Scheingefechte der Zentralbank
Die EZB wird die Zinsen erhöhen. Die Frage ist nur: Wie oft?
Dr. Alexander Seibold, geschäftsführender Gesellschafter Dr. Seibold Capital GmbH
Viele Notenbank-Beobachter wurden von Jean-Claude Trichet, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), auf dem falschen Fuß erwischt. Trichet hatte geäußert, die Entwicklung der Inflation erfordere eine „strong vigilance“, übersetzt in etwa: strenge Beobachtung. Diesen Begriff hatte Trichet bis 2008 verwandt, bevor die EZB jeweils die Zinsen erhöhte. Seitdem ist dieser Ausdruck ein Codewort für eine Verschärfung der Zinspolitik. Die spannende Frage aber ist: Bleibt es bei einer einmaligen Erhöhung des wichtigsten Leitzinses von einem auf 1,25 Prozent, die nun für April erwartet wird, oder stehen wir am Anfang einer neuen Zinsphase?
Um eine Zinserhöhung einer Zentralbank einzuschätzen, muss man wissen, dass die Veränderung des Leitzinses oft mehr mit Psychologie als mit finanziellen Auswirkungen zu tun hat. Ob eine Bank für die Geldversorgung für ein Jahr ein Prozent oder 1,25 Prozent zahlen muss, macht keinen großen Unterschied. Wichtiger ist das Signal, dass die Europäische Zentralbank (EZB) sendet: Achtung, wir könnten die Zinsen noch wesentlich stärker anheben!
EZB droht EU-Regierungen mit Zinsschraube
Adressat der Warnung sind die Regierungen der großen EU-Länder, die von ihrer ultra-lockeren Schuldenpolitik nicht loslassen wollen. Schließlich wird immer deutlicher, dass die Politik versucht, die Geldpolitik zu beeinflussen. Aktuell versucht Kanzlerin Angela Merkel, ihren Berater Jens Weidmann als Bundesbankpräsident zu installieren. Daher ist die geplante Zinserhöhung der EZB eher als politisches Ausrufezeichen zu sehen. Denn eine galoppierende Inflation halte ich in absehbarer Zeit für unwahrscheinlich. Ein wichtiges Indiz dafür ist die immer noch hohe Arbeitslosigkeit in der EU. Selbst der Aufschwung der Konjunktur in Deutschland konnte nicht verhindern, dass die Arbeitslosenquote 2010 EU-weit noch einmal gestiegen ist.
Daher werden wir es wohl nicht mit einer Inflation im Sinne einer Lohn-Preis-Spirale zu tun bekommen, sondern mit einer Inflation bei Preisen von Vermögenswerten. Das könnte vor allem auf Rohstoffe zutreffen. Die Preise von Industrie- und Edelmetallen, Energieträgern und Agrargütern sind in den vergangenen zwei Jahren stark gestiegen. Rohstoffpreise sind derzeit das Ventil, durch das die Billionen US-Dollar, die weltweit von Zentralbanken bereitgestellt wurden, in die reale Wirtschaft fließen.
Zentralbank-Geld fließt in Rohstoffsektor
Rohstoffe sind besonders für Preissteigerungen prädestiniert. Zum einen gibt es dort eine steigende Nachfrage vor allem aus den Schwellenländern, aber auch aus Industrieländern, die die Wirtschaftskrise hinter sich lassen. Gleichzeitig zeigt sich die Angebotsseite schwach. Beim Öl ist die Produktion in Libyen gesunken, in der arabischen Region steigt das politische Risiko. Bei Agrargütern haben extreme Dürreperioden und Überschwemmungen die Ernten beeinträchtigt. Bei Industriemetallen wie Kupfer schließlich hinkt die Minenproduktion schon länger der Nachfrage hinterher. Zweitens sind die wichtigsten Alternativen derzeit nicht attraktiv: Gegen Anleihen spricht die schlechte Bonität vieler Emittenten. Beim Aktienmarkt ist es zumindest fraglich, ob er nach der starken Steigerung seit Anfang 2009 noch Potenzial besitzt. Allerdings muss man sich bewusst sein, dass Rohstoffpreise stark schwanken. Eine enge Beobachtung jeder Position ist unerlässlich.
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