten sehen Probleme für die Fed
Auch Torsten Slok, Chefökonom bei Apollo Global Management, sieht die Fed in einem Dilemma, verursacht durch schwer zu interpretierende, ungenaue Wirtschaftsdaten. "Für die Fed und die Märkte ist es absolut entscheidend, dass die eingehenden Daten so zuverlässig wie möglich sind. Sind zum Beispiel die starken Daten, die wir im Januar für Beschäftigung und Einzelhandelsumsätze gesehen haben, eine wahre Beschreibung dessen, was vor sich geht? Liegt es an Problemen mit Saisonbereinigungen oder an Problemen bei der Messung von Beschäftigung und Verbraucherausgaben in den Wirtschaftsumfragen?", so der Experte im Interview mit CNN.
Ein Bespiel für die Unzuverlässigkeit der Makrodaten sei Slok zufolge die aktuelle Entlassungswelle im Techsektor. Diese würde zwar "wie eine große Sache", erscheinen, sei aber "im Grunde irrelevant, wenn man sie mit den jüngsten Daten aus dem letzten Beschäftigungsbericht für Januar vergleicht, wo die Wirtschaft 517.000 Arbeitsplätze geschaffen hat", so der Wirtschaftsprofi.
Das sieht auch Cramer ähnlich, der einige Wirtschaftsdaten für wenig aussagekräftig hält, was auch den Folgen der Corona-Pandemie zu schulden sei. "Die Wirtschaft wurde auch durch die finanzielle Unterstützung der Regierung in der Pandemiezeit wie Arbeitslosengeld und den Erlass von Studentendarlehen durcheinandergebracht, was die Inflation verschärft hat". Nun kämen Rezessionssorgen auf, die wiederum dafür sorgten, dass Käufer 10-jährige Staatsanleihen "auf absurd niedrigem Niveau" kauften, was die Hypothekenzinsen nach unten drücke und dazu führe, dass die Nachfrage und die Preise für Immobilien selbst bei steigenden Zinsen in die Höhe schnellten, sieht der Profi auch Probleme an anderer Front.
Wirtschaftsausblick schwierig
Die National Association for Business Economics (NABE), die eigenen Angaben zufolge größte internationale Vereinigung von angewandten Ökonomen, Strategen, Akademikern und politischen Entscheidungsträgern, kommt ihrer jüngsten Umfrage zu einem ähnlichen Ergebnis, wie Slok und Cramer. "Die Ergebnisse der NABE Outlook-Umfrage vom Februar 2023 spiegeln weiterhin erhebliche Unterschiede in Bezug auf die Aussichten für die US-Wirtschaft wider", sagte NABE-Präsidentin Julia Coronado, Präsidentin und Gründerin von MacroPolicy Perspectives LLC. "Schätzungen des inflationsbereinigten Bruttoinlandsprodukts oder des realen BIP, der Inflation, der Arbeitsmarktindikatoren und der Zinssätze gehen alle weit auseinander und spiegeln wahrscheinlich eine Vielzahl von Meinungen über das Schicksal der Wirtschaft wider - von einer Rezession über eine sanfte Landung bis hin zu einem robusten Wachstum", heißt es in einer Pressemitteilung.
Dabei gingen auch die Einschätzungen der Diskussionsteilnehmer darüber auseinander, wie stark die Federal Reserve die Zinsen anheben könnte, wie lange die Zinsen auf dem Höchststand bleiben könnten, wann Zinssenkungen beginnen würden und was die Maßnahmen der Zentralbank an jeder dieser Fronten signalisieren würden, erklärte in diesem Zusammenhang Dana M. Peterson, Vorsitzende der NABE Outlook Survey und Chefökonomin des Conference Board.
Das Dilemma, in dem die US-Notenbank sich befindet, könnte erklären, wieso die bisherigen Maßnahmen der Währungshüter nicht die erhofften Erfolge zeigen. Verlässlichkeit der Daten ist für geldpolitische Entscheidungen ein wichtiger Faktor, aktuell sei es aber "wahnsinnig schwer, das Verbraucherverhalten vorherzusagen, weshalb die bisherigen Schritte der Fed wenig Einfluss zu haben scheinen", fasst Jim Cramer zusammen.
Redaktion finanzen.net
Weitere News
Bildquellen: a katz / Shutterstock.com, JStone / Shutterstock.com